Verena Schäffer: „Das sind wir den Opfern schuldig“

Zum Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses "Hochwasserkatastrophe"

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir hatten hier gestern Morgen eine sehr würdige Gedenkstunde für die Opfer der Flutkatastrophe. 49 Menschen haben allein in Nordrhein-Westfalen in dieser Hochwasserkatastrophe ihr Leben verloren. Es gibt außerdem viele verletzte Menschen, traumatisierte Menschen, die alles verloren haben, darunter Erinnerungsstücke, die durch die Fluten weggerissen und vernichtet wurden.

Wir alle wissen, dass uns der Wiederaufbau noch viele, viele Jahre hier in Nordrhein-Westfalen beschäftigen wird. Ich denke, es ist auch klar – und so haben wir das hier immer gemeinsam diskutiert –, dass es jetzt um schnelle Hilfen für die Betroffenen gehen muss.

Aber auch die Aufarbeitung ist wichtig; ich finde, das sind wir den Opfern schuldig. Es ist auch wichtig, um offene Fragen aufzuarbeiten und aus den Antworten Konsequenzen ziehen zu können.

Unsere Aufgabe als Abgeordnete, als Parlament ist es, Gesetze zu verabschieden. Unsere Aufgabe ist es aber auch, die Landesregierung zu kontrollieren. Wann, wenn nicht jetzt – nach einer Katastrophe mit 49 Toten und mit der Fragestellung, wie die Landesbehörden konkret vor, während und nach dieser Katastrophe gehandelt haben – sollten wir als Parlament das Instrument eines Untersuchungssauschusses nutzen?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wann hat wer welche Unwetterwarnung erhalten, und warum hat die Landesregierung sie nicht entsprechend eingeordnet? Welche Unterstützung haben die Kreise und die kreisfreien Städte als untere Katastrophenschutzbehörden vom Innenministerium und den Bezirksregierungen erhalten? Warum hat das Innenministerium die Bezirksregierungen erst am 15. Juli um 1:20 Uhr nachts angeordnet, ihr Krisenmanagement bis morgens um 7 Uhr hochzufahren? Warum gab es keine entsprechende Kommunikation? Warum wurden die anderen Kommunen nicht von der Landesregierung gewarnt, als in einigen Städten das Wasser bereits über die Ufer getreten ist? Welche Rolle hätte das Land hier einnehmen müssen?

Das ist nur ein Bruchteil der Fragen, die nach wie vor nicht aufgeklärt sind. Meine Fraktion und auch die SPD halten deshalb einen Untersuchungsausschuss für unverzichtbar.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Gestern hieß es in der Debatte, wir wollten im Untersuchungsausschuss jeden Landrat, jeden Bürgermeister sowie alle Einsatzkräfte vorladen und vernehmen. Das ist schlichtweg falsch, und das wissen Sie auch; das ist Stimmungsmache.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wir wollen die Arbeit der Landesbehörden untersuchen; genauso steht es auch im Einsetzungsantrag. Dazu gehört selbstverständlich auch die Kommunikation der Landesbehörden in Richtung Kommunen. Klar ist aber: Wir werden nicht jeden Landrat und jeden Bürgermeister vernehmen wollen.

(Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

Hätten Sie den Antrag gelesen, wüssten Sie das auch.

Dann kam der Vorwurf, wir würden uns verweigern, parallel Konsequenzen zu ziehen. Ich will klar dagegen sprechen: Sie wissen, dass wir im Untersuchungsausschuss Kindesmissbrauch gerade aufarbeiten und gleichzeitig schon Konsequenzen gezogen worden sind; beides schließt sich nicht aus. Ich will noch einmal deutlich sagen: Wir stehen gerne zur Verfügung, um konstruktiv an Konsequenzen zu arbeiten.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja!)

Es war übrigens der Minister, der uns gestern jegliche Antwort schuldig blieb, was denn aus seiner Sicht Konsequenzen sein könnten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich will noch etwas klarstellen, was mir wichtig ist: Der Minister hat gestern wider besseren Wissens die Behauptung aufgestellt, wir würden einen gemeinsamen Antrag mit der AfD stellen. Das stimmt nicht; Herr Reul, Sie wissen das. Das ist reiner Populismus.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Das war ein populistischer Schlag, weil wir Sie gestern in der Debatte offenbar so sehr getroffen haben. Nein, wir werden heute einen Einsetzungsbeschluss mit den Stimmen von Grünen und SPD fassen. Das ist mir sehr wichtig, weil ich klar sagen will, dass wir nicht mit der AfD – einer rassistischen Partei – gemeinsame Sache machen.

Ich sage auch in aller Deutlichkeit: Dass Querdenker und rechtsextreme Gruppierungen versucht haben, die Hochwasserkatastrophe für ihre Zwecke zu nutzen, ist schäbig.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Klar ist doch: Wir haben in Nordrhein-Westfalen eine starke Zivilgesellschaft. Dazu gehören die Freiwilligen Feuerwehren und die anerkannten Hilfsorganisationen, das THW, aber auch die vielen spontanen Helferinnen und Helfer, die angepackt haben. All denen möchte ich mein herzliches Dankeschön für ihre Tatkraft und ihr Engagement während dieser Katastrophe aussprechen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)