Josefine Paul: „Einfach nur zu behaupten, es wäre toll gewesen, hat den Kindern und Jugendlichen gar nichts gebracht“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag auf eine Aktuelle Stunde zum Pandemie-Expertenrat

Portrait Josefine Paul

Der Antrag

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Zitat vom Ministerpräsidenten ist schon einige Male angesprochen worden: Alles, was wir wissen müssen, wissen wir. – Das sagt er trotz der immer noch dynamischen Lage. Herr Kollege Kutschaty hat es gerade angesprochen. Wir wissen nicht, wie sich die Delta-Variante weiter entwickeln wird. Wir wissen nicht, was das in Bezug auf die Impfungen heißt.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Wir wissen auch nicht, wie sich sonst die Dinge noch weiter entwickeln werden. Angesichts dieser dynamischen Lage beschleicht einen doch der Verdacht, dass leider in diesem Land, in dem eigentlich evidenzbasierte Politik nötig wäre, unglücklicherweise Hybris regiert, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie auch schon mehrfach gesagt worden ist, hat der Expert*innenrat Ihnen immer wieder Vorsorge ins Stammbuch geschrieben. Immer wieder hat er vorsorgende Politik angemahnt. In seiner 1. Stellungnahme hat er bereits eine Teststrategie gefordert. Da war in dieser Landesregierung das Wissen um Testungen noch nicht so weit verbreitet.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Stimmt doch gar nicht!)

An der Stelle haben Sie auch nicht zugehört.

Dann ist immer wieder Kommunikation angemahnt worden. Kollege Mostofizadeh hat vorhin schon einmal darauf hingewiesen, wie wichtig Kommunikation in dieser Krise gewesen wäre, und zwar funktionierende Kommunikation. Sie, Herr Ministerpräsident, haben aber gemeinsam mit der Landesregierung immer wieder Belege dafür geliefert, wie man es gerade nicht machen sollte und wie man durch mangelhafte Kommunikation, durch schlechte Kommunikation die Menschen in einer Lage, in der sie eine verlässliche Landesregierung gebraucht hätten, noch zusätzlich verunsichert.

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Die Frage der Digitalisierung ist angesprochen worden. Auch da passiert viel zu wenig. Das gilt auch für die Digitalisierung der Gesundheitsämter, die Digitalisierung unserer Schulen und die Digitalisierung der kommunalen Verwaltung insgesamt.

Zuletzt hat der Expert*innenrat noch einmal angemahnt, die Kinder und Jugendlichen wirklich in den Blick zu nehmen und nicht nur immer davon zu reden.

Herr Familienminister, Sie regen sich immer auf, wenn wir kritisieren, dass Ihr Krisenmanagement an dieser Stelle schlecht gewesen ist. Ja, Herr Minister Stamp, das Krisenmanagement war an dieser Stelle schlecht.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Das war toll!)

– Nein, es war nicht toll.

(Beifall von den GRÜNEN)

Einfach nur zu behaupten, es wäre toll gewesen, hat den Kindern und Jugendlichen gar nichts gebracht. Es hat ihnen ein verlorenes Jahr gebracht. Das ist Ihre Verantwortung, Herr Laschet.

(Beifall von den GRÜNEN)

Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, dass wir Vorsorge treffen.

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration: Der Ministerpräsident hat jetzt nicht das Virus erfunden!)

– Nein, der Ministerpräsident hat nicht das Virus erfunden. Es wäre aber gut gewesen, wenn diese Landesregierung eine Strategie erdacht hätte, wie man gut mit diesem Virus umgehen kann.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

In mehr als 15 Monaten wäre dazu Zeit gewesen. Diese Zeit dürfen Sie jetzt angesichts der Sommerferien nicht wieder verstreichen lassen.

(Beifall von den GRÜNEN und Sarah Philipp [SPD])

Ich lasse mir von Ihnen, Herr Stamp, auch nicht immer unterstellen, dass jede Form der berechtigten Kritik unseriös wäre.

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

Das ist eine Art und Weise, in der man politisch nicht miteinander umgeht.

(Zuruf von der CDU: Auf der ganzen Welt ist es nicht besser gelaufen als in Nordrhein-Westfalen!)

Deshalb haben wir immer wieder angemahnt, Herr Laschet: Lassen Sie uns gemeinsam mit den Parlamentarierinnen und Parlamentariern und dem Expertenrat Maßnahmen diskutieren.

(Henning Rehbaum [CDU]: Wo ist es denn besser gelaufen?)

Lassen Sie uns gemeinsam evidenzbasiert und von der Wissenschaft beraten abwägen, wie man das macht.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Sie haben gerade in Ihrer Rede gesagt: Ich habe meinen Expertenrat, und Sie haben Ihr Begleitgremium. – Offensichtlich haben Sie kein Interesse an dieser gemeinsamen Befassung und einer notwendigen gemeinsamen Bewältigung der Pandemie.

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Das ist schade. Wir brauchen doch jetzt das Gemeinsame, damit wir gemeinsam Strategien finden, hier durchzukommen. Es wäre jetzt an der Zeit, den Expertenrat wieder einzusetzen und mit dem Parlament zu verzahnen, damit wir alle gemeinsam daran arbeiten, wie aus einem guten Sommer ein guter Herbst wird und wie wir aus der Pandemie gemeinsam herauskommen können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aus dieser Verantwortung können Sie sich doch nicht herausstehlen. Die Vorbereitung auf steigende Zahlen ist eine Frage an Sie. Es ist nicht zuletzt auch eine Frage an die Schulministerin, damit Schülerinnen und Schüler auch in Präsenz nach den Ferien wieder in die Schulen kommen können. Dafür brauchen wir jetzt die Vorbereitungen. Da sind die Luftfilter auch eine Frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen.

(Zuruf von Yvonne Gebauer, Ministerin für Schule und Bildung)

Wenn sich in der letzten parlamentarischen Debatte Frau Ministerin Scharrenbach hier hinstellt und sagt, Schulen seien sichere Orte, und die Kommunen könnten doch machen, was sie wollten, dann ist das wieder ein Davonstehlen aus Verantwortung. Sie lassen die Kommunen wieder dort alleine, wo sie die Unterstützung des Landes brauchen, damit sie die Schulen zu sicheren Orten machen können. Wir können nicht einfach nur behaupten, dass sie sichere Orte wären.

(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD])

Dementsprechend ist es so wichtig, dass dieser Expertenrat weiterhin tagt und sein Fachwissen weiterhin einbringt. Denn wir sehen doch, dass die Lage dynamisch ist. Wir sehen an der Krisenpolitik dieser Landesregierung, wie wichtig es wäre, dass sie sich wissenschaftlich beraten lässt.

Noch wichtiger ist aber neben der eigentlichen Beratung, dass man zuhört und seine Schlüsse daraus zieht – und nicht, wie Kollege Kutschaty gerade gesagt hat, immer nur dann auf die Expertinnen und Experten hört, wenn es der eigenen Sicht nutzt.

Wir brauchen kein Stochern im Nebel. Wir brauchen jetzt Weitsicht. Das hat Ihnen der Expertinnen- und Expertenrat immer wieder aufgeschrieben. Halten Sie sich daran, und nutzen Sie weiterhin das Fachwissen dieser Leute, damit wir gut durch die Krise kommen und aus der Krise herauskommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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