Verena Schäffer: „Sie drücken sich seit vier Jahren um das Thema herum, auch das gehen Sie nicht an“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Kriminalpolizei

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, ehrlich gesagt, dass der Antrag ein ziemliches Armutszeugnis ist. Ich finde es gut, wenn Sie Punkte aus Anhörungen aufgreifen, und ich finde es gut, wenn Sie sich Gedanken über die Kriminalpolizei und darüber machen, wie man die Kripo stärken kann. Aber ehrlich gesagt erwarte ich von zwei Regierungsfraktionen, die im Austausch auch auf die Kompetenzen des Ministeriums zurückgreifen können, mehr. Sieben Monate vor einer Landtagswahl mit so einem Antrag aufzuwarten, halte ich, ehrlich gesagt, für eine ziemlich große Peinlichkeit.

(Sven Wolf [SPD]: Bis wann soll das Gutachten vorliegen? Bis September!)

– Das wird auch nicht mehr umgesetzt werden. Das ist eine Schlagzeile in einer Zeitung, die man damit generiert hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

So war es übrigens auch schon bei diesem Spezialistenprogramm. Da hat man eine Schlagzeile gemacht, und dann kam erst mal sehr lange gar nichts. Genauso ist es hier auch. Und sieht man es sich näher an, zeigt sich, dass da, ehrlich gesagt, wenig drinsteht.

Wenn man weiß, wie die Problemlagen in der Kripo sind – das hat die Anhörung doch gezeigt –, und dann diesen Antrag sieht, dann muss man ganz ehrlich sagen: Der Dimension der Probleme, die wir haben, wird dieser Antrag in keinster Weise gerecht. Darin sind ein paar interessante Punkte enthalten, die man diskutieren muss. Sie sind nur überhaupt nicht ausgearbeitet. Das ist auch meine Hauptkritik.

Dann haben Sie das Thema „Abgänge“ angesprochen und dass mit der Pensionierung natürlich auch Fachwissen verloren geht. Das ist richtig. Ich finde es dann aber immer ein bisschen schwierig, sich für die hohen Einstellungszahlen zu loben. Die sind gut; wir brauchen die hohen Einstellungszahlen. Im zweiten Satz müssen Sie aber auch sagen, dass wir eine Abbrecherquote von 20 % haben. Das ist ein riesengroßes Problem. Die Leute kommen doch überhaupt nicht an. Das wird hier immer verschwiegen.

Aber ich will auf den Antrag eingehen, weil Ausbildung und Abbrecherquoten heute gar nicht das große Thema sind. Es geht um das Thema „Kriminalpolizei“.

Erster Punkt: Forschungsaufträge zur Belastungssituation. Ich finde Forschung immer großartig. Machen Sie Forschungsaufträge. Das finde ich super. Ich verspreche mir allerdings nicht sehr viel davon, weil die Belastungen und die Herausforderungen aus meiner Sicht eigentlich ziemlich klar benannt sind. Das darf nicht dazu führen, dass bis zum 30. September 2022 in diesem Bereich nichts passiert. Ich erwarte da also nicht sonderlich viel, aber gegen Forschung kann man nichts haben.

Punkte 2 bis 4: 10 % in die Kripo. Herr Katzidis konnte mir gerade nicht wirklich erläutern, wie Sie auf die 10 % kommen. Themen wie die Werbekampagne für „Spezialisten zu Polizisten“ sind alles schöne Sachen. Man muss darüber diskutieren, genauso wie über die Frage, ob wir feste Zuweisungen im Rahmen eines bestimmten Prozentsatzes brauchen. – Ich bin total offen für die Diskussion. Ich weiß auch nicht, wo man genau sagt, wie viele man nehmen soll. Aber wenn man von 10 % spricht, dann muss man das auch begründen können. Das ist hier nicht gemacht worden.

(Marc Lürbke [FDP]: Mindestens 10 %!)

Aber der Punkt ist doch – darauf hat insbesondere der Bund Deutscher Kriminalbeamter immer wieder hingewiesen –: Wenn wir Werbekampagnen machen, wenn wir dieses Spezialistenprogramm machen, das auch für diese 10 % gilt, dann muss man den jungen Leuten doch vor Beginn des Studiums zusagen können, dass sie, wenn sie eingestellt werden, zur Kripo kommen.

