Mehrdad Mostofizadeh: „Sie sind nicht bereit, die Verantwortung für die Kommunen zu übernehmen“

Zur Einbringung des Haushaltsplans und des Gemeindefinanzierungsgesetzes 2022 durch die Landesregierung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach diesen bewegenden Debatten, die wir heute hatten, möchte ich noch einen Terminhinweis geben. Ich bin gerade vom Ministerpräsidenten so freundlich per Mail zur morgen um 18 Uhr in der Landesvertretung in Berlin stattfindenden Preisverleihung eingeladen worden.

(Christian Dahm [SPD]: Ja, genau!)

Er bereitet sich quasi parallel zur Preisverleihung auf den Bundesrat am Freitag vor – so viel zur Ehrlichkeit der Landesregierung im Umgang mit diesem Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Lachen und Beifall von der SPD – Zuruf von Frank Müller [SPD])

Zur Transparenz, Offenheit und Glaubwürdigkeit von Frau Ministerin Scharrenbach: Es gibt eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, die besagt, dass ihre Räumung im Hambacher Forst schlicht rechtswidrig war

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

und dass der Grund für die Räumung schlicht an den Haaren herbeigezogen war. Das, was Ministerpräsident Armin Laschet gesagt hat – „Ich habe nur nach einem Grund gesucht, um die Räumung machen zu können“ –,

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

ist jetzt gerichtlich bestätigt worden.

(Zurufe von Henning Höne [FDP] und Henning Rehbaum [CDU])

Was hat das mit Kommunalpolitik zu tun, Herr Kollege Höne? – Es war eine Weisung der Kommunalministerin an die Stadt Kerpen, die zur Räumung im Hambacher Forst geführt hat. So geht diese Landesregierung mit den Interessen der Kommunen um. Die Stadt Kerpen wollte das nämlich nicht. Sie regieren von oben nach unten gegen den Willen der Kommunen.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Aber auch die Zahlen dieses Gemeindefinanzierungsgesetzes bieten genug Stoff, um mehr als zehn Minuten zu füllen; an dieser Stelle aber nur die Highlights. Was haben Sie nicht alles versprochen? Die beste kommunale Ausstattung, Transparenz, wir bringen die Schuldenhilfe in Ordnung. – Fangen wir bei Letzterem an: Sie wollten – so haben sie es zunächst genannt – den Stärkungspakt zu einer Zinshilfe weiterentwickeln. Nur zur Erinnerung: Fast 6 Milliarden Euro wurden durch die rot-grüne Landesregierung zur Entlastung an die Kommunen weitergegeben, ein sogenannter Stärkungspakt. Das waren im Schnitt jährlich 450 Millionen Euro an Landesmitteln. Diese Landesregierung gibt seit dem Haushaltsjahr 2020 exakt null Cent zur Konsolidierung der kommunalen Finanzen. Das ist die Wahrheit, Frau Ministerin.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie erdreisten sich sogar, es so darzustellen, dass die Kassenkredite gesunken seien – was rechnerisch stimmt, wenn man die Coronalasten aus dem Haushalt herausrechnet.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Tatsächlich steigen natürlich die Kassenkredite bei den Kommunen – Herr Kollege Dahm hat vorhin darauf hingewiesen – deutlich an. Was kann ich Ihnen da nur zurufen? – Lassen Sie Ihren Versprechen endlich Taten folgen, und legen Sie einen Altschuldenfonds auf, der seinen Namen verdient und der es schafft, diese Mammutaufgabe, diese Generationenaufgabe in Nordrhein-Westfalen zu bewältigen. Machen Sie diesen Stärkungspakt mit den Mitteln, die Ihnen zur Verfügung gestanden hätten. Legen Sie ihn vor, damit dieses Parlament diesen Stärkungspakt beschließen kann.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich sage es mit Zahlen: Nehmen Sie die 450 Millionen Euro, und packen Sie vielleicht noch 50 Millionen Euro drauf, nehmen Sie die Beteiligungen, die die Kommunen ausdrücklich zugesagt haben, und dann können wir dieses Paket nach 30 Jahren abzinsen – nach 30 Jahren, nicht nach 50 Jahren, wie das Land sich das bei den Mitteln für Corona erlaubt.

