Matthi Bolte-Richter: „Das Land muss Verantwortung für die Hochschulen und ihre Beschäftigten übernehmen“

Zu Anträgen der GRÜNEN im Landtag und der SPD-Fraktion zu Arbeitsbedingungen an Hochschulen

Der Antrag

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist schön, dass wir bei einer wissenschaftspolitischen Debatte mal ein bisschen Stimmung hier im Hause haben; dazu gibt es auch einen guten Anlass. Wir haben schon gehört, dass viele wissenschaftliche Beschäftigte an Hochschulen in Deutschland unter #IchbinHanna ihrem Ärger über schlechte Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft Luft gemacht haben. Viele haben sich solidarisch gezeigt, viele haben gesagt: Auch wir sind Hanna.

Über 80 % des wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen in NRW ist befristet beschäftigt. Das wissen wir aus den Erhebungen, die uns vorliegen, das müssen wir nicht noch groß evaluieren, Frau Vogt. Sie haben eben gesagt, dass Sie eine Weiterfinanzierung und den Ausbau des MedMoP vorangetrieben hätten. – Das stimmt, aber es reicht nicht, um die 6 Milliarden Euro Sanierungsstau abzuarbeiten. Es stimmt auch, dass Sie das HKoP ausfinanzieren. Aber wir kritisieren schon seit langer Zeit massiv, dass es kein Anschlussprogramm gibt, um den Sanierungsstau im Bereich der Hochschulen abzubauen.

Auch hinsichtlich des ZSL ist es so, dass Sie zwar eine Übergangsregelung erwirkt haben, nach deren Ablauf aber die Mittel für NRW niedriger sein werden.

Das alles sind keine guten Bedingungen für die Wissenschaft. Freie Wissenschaften aber sind heutzutage mehr gefragt denn je. Die Klimakrise bedroht unser Leben und Verschwörungsmythen unsere Demokratie. Die bei uns entwickelten Impfstoffe weisen den Weg aus der Pandemie heraus.

Das alles sind Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht. Sie sind gigantisch, und um ihnen zu begegnen, braucht die Wissenschaft beste Bedingungen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen die Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses und der studentischen Beschäftigten an den Hochschulen endlich verbessern. Das Land muss Verantwortung für die Hochschulen und ihre Beschäftigten übernehmen. Dafür bringen wir heute unseren Antrag hier in den Landtag ein.

Wir brauchen vor allem eine höhere Grundfinanzierung und bessere Rahmenbedingungen im Hochschulgesetz, wie etwa eine Garantie für Verträge und gute Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen. Das ist für Schwarz-Gelb unnötige Gängelung und unnötige Bürokratie. Für uns aber ist es ein Beitrag zu guten Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen an den Hochschulen.

Erst dadurch schaffen wir an den Hochschulen den Rahmen für mehr Dauerstellen und Karrierewege abseits der Professur. Auch die Arbeitsbedingungen von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften müssen verbessert werden. Wir brauchen eine faire Vertretung aller Statusgruppen, und außerdem müssen die Länder ihre Blockadehaltung aufgeben und einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte ermöglichen, wie ihn auch unterstützenswerte Initiativen wie TVStud fordern.

Von der Bundesebene – auch das ist eben schon angesprochen worden und steht natürlich im Mittelpunkt dieser Debatte – brauchen wir endlich eine vernünftige Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Und ja, damit sind wir bei der SPD. Es ist ja alles schön und gut, was in dem Antrag steht – wir werden uns enthalten –,

(Jochen Ott [SPD]: Wie „schön und gut“? Das ist ja wohl toll!)

aber es hilft ja nichts, wenn ihr nicht liefert, liebe Genossinnen und Genossen.

Die SPD hat in den letzten 16 Jahren zwölf auf Bundesebene mitregiert. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz wurde 2007 von einer schwarz-roten Regierung auf Bundesebene eingeführt. 2016 wurde das Gesetz von einer schwarz-roten Regierung reformiert. 2020 gab es dann erneut unter einer schwarz-roten Regierung Anpassungen. Dass dieses Gesetz aber weiterhin zu schlechten Arbeitsbedingungen an den Hochschulen führt, das haben CDU und SPD gemeinsam zu verantworten, und da helfen auch noch so hübsche Anträge im Landtag NRW nichts.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn wir über das Thema „Befristung“ insgesamt sprechen, dann muss man auch daran erinnern, dass es in dem Wissenschaftssystem eine Zeit gab, in der die Dynamik fehlte. Aber was irgendwann mal mit dem durchaus sinnvollen Gedanken, weniger Verkrustung und mehr Wechsel im akademischen Betrieb zu schaffen, begann, verkehrte sich im Laufe der Zeit in das total andere Extrem. Wir sehen heute, dass es kaum dauerhafte Perspektiven unterhalb der Professur gibt.

Vom einen extrem ist das System in das andere umgeschlagen. Das müssen wir dringend wieder ins Gleichgewicht bringen, denn heute stehen wir vor der Prekarisierung und der fundamentalen Unsicherheit, die mit der Ich-bin-Hanna-Kampagne ein Gesicht bekommt.

Wir brauchen sichere und transparente Berufswege an Hochschulen und Forschungseinrichtungen in NRW, die von Beginn an für die Forschenden Planungssicherheit ermöglichen. Wissenschaftlerinnen müssen ihren Aufgaben in Forschung und Lehre nachkommen können, ohne ständig von Existenzsorgen geplagt zu sein. Dafür brauchen wir eine Regierung im Bund und im Land, die wirklich etwas für die Beschäftigten tut. Die gibt es hier nicht mit CDU und FDP, und die gibt es im Bund mit Union und SPD eben leider auch nicht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)