Diese Zusage kann nicht erst erfolgen, wenn die Leute schon im Studium sind. Der Punkt ist doch – und das wollen Sie auch mit der Werbekampagne erreichen –, dass die Leute sich explizit bei der Polizei bewerben, damit sie zur Kripo gehen können. Dann müssen Sie die Zusage aber auch vorher machen. Das ist hier auf jeden Fall nicht enthalten. Vielleicht haben Sie das vor, es geht aus dem Antrag aber in keinster Weise hervor.

Ausbildung und Fortbildung war ein Riesenthema in der Anhörung. Kein Wort dazu in diesem Antrag! Zum Thema „Einführungsfortbildung Kripo“ wurde in der Anhörung deutlich gesagt, dass das extrem viele Ressourcen kostet, weil die Leute erst mal ausgebildet werden, dann gehen sie in den Wach- und Wechseldienst und in die Bereitschaftspolizei, und dann kriegen sie die Einführungsfortbildung.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Entschuldigung, Frau Kollegin …

Verena Schäffer (GRÜNE): Deshalb wurde gesagt: Einführungsfortbildung in die reguläre Ausbildung integrieren. – Kein Wort davon findet sich hier im Antrag.

(Zuruf von der CDU)

Auch das halte ich für ein absolutes Defizit. Sie müssen auch über das Studium und die Ausbildung sprechen. – Aber es gab eine Nachfrage, meine ich.

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Ganz genau, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, und zwar bei Herrn Kollegen Lürbke.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ja, bitte, gerne.

Marc Lürbke (FDP): Frau Präsidentin, vielen Dank. – Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich bin etwas irritiert, Frau Kollegin Schäffer, weil all das, was wir vorschlagen, Ihrer Einschätzung nach anscheinend nicht zielführend oder nicht richtig ausgearbeitet ist.

Die Probleme bei der Kripo sind nicht gestern vom Himmel gefallen. Ich will den Blick nicht zu sehr zurückwenden, weil wir schon seit 2017 regieren, sich viel verändert hat und wir auch jetzt wieder eine ganze Palette von Vorschlägen haben. Aber da Sie alles in Bausch und Bogen verdammen, würde mich, weil die Probleme nicht vom Himmel gefallen sind, interessieren, was Sie in den Jahren 2012 bis 2017 konkret für die Stärkung der Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen erreicht und gemacht haben. – Vielen Dank.

(Beifall von Martina Hannen [FDP] und Franziska Müller-Rech [FDP])

Verena Schäffer (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Lürbke, diese Vergangenheitsbewältigung können wir machen; darüber kann man diskutieren. Aber ich finde nicht, dass das der Punkt ist.

(Marc Lürbke [FDP]: Das kann ich mir vorstellen!)

Wir haben Sachen gemacht. Wir haben zum Beispiel in der Ausbildung den Bereich der Kripo gestärkt. Wir haben Inhalte gestärkt. Wir haben die Einführungsfortbildung eingeführt. Ich finde, das war ein total wichtiger Schritt, um die Kriminalpolizei auch fachlich zu stärken. Das war eingefordert worden, und das haben wir auch gemacht. Aber jetzt geht es doch um eine Weiterentwicklung.

Im Übrigen habe ich den Antrag bzw. all seine Punkte nicht in Bausch und Bogen verdammt. Da haben Sie mir nicht richtig zugehört, das muss man leider sagen. Ich habe gesagt: Über einzelne Punkte und so etwas wie feste Zuweisungen von Quoten muss man diskutieren. Ich sehe das genauso, aber Sie legen sieben Monate vor einer Landtagswahl mal eben einen Antrag vor, ohne sich all das überleget zu haben und ohne ein ausgereiftes Konzept zu haben. Ich finde das einfach peinlich für zwei Regierungsfraktionen. Ich erwarte da mehr von Ihnen, und ich meine, dass auch die Polizei mehr von Ihnen erwarten kann.

(Zuruf von Dr. Christos Georg Katzidis [CDU])

Ich meine außerdem, dass da auch in den nächsten sieben Monaten nicht mehr viel passieren wird.

Auf wesentliche Inhalte der Anhörung sind Sie überhaupt nicht eingegangen. Zum Thema „Ausbildung“ steht hier zum Beispiel gar nichts drin.

