Mehrdad Mostofizadeh: „Auch die Form und die Würde des Hauses sind wichtige Fragen“

Entwurf der GRÜNEN im Landtag für eine Novelle der Gemeindeordnung - zweite Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Der Antrag

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Braun, der Kollege Kämmerling hat Sie ja eben schon angesprochen.

Ich will es vorwegnehmen: Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil wir glauben, dass das die richtige Richtung ist.

Genau das habe ich im letzten Jahr – ich glaube, im November war es – auch gedacht, als ich mit Kolleginnen und Kollegen einfach mal die Überlegung in den Raum geworfen habe: Was können wir denn da tun?

Dass unser Gesetzentwurf jetzt auf dem Tisch liegt, ist Ergebnis davon, dass es eben die Bitte an das Ministerium gab, etwas vorzulegen, und nichts gekommen ist.

Deswegen war ich sehr froh, dass jetzt CDU und FDP einen Antrag vorlegen, der viele offene Fragen anspricht. Das, was Kollege Höne eben erörtert hat, kann ich alles unterschreiben. Zumindest gibt es auch für mich da keine Frage, bei der ich sage, das muss so oder so sein. Das kann man auch erörtern und auch gemeinsam herausfinden, was der beste Weg ist, wobei Sie jetzt auch zwei Punkte gemeinsam erörtern, die damals gar nicht diskussionsfähig waren, nämlich „pandemische Lage“ und „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Die Debatte finde ich durchaus spannend; das ist nicht der Punkt. Ich war auch erfreut, in dem Enquetebericht zu lesen, dass es dort genau diesen Vorschlag gibt, den wir eigentlich nur auf den Weg bringen wollten. Das gestehe ich zu.

Dass die Kreisordnung jetzt nicht mit drin war, ist sicherlich ein technischer Fauxpas. Das hätten wir anders machen können; das ist gar keine Frage.

Aber das ist doch nicht der Punkt. Wenn es gewollt gewesen wäre, wäre das ja – wir haben im März den Antrag eingebracht, wir haben jetzt vier Monate später – technisch alles lösbar gewesen. Das ist für die Juristen, glaube ich, eine schlichte Fleißarbeit, die Punkte dann noch einmal an andere Stellen zu übertragen.

Deswegen haben wir es überhaupt nicht nötig, jetzt irgendwelche Gründe zu suchen, warum man dagegen sein könnte.

Natürlich ist der Hinweis vom Kollegen Kämmerling zutreffend, dass das mit der Entschädigungsverordnung jetzt so ein bisschen von hinten durch die Brust noch mal an den Antrag drangeklatscht wurde und jetzt nicht so unmittelbar mit dem Thema zu tun hat. Das hätte man auch in einer Ehrenamtskommission, wie es in den letzten beiden Legislaturperioden ja auch schon gemacht worden ist, erörtern können und dort auch möglicherweise zu Ergebnissen kommen können.

Wir sind sehr dafür, das kommunale Ehrenamt zu stärken. Wir sind nicht für jede Lösung offen, aber zumindest für die Lösungswege offen. Das werden wir ja dann sehen, wo wir da hinkommen.

Mir ist nur wichtig, zu sagen: Der baden-württemberger Weg hat uns am Ende auch nicht überzeugt. Der geht mir nicht weit genug, und da möchte ich auch ein paar Fragen noch einbringen. Aber er wäre ein Anfang gewesen.

Das Einzige, was wir bisher gemacht haben, ist das, was die Ministerin hier vorgeschlagen hatte – oder auch die Fraktionen gemeinsam erarbeitet haben im Infektionsschutzgesetz –, dass der Rat und vergleichbar andere Hauptgremien in der Stärke des Hauptausschusses tagen kann. Das ist die einzige Veränderung, die wir bis jetzt haben. Andere Formen haben wir nicht.

