Norwich Rüße: „Was mich ärgert ist diese Vollkaskoversicherungsmentalität“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum freien Gewässerzugang

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Haupt, Sie haben so schön gesagt, der Sommer kommt.

(Stephan Haupt [FDP]: Er kommt auch!)

– Ja, aber das wissen wir auch schon seit drei Jahren. Der Sommer kommt in schöner Regelmäßigkeit. Von daher wäre es eigentlich gut gewesen, wenn wir mit einem solchen Antrag ein wenig schneller gewesen wären.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ich kann mich gut daran erinnern: Als wir im Jahr 2017 nicht mehr die Regierung gestellt haben, wurde uns noch über Jahre hin gesagt, das habt ihr falsch gemacht, dies hättet ihr anders machen müssen, jenes hättet ihr anders machen müssen. – Was ich jetzt feststellen muss, ist: Dieses Urteil stammt aus dem Jahr 2017, und die nordrhein-westfälische Landesregierung hat bis heute nicht darauf reagiert und den Kommunen nichts zur Verfügung gestellt.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Stephan Haupt [FDP])

Der Antrag bleibt – das ist bei Anträgen der Regierungskoalition häufig der Fall – sehr im Vagen. Er ist sehr vorsichtig formuliert. Wir stimmen dem am Ende zu – Herr Haupt, Sie können da ganz beruhigt bleiben –, weil es immer gut ist, wenn irgendwas passiert. Aber wir hätten es uns besser vorstellen können.

Warum haben Sie nicht einfach – das hätten sie als CDU und als FDP doch tun können; dann hätten Sie uns noch ein bisschen mit loben müssen – die Übertragung des Gesetzes aus Schleswig-Holstein mit seinen klaren Regelungen vorgeschlagen? Das ist doch ein Lösungsansatz, den wir an der Stelle gehabt hätten.

Warum machen Sie das nicht? Warum wird hier wieder herumgeprüft und gesagt, machen Sie dies, machen Sie das? Man hätte an dieser Stelle einfach konkret sagen können, diesen Gesetzentwurf wollen wir nach Nordrhein-Westfalen übertragen haben; passen Sie diesen bitte an. Dann haben wir eine Regelung.

Was mich ärgert – da bin ich absolut bei Herrn Nolten –, ist diese Vollkaskoversicherungsmentalität, die wir mittlerweile haben. Es muss alles bis ins Detail reguliert werden.

Das ist, finde ich, ein Prozess, der für eine Gesellschaft auch lähmend ist, weil er nämlich die Eigenverantwortung der Menschen erheblich schwächt. Das können wir nicht wollen. Das ist ein Problem. Darüber muss man, finde ich, in der Tat mal diskutieren. Das muss man mal gemeinsam angehen.

Zum Schluss ein kleines Bonmot, um es deutlich zu machen. Sie wissen, ich bin Landwirt. Als ich damals meinen Treckerführerschein gemacht habe – Fahrausbildung mit allen anderen zusammen in den 80er-Jahren –, hat mein Fahrlehrer in der theoretischen Ausbildung immer Dias gezeigt. Da sah man einen Schlepper mit einem Mischstreuer.

Mein Fahrlehrer sagte: Wenn Sie so ein Fahrzeug sehen, können Sie sicher sein, dass die Blinkeranlage vom Mist verschmiert sein wird. Dagegen werden Sie gar nichts machen können. Gucken Sie dann aufmerksam und vorausschauend nach links und rechts. Wenn Sie dann links einen Acker sehen, auf dem Mist liegt, dann können Sie davon ausgehen: Der biegt gleich ab, und vielleicht sehen Sie keinen Blinker. – Das sei vorausschauendes Fahren. So wurde mir das damals in den 80er-Jahren erklärt.

(Heiterkeit von Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz)

Der muss natürlich seine Blinker in Ordnung haben, darum geht es mir gar nicht. Aber das ist eine Erklärung dafür, dass wir uns und andere Menschen darauf vorbereiten, dass Gefahren im Leben lauern, dass man vorsichtig sein muss, dass man nicht ins Wasser springen kann und darauf setzen kann: Die Kommune wird schon alles geregelt haben. Ich glaube, dahin müssen wir kommen. Und Herr Nolten hat vollkommen recht, dies hier kritisch anzumerken.

Zum Schluss: Ein Problem bleibt bei all dem. Da bin ich auch nicht der Erste, der das sagt. Wir können alles regeln, wie wir wollen, wir können es absichern, wie wir wollen. Aber Wenn wir keine Rettungsschwimmer mehr haben, wenn uns die fehlen, dann hilft uns das am Ende alles auch nicht mehr.

Das ein Punkt, zu dem ich die Landesregierung auch auffordere – neben dem Gesetz aus Schleswig-Holstein, das Sie vielleicht einfach mal schnellstmöglich einbringen; sonst machen wir das als Grüne, das ist auch eine Lösung –, ist, noch einmal an der Ausbildung von Rettungsschwimmern zu arbeiten, sodass hinreichend Personal zur Verfügung steht, die das übernehmen, und wir in dieser Hinsicht hier im Land Nordrhein-Westfalen wieder besser werden.

Denn in der Tat haben auch im Rahmen von Corona viele Menschen gemerkt, dass man auch hier in Nordrhein-Westfalen schön an die Gewässer gehen kann. Das ist ein Erlebnis, das wir den Menschen ermöglichen wollen. Dafür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.

Ich bin gespannt, ob Sie eine Regelung finden, die dann immerhin für den nächsten Sommer gelten wird. Das wäre sehr schön. Ich bin wirklich gespannt auf die weitere Beratung und darauf, was da von Ihnen kommt. Bei aller Kritik stimmen wir aber, wie gesagt, Ihrem Antrag zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

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