Mehrdad Mostofizadeh: „Wir brauchen mehr Wohnraum für Menschen, die barrierefrei leben wollen“

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das ist wieder einer dieser Anträge, bei denen man sich fragt: Was würde passieren, wenn es diesen Antrag nicht gäbe? – Ich würde behaupten: nichts.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nichts würde passieren, nichts würde sich ändern.

Da frage ich den Minister – das habe ich bei solchen Gelegenheiten häufiger gemacht und regelmäßig keine Antwort bekommen, was aber in Ordnung ist –: Herr Minister, bedurfte es einer Aufforderung, dass Sie das, was Sie jetzt tun, auch weiterhin tun?

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Das ist schön!)

Oder ist das nicht eher ein Vehikel dafür, sich ordentlich für das auf die Schultern zu klopfen, was man alles geleistet hat, und – Herr Kollege Schmitz hat das nicht ausgelassen – noch ein bisschen nach links und rechts zu treten, so zu tun, als hätten die anderen nicht mitgestimmt, wie es auch Herr Lenzen gesagt hat?

Ich könnte Ihnen in einem Oppositionsreflex jetzt auch vortragen, dass wir vier umfangreiche Anträge zu den Themen „Obdachlosigkeit“, „Wohnungslosigkeit“ und verschiedenen anderen Punkten eingebracht haben. Natürlich haben Sie keinem einzigen dieser Anträge zugestimmt. Ansonsten hätten wir jetzt eine andere Lage.

Ich will einige Aspekte aufgreifen, bei denen ich meine, dass wir doch weiterkommen müssten. An den „Kümmerer“-Projekten ist aus meiner Sicht nichts auszusetzen, und man kann sie sicherlich weiterentwickeln. Was „weiterentwickeln“ bedeutet, steht allerdings nicht in diesem Antrag.

Wir müssen feststellen, dass in Nordrhein-Westfalen trotz eines massiven Rückgangs der Zuwanderungsdynamik die Zahl der Wohnungslosen gestiegen ist. Die hohen Zahlen von 2015, 2017 waren natürlich in besonderer Weise von der Zuwanderung geprägt. Das kann auch gar nicht anders sein. Ich weiß nicht, ob es alle wissen: Wohnungslos ist auch eine Person, die in einer Übergangseinrichtung, also in einem Heim für Geflüchtete, lebt bzw. leben muss. Insofern war es eine ganz natürliche Entwicklung, die wir erfreut zur Kenntnis genommen haben. Jetzt steigen die Zahlen aber wieder, und das muss uns alarmieren.

Was uns auch alarmieren muss, sind ein paar weitere Punkte, bei denen man kontinuierlich Abhilfe schaffen kann. Sie haben es zum Beispiel versäumt, in der Landesbauordnung für Menschen mit Behinderung für barrierefreien Zugang zu sorgen.

Ich muss mich auch fragen, warum das Thema „Housing First“ nicht ausgewertet und fortentwickelt wird. Der Minister hat doch meines Erachtens mit der Spende von Gerhard Richter und in Zusammenarbeit mit den von Frau Butschkau zu Recht angesprochenen Selbsthilfeorganisationen beachtenswerte Projekte auf den Weg gebracht. Das ist durchaus anerkennenswert.

Mein Kenntnisstand ist, dass das Ministerium selbst das Ganze sehr befürwortet. Es fehlt sicherlich an Wohnungen. Das ist keine Frage, und das ist in diesem Projekt auch nicht ganz banal. Aber wir würden uns vorstellen, diesen Ansatz eher auszubauen, anstatt ihn auslaufen zu lassen, wie es der Antrag zumindest nahelegt.

Deswegen werden wir hierzu in den Haushaltberatungen Initiativen ergreifen. Das kann ich jetzt schon ankündigen. Denn wir brauchen mehr Wohnraum für Menschen, die barrierefrei leben wollen und die, wie Sie richtig feststellen, ihr Päckchen zu tragen haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insofern bin ich ein bisschen erstaunt, dass diese Ergebnisse noch nicht vorliegen.

Herr Kollege Schmitz, Sie haben jetzt St. Martin angeführt. Vielleicht wäre es eine Perspektive, einfach mal auf Augenhöhe zu diskutieren – nicht darüber, dass der Reiche mit dem Armen teilt – und den Mieterinnen- und Mieterschutz in Nordrhein-Westfalen zu verstärken. Es hat ja viel Druck gegenüber der Ministerin gebraucht, damit die ganzen Verordnungen, die Sie abschaffen wollten, eben doch nicht abgeschafft worden sind.

Das Allerbeste und vernünftig wäre doch – wenn Sie es ernst meinen, Herr Kollege –, zusammen mit den Kommunen ein Ausbauprogramm für wohnungslose Menschen aufzulegen. Ein breiter Ansatz wäre vernünftig.

Als wir bei der Landesregierung angefragt haben, kam als Antwort: Für die Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit sind in erster Linie die Kommunen zuständig, und wir gucken uns das Ganze mal so ein bisschen an.

Das ist eine Perspektive, die wir für falsch halten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir glauben, wir brauchen eine klare Perspektive für Nordrhein-Westfalen, damit Menschen, die von Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit bedroht sind, einen klaren Hilfsansatz bekommen.

Deswegen will ich an der Stelle noch mal sagen: Der Ansatz „Housing First“, also Menschen zunächst ein Dach über dem Kopf zu geben, gerne auch mit Hilfsangeboten und ergänzenden Angeboten, ist der erste Ansatz, damit die Menschen aus der prekären Lage herauskommen und keine weiteren Auflagen bekommen, um mit dieser Politik nach vorne zu kommen.

Lieber Herr Kollege, wir bieten ausdrücklich an, bei der Politik zusammenzuarbeiten. Aber für einen Hallo-Antrag, wie toll die Koalition angeblich gewesen ist, ohne eine Initiative nach vorne zu bringen, stehen wir nicht zur Verfügung.

Wir stehen auch nicht dafür zur Verfügung, dass Sie dem Minister im Prinzip aufgeben – das ist meine letzte Bemerkung –, mit den jetzt zur Verfügung stehenden Mitteln mehr zu machen, was Sie den Kommunen auferlegen. Also kommunales Geld hier mit einem Landesantrag abzuholen, dafür stehen wir nicht zur Verfügung.

Aufgrund der Banalität des Antrages werden wir uns an der Stelle enthalten. Wir sind für die Bekämpfung der Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit, erwarten da aber echte Initiativen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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