Monika Düker: „Coronabedingte Überstunden dürfen nicht verfallen“

Zum Eilantrag der Fraktion der SPD zu Mehrarbeitsstunden

Monika Düker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich diese Debatte mit ein bisschen Distanz vergegenwärtigt, fragt man sich, worüber hier eigentlich gestritten wird. Die SPD mahnt an, dass jetzt dringend etwas getan werden muss, dass umgehend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den drohenden Verfall von Überstunden abzuwenden. CDU und FDP verweisen auf die Rechtslage und sagen: Alles kein Problem, das passiert schon, ihr redet kompletten Blödsinn. Wir wollen ja auch, dass Mehrarbeit nicht verfällt.

Alle wollen dasselbe. Wo ist also das Problem? Ich komme zu dem Schluss: Beide haben irgendwie recht, auch wenn sich das absurd anhört, denn wir müssen zwischen der grundsätzlichen Problematik und der Coronalage unterscheiden.

Richtig ist, liebe Kollegen von der SPD, dass der Beamtenbund nach diesen „Gesprächen“

(Sven Wolf [SPD]: Desaster!)

zur Attraktivitätssteigerung des öffentlichen Dienstes – das waren ja keine Gespräche, sondern man hat den Gewerkschaften eher etwas vorgesetzt und sich nicht ernsthaft mit ihren Vorschlägen auseinandergesetzt; das ist aber hier nicht Thema – am Ende bilanziert – und das ist erst einmal richtig –, dass auch schon vor Corona jedes Jahr 60.000 bis 70.000 Überstunden verfallen sind.

Das ist so.

Diese Problematik wurde, so die Bilanz des Beamtenbunds, in diesem Spitzengespräch nicht gelöst. Darüber hinaus stellt der Beamtenbund fest – das wurde gerade vorgelesen –, dass es kein Bestreben der Landesregierung gebe, das Problem – jetzt kommt der wichtige Punkt – grundsätzlich zu regeln. Demgegenüber sagt Schwarz-Gelb: Das stimmt gar nicht. Unser Ziel ist, dass es keinen entschädigungslosen Verfall der Überstunden gibt. – Was gilt jetzt? 60.000 oder 70.000 Überstunden, oder ist alles geregelt?

Was die grundsätzliche Regelung anbelangt, reden Sie vielleicht einmal mit der Landesregierung, Herr Witzel. Denn bei den Spitzengesprächen, bei denen wir nicht dabei waren, weshalb ich das nur so wiedergeben kann, kam genau das Gegenteil an: Es gibt keine Bereitschaft, das Problem grundsätzlich zu lösen. – Damit steht Aussage gegen Aussage. Im Entschließungsantrag steht, dass das alles gemacht würde, und im Koalitionsvertrag steht, dass das kein Problem sei.

Bei der grundsätzlichen Frage sehe ich tatsächlich einen Widerspruch, der für mich nicht aufgelöst ist. Vielleicht löst ihn aber der Innenminister auf.

Zu Corona: Da ist richtig, was die CDU und die FDP vortragen, und was wir im Übrigen im Rahmen der Gespräche zum Pandemiegesetz interfraktionell – zum Beispiel waren Herr Kollege Löttgen und Herr Kollege Kutschaty dabei – angesprochen haben. Auch da waren wir einvernehmlich der Meinung, dass die coronabedingten Überstunden nicht verfallen sollen. Jetzt ist die Frage: Tun sie das, oder tun Sie das nicht? Da wurde bei der SPD in der Tat ein wenig geschlabbert.

Natürlich steht in § 61 Landesbeamtengesetz, dass die Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres zu gewähren ist. Gleichzeitig haben aber auch die Koalitionsfraktionen recht, wenn sie argumentieren, in § 195 sei abschließend geregelt, dass die Verjährungsfrist drei Jahre betrage.

Richtig ist: Der Anspruch von Beamtinnen und Beamten auf Freizeitausgleich verfällt nicht, aber er verjährt nach drei Jahren. Insofern ist der 30.06. nicht die Frist, zu der das verjährt. Leider fehlt das in dem Antrag der SPD.

Von daher komme ich zu dem Schluss: Beide haben irgendwie recht,

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

und vielleicht sollten wir es jetzt dem Innenminister überlassen, für Klarheit zu sorgen.

Ich sage auch noch einmal ausdrücklich: Selbstverständlich stehen wir als Grüne zu dem Ziel, dass die aufgrund von Corona geleistete Mehrarbeit nicht verfallen darf. Diese Mehrarbeit muss entweder vergütet oder in Freizeit ausglichen werden. Das muss seitens des Dienstherrn gewährleistet sein; das haben wir interfraktionell vereinbart. Ob das noch eines Erlasses bedarf oder ob dafür im Angestelltenbereich noch eine Dienstvereinbarung geändert werden muss, kann ich nicht beurteilen, weil wir nicht in der Exekutive sitzen und das kontrollieren können. Ich hoffe jedoch, dass das gegebenenfalls geschehen ist.

Außerdem hoffe ich, dass die Landesregierung diese interfraktionelle Vereinbarung hier noch einmal so erklären kann, dass das passiert, und sie dann an der grundsätzlichen Problematik arbeitet; denn auch ohne Corona ist es nach wie vor unbestritten ein Fakt, dass eine Mehrarbeit immer noch verfällt. Es muss daher endlich die Bereitschaft bestehen, das grundsätzlich anzugehen; das mahnt der dbb zu Recht an.

Wir kommen insofern zu der salomonischen Lösung, dass wir uns bei beiden Anträgen enthalten werden.

(Beifall von den GRÜNEN)