Entschließungsantrag zum Antrag „Die Landesregierung muss eine Rahmenvorgabe für das Schuljahr 2021/22 vorlegen, damit die Schülerinnen und Schüler einen guten Schulstart haben!“ – Antrag der Fraktion der SPD – Drucksache 17/14278
I. Ausgangslage
Die vergangenen drei Schulhalbjahre waren von den Pandemiebedingungen geprägt. Es gab wochenlange Abschnitte mit Distanz- und Hybridunterricht sowie zusätzliche Quarantänephasen für einzelne Schulen bzw. Lerngruppen. Die Bedingungen für Schülerinnen und Schüler dafür waren in diesem Schuljahr, abhängig von der Schulausstattung und Konzepten sowie der individuellen Ressourcen, sehr unterschiedlich. Bildungsbenachteiligungen wurden verschärft, wo Kinder und Jugendliche schlechtere technische und räumliche Voraussetzungen hatten. Viele Familien, aber auch Pädagoginnen und Pädagogen sind erschöpft. Weit über 70 Schulmails zeugen u.a von den Kurzfristigkeit und Kurzatmigkeit von Reaktionen seitens des Schulministeriums und machen deutlich, welche Herausforderungen die Schulen bisher schon meistern mussten.
Besonders für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die sich in unsicheren wirtschaftlichen und sozialen Lagen befinden oder wo gewohnte und haltgebende Strukturen verloren gegangen sind, sind stark von der Krise betroffen.
II. Es ist unabdingbar, vor die Lage zu kommen.
Auch das nächste Schuljahr wird kein normales sein können. Selbst, wenn die Inzidenzwerte derzeit niedrig sind, muss mehr dafür getan werden, dass Schulen so sicher wie möglich sind und der Präsenzbetrieb auch durch Herbst und Winter aufrecht erhalten werden kann.
Es ist richtig, das Testen in den Schulen nach den Sommerferien weiterzuführen. Entsprechend der Empfehlungen des RKI sollte diese Präventionsmaßnahme zunächst bis zum April 2022 geplant werden. Ebenso darf die Maskenpflicht in Innenräumen nicht jetzt schon voreilig in Frage gestellt werden.
Die Delta-Variante zeigt, dass die Corona-Pandemie weiter unberechenbar ist.
Ein Blick nach Israel und Großbritannien belegt, dass diese Mutation sich gerade in der Gruppe
der ungeimpften Kinder und Jugendlichen verbreitet.
Asymptomatische bzw. relativ mildere Verläufe der Erkrankung können nicht beruhigen. Covid 19 ist eine Multiorganerkrankung deren langfristige Folgen noch nicht abzusehen sind. Die Forschungen u.a. zu Long Covid in allen Alternsgruppen stehen erst am Anfang. Kinder und Jugendliche brauchen Schutz.
Während die ab 16 Jährigen sich seit dem 26.6.2021 um einen Impftermin bemühen können, gibt es noch keine grundsätzliche Empfehlungen der Ständigen Impfkommission für die 12-15-Jährigen. Jüngere Kinder unter 12 Jahren können derzeit noch gar nicht geimpft werden, weil es für sie keinen zugelassenen Impfstoff gibt. Sie müssen daher besonders geschützt werden. Genau dabei können mobile Luftfilter helfen und in einem ersten Schritt Grund- und Förderschulen sicherer machen. Dazu muss die Anschaffung von mobilen Luftfiltern umfänglich mit Landesmitteln gefördert werden. Von den im derzeitigen Förderprogramm des Landes bereitstehenden Mitteln sind nur 20 Prozent abgerufen worden. Diese Öffnung für mobile Geräte ist auch für das Förderprogramm des Bundes dringend geboten. Für eine Summe zwischen 120 Millionen und maximal 150 Millionen Euro könnten alle Grund- und Förderschulen in NRW vorrangig in einem ersten Schritt ausgestattet werden und zwar schneller als durch die aufwändige Ausstattung mit stationären Anlagen, die einen umfangreichen Planungsvorlauf benötigen.
Diese Aufgabe darf nicht auf die Schulen abgewälzt oder der Beharrlichkeit einzelner Elterninitiativen überlassen werden. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen in der Schulen darf zudem nicht von der Finanzkraft von Kommunen oder Schul-Fördervereinen abhängig sein.
Es ist nicht damit zu rechnen, dass die Delta-Mutation die letzte Herausforderungen durch Virus-Varianten ist. Mobile Luftfiltergeräte können im Zusammenspiel mit den weiter bestehenden AHA-L-Regeln zum Gamechanger werden. Sie helfen zudem auch, die Weitergabe von Grippeviren wirksam zu reduzieren oder schaffen Entlastung bei allergischen Reaktionen auf Pollen (Heuschnupfen).
