Arndt Klocke: „Das 25-%-Ziel ist nur zu erreichen, wenn die Kommunen auch wirklich mitmachen“

Zum Entwurf der GRÜNEN im Landtag für ein Radverkehrsgesetz - zweite Lesung

Der Gesetzentwurf

Arndt Klocke (GRÜNE): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben Ihnen in der letzten Woche unser grünes Fahrradgesetz vorgelegt. Wir haben dieses erarbeitet, nachdem wir den Referentenentwurf der Landesregierung Anfang März gelesen und zuvor selbst schon fast 60 Eckpunkte für ein solches Fahrradgesetz vorgelegt hatten.

Für uns Grüne war klar: Der Gesetzentwurf der Landesregierung ist, wenn man die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ ernst nimmt, nicht ausreichend. Und falls gleich die Frage aufkommt, warum die Grünen etwas Eigenes machen: Wir haben einen eigenen Entwurf vorgelegt, weil dies ein besseres Fahrradgesetz für Nordrhein-Westfalen ist als das, was die Landesregierung vorgelegt hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Nun bin ich Realpolitiker und setze nicht unbedingt darauf, allerdings würde ich mich natürlich freuen, wenn FDP und CDU diesem Gesetzentwurf nach der Anhörung zustimmen würden. Unser Ziel ist, dass wir über die Anhörung Ende August und über die Debatte, die wir dann noch im Herbst führen werden, deutliche Verbesserungen im Radverkehrsgesetz gegenüber dem Gesetzentwurf erreichen, den Minister Wüst im letzten Plenum eingebracht hat.

(Beifall von den GRÜNEN – Henning Höne [FDP]: Kann ich ausschließen!)

Ich habe gestern Abend an einer Fahrraddemo in Köln teilgenommen. Es ging um Verkehrssicherheit. Ich habe direkt nach Ute Symanski, der Initiatorin von „Aufbruch Fahrrad“, eine Rede gehalten, und ich habe bei den mehreren Hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern trotz 14° und Nieselregen gespürt, dass es wirklich eine große Hoffnung, eine große Erwartungshaltung bei den Fahrradaktivistinnen und -aktivisten in diesem Land gibt.

Das Fahrradgesetz war Thema bei den Reden. Da ist wirklich viel Aufbruchsgeist, und es gibt viele Impulse, dass sich an der Fahrradinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren etwas ändert. Diesen Aufbruchsgeist sollten wir nicht enttäuschen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie stark die Unterschriftensammlung von „Aufbruch Fahrrad“ war, hat sich gestern noch gezeigt. Ich möchte in keinster Weise das große Engagement des NABU beim Artenschutzvolksbegehren infrage stellen –auch bei dieser Unterschriftenübergabe ist eine herausragende Zahl zusammengekommen –, aber „Aufbruch Fahrrad“ hatte doppelt so viele Unterschriften. Das zeigt: Es gibt wirklich einen massiven Druck für besseren Radverkehr in Nordrhein-Westfalen.

Unser Gesetzentwurf nimmt diese Volksinitiative ernst. CDU und FDP – ich bin ja nun schon seit ein paar Jahre im Landtag – haben bisher den Radverkehr in Nordrhein-Westfalen nicht ernst genommen.

Ich habe mir für meine Rede zwei Zitate aus der letzten Legislaturperiode herausgesucht. Die Zitate von Bernhard Schemmer lasse ich weg – er ist jetzt nicht mehr hier als Abgeordneter unter uns, erfreut sich ansonsten aber hoffentlich guter Gesundheit –, sondern ich habe mir zwei Zitate von Abgeordneten herausgesucht, die noch zugegen sind.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das eine Zitat stammt von Christof Rasche, früher verkehrspolitischer Sprecher der FDP, heute Fraktionsvorsitzender. Er sagte in der letzten Legislaturperiode bei einer radverkehrspolitischen Debatte:

„Radschnellwege sind Symbolprojekte der Grünen. Sie sind keine Lösung für die drängenden Verkehrsprobleme in Nordrhein-Westfalen.“

(Zuruf von den GRÜNEN: Ui!)

Das war in der letzten Legislaturperiode.

