Oliver Keymis: „Die Wirklichkeit nicht verzerrt darstellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund rücken“

Zum Antrag der "AfD" zu Rundfunkbeiträgen

Oliver Keymis (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich mit einem Zitat herausreden, damit wir noch einmal zur Sache zurückkehren und gemeinsam aufnehmen, was Experten dazu sagen. Ich zitiere aus einem Bericht von dem Rechtswissenschaftler und Medienrechtler Professor Holznagel,

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

der sich in acht sehr lesenswerten Thesen zu diesem Urteil geäußert hat. Nur aus der vierten These möchte ich ein paar Zeilen zitieren – mit Erlaubnis des Präsidenten, wie wir hier am Pult zu sagen pflegen.

Das Gericht, so schreibt der Professor, geht im Einklang mit anderen europäischen Verfassungsgerichten davon aus, dass die freie Meinungsbildung eine Voraussetzung sowohl der demokratischen Ordnung als auch der Persönlichkeitsentfaltung ist. Dieser Prozess der Kommunikation könne nur in dem Maße gelingen, wie der Rundfunk seinerseits frei,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ist er ja nicht!)

umfassend und wahrheitsgemäß informiere.

Aufgabe der Anstalten sei es, als Gegengewicht zu den privaten Anbietern ein Leistungsangebot hervorzubringen, das einer anderen Entscheidungsrationalität als der der ökonomischen Anreize folgt und eigene Möglichkeiten der Programmgestaltung eröffnet. Sie sollen durch eigene Impulse und Perspektiven zur Angebotsvielfalt beitragen, ohne auf Einschaltquoten und Werbeaufträge Rücksicht nehmen zu müssen.

In bemerkenswerter Klarheit, so Professor Holznagel, unterstreicht Karlsruhe, dass diese Aufgabenzuweisung nicht durch die Netz- und Plattformökonomie des Internets, einschließlich der sozialen Medien, infrage gestellt wird. Da die Angebote dort zum größten Teil werbefinanziert seien, könnten große Reichweiten und Klickzahlen nur mit massenattraktiven Inhalten erzeugt werden. Hinzu treten Algorithmen, die Inhalte gezielt auf bestimmte Nutzergruppen zuschneiden, sodass es zur Verstärkung gleichgerichteter Meinungen kommen könne.

Dies alles, so der Professor weiter, führe dazu, dass es schwieriger werde, zwischen Fakten und Meinungen, Inhalt und Werbung zu unterscheiden sowie zu neuen Unsicherheiten hinsichtlich der Glaubwürdigkeit von Quellen und Wertungen.

Angesichts dieser Entwicklung, so fasst der Professor die Begründung des Urteils zusammen, wachse die Bedeutung der der Beitragsfinanzierung des öffentlichen Rundfunks obliegenden Aufgabe, durch authentische, sorgfältig recherchierte Informationen die Fakten und Meinungen auseinanderzuhalten, die Wirklichkeit nicht verzerrt darzustellen und das Sensationelle nicht in den Vordergrund zu rücken.

Vielmehr müssen die Anstalten hierzu ein Vielfalt sicherndes und Orientierungshilfe bietendes Gegengewicht bilden. Dies gelte gerade in Zeiten vermehrten komplexen Informationsaufkommens einerseits und einseitiger Darstellungen, Filterblasen, Fake News und Deep Fakes andererseits.

Ich denke, damit ist das Wesentliche zusammengefasst.

Wenn wir etwas am Programmauftrag ändern wollen, dann kann man das diskutieren. Das hat aber nichts mit dem Beitrag zu tun, darauf ist von den Kollegen eben schon hingewiesen worden.

Wir lehnen Ihren Antrag ab. Er geht in der Sache völlig fehl und äußert im Übrigen Ihr übliches Misstrauen gegen das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem und unsere staatlichen Einrichtungen. Das sind ja wir aus vielen Ihrer Anträge gewohnt.

Herr Tritschler ist natürlich ein besonderes Phänomen in Bezug auf diese Fragen, weil er immer wieder auf diese Dinge hinweist. Ich habe mit Interesse gelesen, dass Sie, Herr Tritschler, ab der 13. Periode Mitglied des Rundfunkrats des Westdeutschen Rundfunks sein werden. Die Kollegenschaft im Rundfunkrat wird sich sicher sehr freuen, wenn Sie Ihre immer wieder so wunderbar konstruktiven Beiträge – Achtung: Ironie – auch in diesem Rund zum Ausdruck bringen.

(Andreas Keith [AfD]: Wir uns auch!)

Die 1.000 Euro pro Monat werden Sie sicher Herrn Thiel spenden. Davon gehe ich aus.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Ja!)

– Prima. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

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