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

Ich finde, man muss darüber diskutieren – das haben wir damals unter Rot-Grün begonnen –, inwiefern man Ausbildungsinhalte bei der Polizei im Bereich der Kripo weiter stärkt und mit einer gewissen Ausdifferenzierung schon in der Ausbildung beginnt. Es war übrigens damals immer Ihr Kollege von der CDU, der die Y-Ausbildung gefordert hat. Ich meine, das steht sogar im Wahlprogramm; das müsste ich nachschauen. Jedenfalls war es Theo Kruse, der immer gesagt hat: Wir brauchen die Y-Ausbildung. – Ich würde so weit gar nicht gehen, weil ich möchte, dass es in der Polizei eine Durchlässigkeit gibt und man auch zwischen Direktionen wechseln kann.

(Sven Wolf [SPD]: Das macht den Beruf ja auch spannend!)

Das hat nämlich auch etwas damit zu tun, dass sich Polizeibeamtinnen und -beamte fortentwickeln können.

Das Thema „Ausbildung“ halte ich, wie gesagt, für einen wesentlichen Punkt. Ich meine, dass wir dahin kommen müssen, weiter zu differenzieren, auch in der Ausbildung.

– Ich habe noch gar nicht geguckt, aber es ist in Ordnung, ich habe noch eine Minute.

Ich finde, das Thema der Ausbildung muss man angehen. Davon ist in diesem Antrag nichts zu finden. Ich würde mich freuen, wenn das weiter diskutiert würde, aber selbst das lassen Sie nicht zu, weil Sie den Antrag gleich direkt abstimmen lassen. Das heißt, diese Diskussionsmöglichkeiten werden wir nicht mehr haben.

Ich will noch einmal …

Vizepräsidentin Carina Gödecke: Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie erneut unterbreche. Ich muss einmal nachfragen: War das der zweite Wunsch nach einer Zwischenfrage?

(Marc Lürbke [FDP]: Nein!)

– Okay. – Dann können Sie jetzt in aller Ruhe fortfahren, und Sie haben auch ausreichend Zeit, obwohl Sie eben angenommen haben, dass wir sie bei Ihnen zu früh wieder eingeschaltet haben.

Verena Schäffer (GRÜNE): Ich würde gerne auf den letzten Punkt eingehen. Da schreiben Sie davon, Regierungsbeschäftigte stärker in den Bereichen IT oder Finanzermittlung einzusetzen. – Mehr Regierungsbeschäftigte finde ich gut, um die Kripo zu entlasten. Aber ich sehe, ehrlich gesagt, gerade beim Thema „Finanzermittlung“ gewisse Fragezeichen dahin gehend, ob es im gesetzlichen Rahmen möglich ist, dass Regierungsbeschäftigte hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Das muss man zumindest im Hinterkopf behalten, und man kann auch nicht unbegrenzt Regierungsbeschäftigte einsetzen.

Ich will noch einen oder zwei wichtige Punkte ansprechen, die Sie nicht im Antrag haben. Da ist das Thema „Beförderungsstellen“; Fluktuation war auch ein Riesenthema in der Anhörung. Auch dazu steht kein einziges Wort im Antrag.

(Marc Lürbke [FDP]: Weil wir das längst machen!)

Ein letzter Punkt betrifft die Äußere Aufbauorganisation der Polizei, auch das war Thema in der Anhörung. Sie drücken sich seit vier Jahren um das Thema herum, auch das gehen Sie nicht an.

(Marc Lürbke [FDP]: Sind Sie auch nicht! – Christian Dahm [SPD]: Können wir ja demnächst!)

Mein Fazit ist, dass man über einzelne Aspekte diskutieren kann, diskutieren muss. Aber das, was Sie hier vorlegen, ist alles andere als ein ausgereiftes Konzept dazu, wie Sie die Kriminalpolizei in Nordrhein-Westfalen stärken und weiterentwickeln wollen.

Ich finde, es ist ein Offenbarungseid, dass man nach viereinhalb Jahren Regierungszeit beim Thema „Kripo“ quasi fast blank ist und kein Konzept vorlegen kann, wie man hier in der nächsten Legislaturperiode weiter vorgehen will. Ich finde: Das ist zu dünn, das ist zu wenig. Deshalb werden wir den Antrag ablehnen.

(Beifall von den GRÜNEN)

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