Und Minister Stamp, damals FDP-Abgeordneter, sagte in einer Haushaltsdebatte:

„Die Ideologie des Fahrrades, vorangetrieben von SPD und Grünen, schadet dem Industriestandort Nordrhein-Westfalen.“

(Johannes Remmel [GRÜNE]: So ist es!)

Das war die Legislaturperiode bis 2017. Deswegen habe ich mich überrascht gezeigt, dass im Jahre 2019, nach der erfolgreichen Volksinitiative, CDU und FDP dieser zugestimmt haben.

(Zurufe von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Johannes Remmel [GRÜNE])

Das konnte man wirklich nicht erwarten nach dieser Vorgeschichte in der letzten Legislaturperiode und überhaupt in all den Jahren.

Ich will allerdings klar sagen: Herrn Minister Wüst nehme ich durchaus sein Engagement ab. Ich kenne ihn noch aus meiner Studentenzeit mit dem Fahrrad in Münster. Er hat ja auch das Trauma, dass er in einer Stadt groß geworden ist, in der es mit Lothar Mittag 15 Jahre lang einen grünen Bürgermeister gab, der im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Städte war. Das hat offensichtlich geprägt, und deswegen gibt es jetzt auch eine Radverkehrspolitik hier in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zentral ist die Umsetzung in den Kommunen. Da sind wir uns hoffentlich einig. Ich erinnere mich an eine Äußerung des Abteilungsleiters im Verkehrsministerium Dirk Günnewig im vergangenen Jahr bei der RADKOMM, der großen Radverkehrskonferenz. Da war die Frage, ob 25 % Radverkehr in Nordrhein-Westfalen bis 2025 nicht unglaublich ambitioniert seien.

Auch ich als Grüner würde das sagen. Wir sind jetzt nach 30 Jahren Radverkehrsförderung, beginnend beim damaligen Minister Christoph Zöpel über eine Reihe von rot-grünen Regierungen bis jetzt zu einer schwarz-gelben Regierung, bei 9 %. Da sagte Dirk Günnewig: Das 25-%-Ziel ist nur zu erreichen, wenn die Kommunen auch wirklich mitmachen. Sonst kann das Land da nicht viel tun.

Deswegen haben wir in unserem Entwurf die Kommunen bei der Planung und Umsetzung viel stärker in die Pflicht genommen. Deswegen gibt es mehr Geld für die Kommunen, und es gibt vor allen Dingen Unterstützung bei der Planung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Kollege Voussem bezeichnet das in seiner Pressemitteilung als eine Bevormundung der Kommunen. Wir Grüne wollen real, dass sich die Situation auf unseren Straßen ändert. Und das wird nicht funktionieren, wenn die Kommunen in Nordrhein-Westfalen nicht mitziehen und nicht unterstützt werden.

Es braucht mehr Geld, mehr Planerinnen und Planer und auch mehr Planungsmöglichkeiten in den Kommunen. Unser grüner Gesetzentwurf würde das ermöglichen, der Gesetzentwurf der Landesregierung tut dies eben nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deswegen ist unser Gesetzentwurf an dieser Stelle eindeutig besser.

Darüber hinaus geht es darum, auch die anderen Ebenen, wie beispielsweise die Bezirksregierungen, zu unterstützten. Wir definieren die Standards, die in Zukunft gelten sollen: Was sind Radwege? Was sind Radschnellwege? Was sind Radvorrangrouten?

So müssen Radschnellwege durchgängig geführt und breit genug für Überholvorgänge etc. sein; ich möchte Sie jetzt nicht mit den entsprechenden Details langweiligen. Das ist allerdings der Standard. Wir müssen die Standards klar und eindeutig festlegen; sonst wird sich hier nichts tun.

Eine Anhörung dazu findet Ende August statt. Alle relevanten Verbände werden zu hören sein. Es liegt schon eine ganze Reihe von Stellungnahmen zum Radverkehrsgesetz der Landesregierung vor, so vom ADFC, vom RADKOMM e. V., von der Volksinitiative Aufbruch Fahrrad.

Ich hoffe, dass wir den Gesetzentwurf, der jetzt vorgelegt worden ist, noch verbessern können, und ich verspreche Ihnen, Herr Minister Wüst: Sollte uns das nicht gelingen, werden wir das nach einer für die Grünen hoffentlich erfolgreichen Landtagswahl ab 2022 in Regierungsbeteiligung selbst machen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

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