Das ist nicht damit zu verwechseln, dass Ratssitzungen auch digital übertragen werden können. Das hat mit Hybridsitzungen und Öffentlichkeit und so alles nichts zu tun.

Im Übrigen: Die Fragen der Öffentlichkeit und auch der unbeeinflussten Teilnahme an den Sitzungen sind wichtige. Da hat der Kollege Höne völlig recht.

Auch die Form und die Würde des Hauses sind wichtige Fragen. Das muss einen gewissen Rahmen haben.

Nach vorne gerichtet möchte ich schon heute zwei Vorschläge zumindest mal in die Diskussion mit einbringen, nämlich einmal die Frage, ob in jedem Ausschuss abschließend beraten werden muss. Ich sage das vor folgendem Hintergrund: Meine Erfahrung ist – ich war 16 Jahre im Stadtrat und beobachte die kommunale Szene in Essen und auch im Lande sehr intensiv –, dass Sitzungen nicht nur nichtöffentlich stattgefunden haben, sie haben einfach gar nicht mehr stattgefunden.

Da wären viele froh gewesen, dass man sich überhaupt zu Sitzungen hätte treffen können, möglicherweise einen Empfehlungsbeschluss fasst im Hauptausschuss oder im Rat, je nach Konstruktion, dann die Vergabeentscheidung bzw. die abschließende Entscheidung trifft, die dann die Verwaltung wieder beauftragt, bestimmte Dinge zu tun. Deswegen ist vielleicht als Gedankenmodell mitzunehmen, dass man abschließende Entscheidungen auch in höherrangigen Gremien, wo nur einmal Präsenz in größerer Frau- und Mannschaft erfolgt, treffen könnte.

Ich möchte aber auch sagen, dass in dem Verfahren die kommunalen Spitzenverbände auf diese Lücken hingewiesen haben, aber die Praktikerinnen und Praktiker sehr wohl – ich glaube, das wird Ihnen nicht anders gehen – täglich oder wöchentlich Hinweise bekommen: Bei uns funktioniert es nicht so, wie wir das wollen. Irgendwie funktioniert es am Ende schon; Stillstand in der Rechtspflege haben wir nicht. Aber das Bedürfnis der Kommunalpolitiker*innen, in hybriden Sitzungen oder in anderen Modellen tagen zu können, kennen wir.

Ich weiß das noch von der ersten Ratssitzung in Essen. Da war eigentlich die Vereinbarung, nur in Fraktionsstärke voranzugehen. Dann hat eine rechte Fraktion dem widersprochen. Dann musste man wieder in die Grugahalle gehen, und bei höchsten Inzidenzwerten war das ein Problem.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen bin ich ganz bei Ihnen. Lassen Sie uns rechtssichere Grundlagen schaffen. Deswegen stimmen wir Ihrem Antrag auch zu. Es wäre gut gewesen, wenn Sie nicht 16 Monate gebraucht hätten, um zu einem Modellversuch zu kommen. Wir hätten doch im November vereinbaren können, wir beauftragen die Landesregierung – genau das, was jetzt passiert –, ein vernünftiges Modell auf den Tisch zu legen und es auszuarbeiten.

Eine dringende Bitte ist mir wichtig, weil ich gerade noch in unsere Reihen schaue. Möglicherweise unterscheiden wir auch zwischen ländlichem Raum und anderen Kommunen, weil wir eventuell unterschiedliche Rollen brauchen. Ganz wichtig ist: Am Ende muss eine Stadt für das aufkommen, wie sie Kommunalpolitik organisiert, aber sie braucht wahrscheinlich Hilfe, technische Hilfe, organisatorische Hilfe. Das Land muss bereit sein, das zu unterstützen. Das wäre unser großes Anliegen, damit wir hier zu einem vernünftigen Ergebnis kommen.

Deswegen meine Bitte: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu. Wir stimmen Ihrem Auftrag an die Landesregierung, einen Gesetzentwurf oder Leitlinien zu erarbeiten, ausdrücklich auch zu. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)