III. Pädagogische Freiheit geben – Unterstützung gewährleisten
Es ist notwendig, Druck aus dem System zu nehmen, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen gerecht werden zu können. Schulen brauchen mehr pädagogische Freiheit, um ganzheitliche Bildungsprozesse zu gestalten, personelle Unterstützung mit zusätzlichem Personal und Kooperation mit weiteren Bildungsträgern zu organisieren. Die cur-ricularen Vorgaben sollten bis zu den Herbstferien ausgesetzt werden, damit Schulen die Stundenpläne frei gestalten können. Das bietet Gelegenheit, mit zusätzlichen Kräften aus Sport, Musik, Kunst, Handwerk umfassende und vielfältige Angebote zu machen, außerschulische Lernorte aufzusuchen, Projekttage und -wochen zu gestalten, forschendes Lernen, Erkundungen und Exkursionen, gemeinsamen Unternehmungen Zeit zu geben. Persönlichkeitsentwicklung, soziales Lernen und Stärkung von Schlüsselkompetenzen, Raum für Kreativität, kritisches Denken, Kollaboration, Kommunikation ist jetzt geboten. So wird die beste Ausgangslage geschaffen, damit alle Kinder und Jugendlichen umfänglich für Bildungsprozesse wieder Anschluss gewinnen bzw. diese festigen können.
Nach Monaten, die durch Distanz- und Hybridunterricht gekennzeichnet waren, muss Zeit für Schulgemeinschaft da sein. Dabei müssen vor allem die Schülerinnen und Schüler endlich intensiv vom Beginn des Schuljahres an in die gesamten Planungen und in die Gestaltung solcher Angebote mit eingezogen werden. Sie erlebten die letzten Monaten vielfach fremdbestimmt. Das muss sich ändern.
Wir müssen nicht nur wertschätzen, welche Leistungen Kinder und Jugendliche in der Pandemie erbracht haben, es geht darum, das Erleben von Selbstwirksamkeit zu stärken. Die Prozesse und Situationen müssen für Kinder und Jugendliche bewältigbar, überschaubar und handhabbar werden. Salutogenese, die Frage, was Gesundheitsressourcen in Menschen stärkt, gehört in Zentrum der Bildungsprozesse und Schulentwicklung für den Lern- und Lebensraum Schule. Jetzt geht es darum, statt einer Defizitorientierung die Potenzialstärkung in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Landesregierung hat ein Aufholprogramm in Höhe von 430 Millionen Euro angekündigt, wobei 215 Millionen vom Bund kommen. In den bisher bekannten konzeptionellen Überlegungen sollen endlich Forderungen der Grünen aufgegriffen werden, die immer wieder vorgetragen wurden, z.B. Lehramtsstudierende zur Lernbegleitung in Klassen- und Jahrgangsteams einzusetzen. Dazu sollten aber Vereinbarungen mit dem Hochschulen zu den Praxisphasen und zur Gestaltung des Praxissemesters getroffen werden.
Zur Stärkung der Kinder und Jugendlichen braucht es zudem umfangreiche Mentorinnen- und Mentorenprogramme. Zivilgesellschaftliche Akteure wie u.a. „Balu und Du“ oder „Rock Your Life“ stehen bereit, dabei zu unterstützen, Bildungsbenachteiligungen abzubauen, die durch die Corona-Pandemie noch verschärft worden sind. Die Wirksamkeit solcher Mentoringpro-gramme ist jüngst wieder bestätigt worden ( https://www.ifo.de/publikationen/2021/aufsatz-zeitschrift/mentoring-verbessert-die-arbeitsmarktchancen). Die Mittel aus dem „Corona-Aufholprogramm“ müssen dafür eingesetzt werden, die Rahmenbedingungen in den Schulen systemisch und systematisch zu verbessern.
Für mehr Flexibilität muss auch in Bezug auf Formate zur Leistungserbringung, von Klassenarbeiten und Prüfungen im kommenden Schuljahr schon jetzt gesorgt werden.
Am vergangenen Freitag hat die Schulministerin gegenüber den Medien erklärt, dass es in den Schulen nach den Sommerferien genauso weiter gehen solle, wie derzeit2
Die Schulen brauchen aber noch vor den Ende der Woche beginnenden Sommerferien Entscheidungen der Landesregierung, damit die Voraussetzungen zum Start des neuen Schuljahrs vorliegen.
IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,
- das Förderprogramm zur Anschaffung von Luftfilteranlagen des Landes wieder zu öffnen und auf mobile Geräte zu erweitern und sich beim Bund dafür einzusetzen, sein Förderprogramm auch für die Beschaffung von mobilen Luftfiltern zu öffnen;
- den Schulen die notwendigen pädagogischen Freiheiten zu geben, um die curricularen Vorgaben und Stundentafeln bis zu den Herbstferien aussetzen zu können,
- den Schulen mehr Flexibilität in Bezug auf Formate zur Leistungserbringung, von Klassenarbeiten und Prüfungen im kommenden Schuljahr einzuräumen,
- in den Konzepten und Förderrichtlinien von Landes- und Bundesmitteln Umsetzung ganzheitlicher Förderung von Kindern und Jugendlichen das Einbeziehen von Mentoringprogrammen vorzusehen, die Anbieter strukturell zu fördern, damit das Gewinnen und die Qualifizierung von Mentorinnen und Mentoren unmittelbar erfolgen kann.