Verena Schäffer: „Auch das gehört zu unserer Fürsorgepflicht“

Zum Entwurf der Landesregierung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz - zweite Lesung

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Beim Blick auf die Tagesordnung werden sich wahrscheinlich einige „Was für ein sperriger Titel“ gedacht haben. Dieser Gesetzentwurf hat es aber in sich – und das meine ich nicht positiv –, denn mit diesem etwas sperrig klingenden Gesetzentwurf wird den kommunalen Ordnungsämtern der Einsatz von Bodycams und von Dashcams erlaubt. Das wurde gerade auch schon ausgeführt.

(Beifall von der CDU)

– Die CDU klatscht. Sie können gerne häufiger bei meinen Reden klatschen; damit habe ich gar kein Problem.

(Henning Höne [FDP]: Das liegt ja an dir! – Heiterkeit)

Mal sehen, ob es dabei bleibt.

Ich würde gerne zu den Dashcams ein paar Sätze sagen, weil dieses Thema noch nicht wirklich benannt wurde. Professor Kersting von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen hat in der Anhörung dargelegt, dass Dashcams, die sich hinter der Windschutzscheibe des Fahrzeugs befinden, praktisch keine Schutzfunktion hätten. Sie hätten einen nur sehr geringen bis eigentlich überhaupt keinen Effekt auf die Kommunikation, und einen Nachweis, dass sie deeskalierend wirken würden, gebe es schlichtweg nicht.

Außerdem sagte Professor Kersting in der Anhörung, dass die Aufzeichnungen vor allem für die Strafverfolgung genutzt würden. Die Ordnungsdienste sind für die Strafverfolgung aber überhaupt nicht zuständig. Im Übrigen ist auch das Land in der Gesetzgebungskompetenz für die Strafverfolgung nicht zuständig. Uns fehlt also schlichtweg die Gesetzgebungskompetenz. Insofern weiß ich nicht, was diese Dashcams hier sollen. Wahrscheinlich soll das gut klingen, dass Sie etwas für die Ordnungsämter tun, aber bringen tut das – mit Verlaub – nichts. Deshalb hätte man das aus dem Gesetzentwurf auch gut herausstreichen können.

Ein weiterer Punkt sind die Bodycams. Lieber Herr Katzidis, wir müssen von der Frage wegkommen, ob deren Einsatz ideologisch ist oder nicht. Denn eigentlich ist das keine ideologische Frage, sondern es ist eine Frage von „Schaut mal auf die Wissenschaft und auf die Studie, die in Nordrhein-Westfalen gemacht wurde“. Unsere Fachhochschule für öffentliche Verwaltung hat doch eine Studie dazu durchgeführt.

Ich verteufle Bodycams überhaupt nicht. Rot-Grün hat Bodycams für die Polizeibeamtinnen und -beamte eingeführt, weil wir ein Mittel brauchen, damit die Angriffe auf Beamtinnen und Beamte aufhören, und das zur Deeskalation beiträgt.

Die Studie kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Beamtinnen und Beamten im Einsatz häufig ihre Sprache und ihren Tonfall ändern, wenn die Kamera läuft, weil das aufgezeichnet wird. Das Wechseln in eine sehr formale Sprache führt wiederum dazu – das wurde in der Studie so dargestellt –, dass es vermehrt zu Angriffen auf Polizeibeamte kommt. Was wir verhindern wollen, nämlich die Gewalt gegen Beamte, wird also komplett konterkariert. Im Übrigen sagt das auch das Innenministerium, Herr Sieveke; Frau Lesmeister hat das doch in den Sitzungen des Innenausschusses dargelegt.

Aus diesem Grund gibt es nun mehr Fortbildungen für die Polizeibeamtinnen und -beamte, denn es gilt, sie für den Einsatz damit zu schulen, damit sie eben nicht zur Zielscheibe von Angriffen werden.

(Daniel Sieveke [CDU]: Ja klar!)

Auch das gehört zu unserer Fürsorgepflicht.