Sie bleiben jegliche Antwort schuldig, und Sie verweisen auf den Bund. An dieser Stelle muss ich den Bund einmal ausdrücklich loben – das tue ich nicht gerne, weil wir nicht mitregieren –:

(Heiterkeit von Regina Kopp-Herr [SPD])

Der Bund hat eine Entlastung in Höhe von 1 Milliarde Euro bei den Kosten der Unterkunft dauerhaft für Nordrhein-Westfalen bereitgestellt und somit auch das ständige Aufflammen bzw. die Ursachen strukturell bekämpft. Das ist gut.

(Zuruf von Ina Scharrenbach, Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung)

Sie glauben doch nicht allen Ernstes, Frau Ministerin, dass diese Bundesregierung weitere 300 oder 500 Millionen Euro entsprechend des Königsteiner Schlüssels auf den Tisch legt? Dafür habe ich auch ein Stück weit Verständnis. Warum handeln Sie denn nicht? Warum sind Sie nicht bereit, den Kommunen zu helfen und endlich Ihre Hausaufgaben zu machen, so wie es im Koalitionsvertrag steht?

Das gleiche gilt natürlich auch an anderer Stelle: Das Gewerbesteuerentlastungsgesetz ist ein sehr gutes Gesetz für 2020. Es gibt eine weitgehend vollständige Entlastung. Man kann sich zwar über den Schlüssel streiten, aber immerhin ist es ein sehr gutes Gesetz zur Kompensation der Gewerbesteuerausfälle. Jetzt höre ich vom Fraktionsvorsitzenden der CDU, dass es an ihnen nicht scheitere.

Ich habe den Haushaltsplan zweimal geschüttelt, aber die Haushaltsstelle nicht gefunden, an der so ein Versprechen steht. Der Finanzminister könnte sie mir ja zeigen, oder vielleicht der Staatssekretär, wenn er dazu in der Lage ist. Geben Sie doch die Hälfte hinein, fifty-fifty wäre doch kein Problem. Dann wäre zumindest die Hälfte des Problems gelöst, im Übrigen bei einer deutlich niedrigeren Summe als im vergangenen Jahr. Auch dort bleiben Sie jede Antwort schuldig.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Was machen Sie noch an der Stelle? – Sie schreiben im Prinzip die virtuelle Unterstützung der Kommunen fort. Die 943 Millionen Euro vom vergangenen Jahr werden durch 930 Millionen – Zwangskredit hat der Kollege es genannt – fortgeschrieben. Davon haben die Kommunen gar nichts, bei null Zinsen könnten sie sich das sogar selber aufnehmen. Sie täuschen über die richtige Finanzlage hinweg und schreiben in das Gesetz hinein, dass das abfinanziert werden solle.

Was es mit der Kreditierung zu tun hat, dass Sie Ihren Stärkungspakt über 50 Jahre abschreiben, könnten Sie mir vielleicht im Anschluss an die Veranstaltung erklären. Die Kommunen haben rund 2 Milliarden Euro zusätzliche Schulden, und Sie sind als Land Nordrhein-Westfalen nicht gewillt, hier etwas bereitzustellen.

Weil der stellvertretende Ministerpräsident gerade hier sitzt: Ich erkenne ausdrücklich an, dass das Flüchtlingsaufnahmegesetz für die Zukunft einen ganz vernünftigen Kompromiss gebracht hat, aber die Vergangenheit wäre dann die Aufgabe der Kommunalministerin gewesen. Die 3, 5 oder 6 Milliarden Euro, die dort, nach dem was Herr Professor Lenk uns vorgerechnet hat, fehlen, sind Sie nicht bereit, zu erstatten, das bleiben Sie den Kommunen gegenüber schuldig. Was das mit dem Versprechen zu tun hat, fair mit den Kommunen umzugehen, entzieht sich meiner Kenntnis.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Das stimmt so aber nicht, Herr Mostofizadeh!)

