Arndt Klocke: „Mit diesem Gesetzentwurf werden wir dieses Ziel leider nicht erreichen“

Zum Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP für ein Radverkehrsgesetz

Arndt Klocke (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dies ist ein wichtiger Tag für den Radverkehr in diesem Land und sogar bundesweit; denn heute wird hier in Nordrhein-Westfalen das erste Radverkehrsgesetz in einem Flächenland diskutiert.

Wir Grüne begrüßen natürlich grundsätzlich die Einbringung eines solchen Gesetzes. Es ist eine Folge der sehr erfolgreichen Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ ist, wie meine Vorredner schon deutlich gemacht haben. Sie ist im Sommer 2018 gestartet und hat über 210.000 Unterschriften erreicht.

Ich erinnere mich noch an den Tag – es war ähnlich heiß –, als Frau Heinen-Esser und ich auf dem Podium vor dem Verkehrsministerium standen und diese Pakete entgegengenommen haben; das war die Radsternfahrt. Damit war der Auftrag für zahlreiche Maßnahmen – es handelt sich ja um ein Neun-Punkte-Programm –, aber auch für die Ausarbeitung eines solchen Radverkehrsgesetzes verbunden.

Der Radverkehr wuchs in den letzten Jahren massiv; wir haben deutliche Zuwachszahlen in Stadt und Land. Das hat nicht nur etwas mit Corona zu tun, sondern das war auch schon vor Corona der Fall. Bei den Menschen findet eine Abstimmung mit den Pedalen statt.

Dem, was Kollege Reuter zur Wahlfreiheit gesagt hat, kann ich mich gut anschließen, weil es keine Regierung, keine Stadt, keine Oberbürgermeisterin und keinen Oberbürgermeister gibt, die den Bürgerinnen und Bürgern auftragen: Ihr müsst jetzt Rad fahren. – Es handelt sich um eine Entscheidung der Menschen selbst. In den letzten Jahren haben sich massiv mehr Leute entschieden, aufs Fahrrad umzusteigen.

Herr Minister Wüst, die Situation in Köln-Nippes ist nicht anders als in Rhede: Auch mein Fahrradhändler, „Radlager“ in Nippes, hat teilweise keine Kinderräder, keine Helme und keine Ersatzteile mehr. Das liegt nicht daran, dass die Industrie schliefe, sondern daran, dass die Menschen massiv Fahrräder kaufen und im Alltagsverkehr nutzen. Genau das muss das politische Ziel sein, und dazu soll das Radverkehrsgesetz beitragen.

Weil Kollege Reuter gerade die Erfolge der schwarz-gelben Regierung herausgestellt hat, möchte ich noch etwas zur Historie sagen. Seit Beginn der 90er-Jahre gibt es in Nordrhein-Westfalen Radverkehrsförderung, damals unter dem SPD-Minister Christoph Zöpel und dem legendären Heiner Monheim, dem Verkehrspapst, der im Ministerium gewirkt hat. Damals wurde die AGFS gegründet.

In rot-grüner Regierungszeit ab 1995 gab es das Programm „100 Radstationen NRW“; fast 90 Radstationen sind auch gegründet und umgesetzt worden. Es folgte der erste Aktionsplan Nahmobilität.

Dann kam die erste schwarz-gelbe Regierungszeit unter Wittke und Lienenkämper. Sie haben das Gegenteil gemacht: Sie haben bei der Radverkehrsförderung und insbesondere beim Radwegebau an Landstraßen massiv gekürzt – runter auf 3,6 Millionen €.

Wir Grüne haben in unserer Regierungszeit – Rot-Grün; grüner Staatssekretär Becker – trotz der Schuldenlage mit einer Neuverschuldung von 6,8 Milliarden €, die wir übernommen haben, und der einzuhaltenden Schuldenbremse deutlich mehr in den Radverkehr investiert.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Der Aktionsplan Nahmobilität, der gerade überarbeitet wird, gilt bis heute, und er ist vom damaligen grünen Staatssekretär Becker auf den Weg gebracht worden. Er und war so gut, dass er nun schon mehr als zehn Jahre gilt. Und es ist richtig – das unterstützen wir Grüne auch –, dass der jetzige Verkehrsminister in einer besseren Haushaltssituation beim Radverkehr noch mehr draufgelegt hat.

Ich habe hier aber schon häufiger gesagt: Es geht nicht nur um mehr Geld im Etat, sondern es muss auch umgesetzt werden, es muss verbaut werden. Dafür braucht es gute Planungskapazitäten und gut ausgebildete Planerinnen und Planer, die nicht nur Straßen bauen, sondern die auch Radwege bauen.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Dafür haben wir Ihnen einen Antrag vorgelegt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich gehöre zur altmodischen Kategorie derjenigen, die noch Zeitung lesen. So las ich gestern Morgen auf der Titelseite des „Kölner Stadt-Anzeigers“, dass wir Grüne dem Gesetz zustimmen würden. Ich war bass erstaunt; das wusste ich noch gar nicht.

Wir werden zum nächsten Plenum einen eigenen grünen Entwurf für ein Radverkehrsgesetz einbringen und hier vorstellen, und wir sind sehr gespannt auf die Debatte und die anstehende Anhörung im Ausschuss. Wir Grüne sehen durchaus positiv, dass es ein solches Gesetz gibt, aber eine ganze Reihe von Punkten teilen wir bei dem Gesetzentwurf inhaltlich nicht.

Zum Beispiel gibt es keine konkreten Anforderungen an Radverkehrsanlagen, sondern nur allgemeine Grundsätze. Lokale und überörtliche Radwegenetze enthalten nur Sollbestimmungen und sehr vage Grundsätze. Abstellanlagen sind überhaupt nicht definiert.

Es gibt keine klare Definition, was zur Radinfrastruktur gehört: Was sind Radschnellwegeverbindungen? Was sind Vorrangrouten? Wie sollen sie gefördert werden? Auch zur Öffentlichkeitsbeteiligung wird nur sehr allgemein ausgeführt, aber es werden keine Maßnahmen genannt.

Es gibt also keine grüne Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf, sondern wir setzen darauf, dass er nach der Anhörung verbessert wird.

Damit komme ich noch zum Ziel 25 % bis zum Jahr 2025. Ich habe im „Kölner Stadt-Anzeiger“ auch gelesen, dass der Minister das für möglich hält. Ich sage Ihnen: Mit diesem Gesetzentwurf und den jetzigen Fördermöglichkeiten werden wir dieses Ziel leider nicht erreichen.

Ich teile die Meinung, dass wir es erreichen sollten, aber dafür muss dieses Gesetz deutlich besser werden. Es muss wirksamer und an einigen Punkten nachgeschärft werden. Das werden wir in den nächsten Wochen im Plenum und in den Ausschüssen diskutieren.

Wenn es am Ende ein gutes und tragfähiges Radverkehrsgesetz wird, werden wir Grüne auch zustimmen. Diesem Gesetzentwurf werden wir Grüne nicht zustimmen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

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