(Beifall von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Jetzt reden wir hier aber nicht über die Polizei, sondern wir reden über die Ordnungsdienste. Bei den Ordnungsdiensten haben wir allerdings noch nicht einmal eine landesweit einheitliche Ausbildung. Jede Kommune macht das anders.

(Zuruf von Dr. Christos Georg Katzidis [CDU])

– Es kann sein, dass das Bonn sehr hervorragend macht; das kann ich nicht beurteilen. Andere Städte machen das aber nicht so hervorragend. Es gibt auch viele Quereinsteiger. Wenn Sie mit Wertschätzung und Anerkennung für die Ordnungsdienste argumentieren, dann sorgen Sie dafür, dass es eine einheitliche Ausbildung und eine gute Bezahlung gibt. Das hilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ordnungsdienste,

(Beifall von Berivan Aymaz [GRÜNE])

aber nicht die Bodycam.

Meine große Sorge ist – deshalb werden wir diesen Gesetzentwurf auch ablehnen –, dass die Ordnungsdienstmitarbeiterinnen und -mitarbeiter deshalb nicht weniger angegriffen werden, und meine große Befürchtung ist, dass genau das Gegenteil bewirkt wird und es so ist, wie das in der Studie unserer Hochschule dargestellt wurde. Das Gegenteil zu bewirken, wäre fatal. Ich halte das auch ein Stück weit für verantwortungslos, darüber so hinwegzugehen, indem gesagt wird: Wir machen das jetzt als Zeichen der Anerkennung. – Das ist es nämlich nicht; das möchte ich hier ganz klar und deutlich feststellen.

Ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen, den ich problematisch finde, und dabei sehe ich Sie als Mitglied der FDP an, Herr Pfeil. Ich sage jetzt nicht, was ich von der FDP als Bürgerrechtspartei halte. Allerdings hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie sich Art. 13 des Grundgesetzes ein wenig mehr ansehen.

Sie verweisen nur auf das Polizeigesetz, und wir hatten dabei schon die sehr schwierige Situation und die Frage: Wie können wir es verfassungsrechtlich ermöglichen, dass Polizeibeamtinnen und -beamten die Bodycam auch im Einsatz in einer Wohnung zum Beispiel bei häuslicher Gewalt tragen können? – Wir haben das im Polizeigesetz geregelt. In diesem Gesetzentwurf haben wir aber nur einen Verweis, und das reicht bei einem derart schwerwiegenden Grundrechtseingriff, bei dem es um die Unverletzlichkeit der Wohnung geht, nicht aus.

Abgesehen davon gibt es auch keine Regelungen zum Datenschutz, obwohl es hier um Aufzeichnungen geht. Die Kommunen müssen gewährleisten, wie lange aufgezeichnet wird. Wie lange wird gespeichert? Wer kümmert sich in der Kommune darum? Dafür bedarf es komplexer Datenschutzkonzepte, die erst einmal aufgelegt werden müssen.

Das alles fehlt mir in diesem Gesetzentwurf, und ich halte ihn schlichtweg nicht für durchdacht.

Zum Abschluss und zur Güte will ich aber auch festhalten: Wir sind uns darüber einig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ordnungsämtern einen verdammt guten Job machen. Auch in dieser Coronakrise haben sie einen verdammt guten und harten Job gemacht. Sie dürfen auf keinen Fall Opfer von Angriffen werden – deshalb müssen wir uns auch vor sie stellen –, und das erreichen wir durch eine gute Ausbildung und durch regelmäßige Fortbildungen zum Beispiel im Bereich der Deeskalation. Das wäre effektiv, und das würde etwas bringen.

Auch die gute Kommunikation mit der Polizei und die Anwesenheit der Polizei bei schwierigen Einsätzen würde den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern helfen.

Lassen Sie uns an diesen Themen weiterarbeiten. Da bin ich sehr gerne dabei, nicht jedoch bei diesem Gesetzentwurf. Es tut mir leid, aber wir müssen diesen Gesetzentwurf ablehnen, weil es so einfach nicht geht. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christian Mangen [FDP])

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Frau Schäffer.

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