Da Sie, Herr Déus, hier sehr kleinteilig vorgegangen sind, will ich zumindest einen Aspekt aufgreifen. Da geht es um die gestaffelten fiktiven Hebesätze. Das ist ein Streit, den wir seit Adam und Eva im Zusammenhang mit dem GFG führen. Den kann man auch führen. Ich finde das aber aus zwei Gründen falsch. Warum zündet man die kommunale Hütte ausgerechnet bei einem so kleinen Punkt kurz vor den Wahlen an?

(Christian Dahm [SPD]: So ist das! Vollkommen richtig!)

Sie wollen doch nur Ideologie zwischen den Kommunen ausbreiten und diesen Streit hier führen.

(Zuruf von der FDP: Was?)

Es ist völlig sinnlos. Sie wollen die letzten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von der CDU möglicherweise noch einmal befriedigen – wobei ich nicht glaube, dass das so einfach ist.

Kollege Hovenjürgen, ich will Ihnen verdeutlichen, dass der Kreis Recklinghausen, der in ganz beachtlicher Weise von dem Stärkungspakt betroffen war und profitiert hat, beispielsweise die Grundsteuer B deutlich erhöhen musste.

Wenn Sie jetzt diese Staffel noch einmal herabsenken, dann wird es natürlich dazu kommen, dass der Kreis Recklinghausen, also der finanzschwächste Kreis und der mit den höchsten Grundsteuersätzen, noch mal betroffen ist. Was ist denn das für eine Logik, Frau Ministerin? Wenn Sie etwas tun wollen – was ich ja durchaus verstehen kann –, um die Hebesätze nicht nach oben ausschlagen zu lassen, dann wäre es doch eine super Idee gewesen, diese Kommunen separat zu entlasten, um vielleicht dann einen Ausgleich hinzubekommen, der nicht allzu sehr ausschlägt.

Es gibt dafür Modelle, die wir im letzten Jahr im Rahmen der Beratung zum GFG in der Anhörung diskutiert haben. Sie tragen den Streit aber wieder in die Kommunen hinein und sind nicht bereit, Finanzmittel des Landes bereitzustellen, um den Kommunen zu helfen.

Was dem Ganzen, auch wenn es eigentlich ein überschaubarer Betrag ist, in gewisser Weise die Krone aufsetzt, ist natürlich die – Wie haben Sie, Herr Kollege Déus, es eben genannt? – Klimaschutz-pur-Pauschale. Ein Stück tiefer wäre es dann auch gegangen. Diese 10 Millionen Euro reichen natürlich vorne und hinten nicht.

Viel wichtiger ist aber, dass das gar kein Landesgeld ist. Es sind Restmittel der Kommunen. Das ist wie beim Stärkungspakt „Entlastung für Monheim“. Da werden nämlich Stärkungspaktkommunen wie Essen, die schon in den Fonds eingezahlt haben, herangezogen, um die ach so arme Stadt Monheim zu entlasten. Jetzt machen Sie es hier wieder so. Sie nehmen kommunales Geld, um andere kommunale Zwecke zu finanzieren. Das ist die Politik der CDU und dieser Landesregierung. Sie wollen nicht den Kommunen helfen, sondern spielen „linke Schulden in die rechte Tasche reinschieben“. Das ist keine faire Politik, nicht sachgerecht und auch nicht zukunftsgerecht.

(Beifall von den GRÜNEN und Stefan Kämmerling [SPD])

Ich will an der Stelle abschließen, was Sie nach vorne gestellt haben. Sie müssen jetzt einen Altschuldenfonds vorlegen, und Sie müssen in Bezug auf die coronabedingten Kosten der Kommunen ein Konzept auflegen, wie das auf Sicht mit abgezinst wird. Außerdem müssen Sie natürlich auf die Kreditierung im GFG verzichten. Alles andere ist doch schließlich ein Maßregeln der Kommunen, die nicht wissen, woher sie das Geld nehmen sollen.

Sie sind nicht bereit, die Verantwortung für die Kommunen zu übernehmen, obwohl sich diese Landesregierung – das mag sehr lustig sein, Herr Staatssekretär – im Rahmen des Rettungsschirms selbst 12 Milliarden Euro an Steuermitteln zugesteht. Den Kommunen gesteht sie nichts zu. Das finde ich nicht in Ordnung. Deswegen wird dieses GFG noch munter diskutiert werden, aber vermutlich nicht unsere Zustimmung finden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)