Norwich Rüße: „Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Weidetierhaltung

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Deppe, da Sie so einen weiten historischen Rückblick bis zu Zeiten von Renate Künast gemacht haben, sage ich Ihnen einfach: Ja, im Rückblick war es tatsächlich ein Fehler, damals insbesondere die Schafhaltung so zu behandeln und die ans Tier gekoppelte Prämie wegzunehmen.

In dem Gesamtprozess sind Prämienrechte auf das Grünland übertragen worden. Die ganz großen Probleme haben diejenigen Betriebe gehabt, die häufig von anderen Betrieben Flächen zum Nachweiden nachnutzen wie insbesondere Schafhalter.

Da wird gerne die Fläche im eigenen Betrieb belassen. Man nimmt gerne die Flächenprämie mit, will die Fläche aber gar nicht selbst bewirtschaften und sagt dem Schafhalter: Hier, die kannst du abweiden. – Das kann man auch umsonst machen, weil man die Flächenprämie für sich hat.

Das ist im Rückblick das große Problem der Schafhaltung gewesen.

Wenn wir zusammen im Rückblick noch mal über die Entkoppelung an sich betrachten, reden wir selbstverständlich auch über Bullenprämien. Niemand will die Bullenprämie wieder zurückhaben; das muss man einfach so klar sehen. Auch im Ackerbau war es gut, dass wir von den gekoppelten Prämien weggekommen sind.

Hier haben wir jetzt einen besonderen Problembereich.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur‑ und Verbraucherschutz: Ja!)

Frau Watermann-Krass hat es schon hinreichend dargestellt: In der Tat hatten wir einen langen gemeinsamen Prozess. Wir haben alle zusammen immer wieder gesagt: Wir müssen die Schafhalterinnen und Schafhalter wesentlich besser unterstützen.

Mir wäre es wichtig, dass wir auch mal darüber diskutieren, welchen unterschiedlichen Zugang denn eigentlich auch die Tierhalter in Nordrhein-Westfalen zu Fördergeldern haben.

Zur Prämie, die jetzt in Rede steht, kann man auch sagen: Ihr Antrag hält die Prämie weder auf, noch beschleunigt er sie wesentlich; sie wird sowieso kommen: 60 Euro pro Mutterkuh und 30 Euro pro Schaf. Für die Schafhalter ist das in der Tat interessant. Ein normaler Mutterkuhbetrieb in unserer Region hat vielleicht 20 Mutterkühe. Wenn Sie 20 mal 60 Euro rechnen, wird er davon nicht reich.

Damit bin ich beim Thema „zweite Säule“. Mich ärgert in dem Gesamtprozess ein bisschen, wie wir eigentlich Fördergelder im Bereich „Umweltleistung“ auszahlen. Sie kriegen viele Fördergelder, wenn Sie vorher schlecht gehandelt haben.

Wir haben eben über Windkraft geredet; da haben wir genau das Gleiche. Sie kriegen ein Windrad auf den Acker, wenn Sie die Hecken vorher weggeräumt haben, wenn Sie viel Maisanbau bzw. intensiven Ackerbau betrieben haben; da darf nämlich nur wenig Natur übrig bleiben. Dann kriegen Sie das Windrad. Haben Sie Grünland, haben Sie viele Hecken behalten, kriegen Sie kein Windrad.

Im Wald machen wir jetzt wahrscheinlich etwas Ähnliches: Haben Sie Fichtenwälder, kriegen Sie vielleicht zur Belohnung dafür, dass Sie das über 100 Jahre gemacht haben, das Windrad. Haben Sie einen Laubwald sich über 50 Jahre entwickeln lassen – also das, was wir wollen –, haben Sie eine Garantie, dass Sie das Windrad nicht bekommen. Das ärgert mich schon.

Dasselbe machen wir mit der zweiten Säule. Sind Sie Mutterkuhhalter, sagt man Ihnen: Na ja, Sie halten Ihre Tiere ja auf Stroh; also begrenzen wir den Zugang zum Programm „Haltung auf Stroh“ mal. Dann kriegen Sie pro Kuh 50 Euro. Das hat auch nichts mit der Ministerin oder dem Minister zu tun, denn das ist ein langer Prozess:

Wenn Sie dasselbe für Milchvieh machen, sagt man: Na ja, das ist ja ein Boxenlaufstall mit Spaltenböden. Wenn Sie da auf Strohhaltung umstellen und einen Tretmiststall machen, zahlen wir 80 Euro pro Kuh. Wenn Sie das Ganze für Mastbullen machen, kriegen Sie noch 280 Euro pro Tier.

Das ist eine Ungerechtigkeit: Für die Tiere, die vom Vollspaltenboden heruntergeholt werden, zahlen wir eine besonders hohe Prämie. Denjenigen, die vorher schon alles richtig gemacht haben, sagt man: Das habt ihr ja immer schon so gemacht; euch zahlen wir nicht so viel.

Vergleichen wir das in der Summe nur mal mit den Milchkühen: 80 Euro Förderung, wenn man auf Strohhaltung geht, plus 50 Euro für Sommerweidehaltung. Wir wissen alle: Sommerweidehaltung kann der Mutterkuhhalter auch nicht beantragen. Das heißt, eine Förderung für Sommerweidehaltung kriegen Sie, wenn Sie Milchkühe vorher eben nicht mehr auf die Weide lassen. Dann kriegen Sie zur Belohnung, dass Sie das wieder tun, auch noch Geld, aber den Mutterkuhhaltern sagen Sie: Na ja, ihr macht das ja sowieso schon.

Sie haben also aus der Milchviehhaltung Prämienansprüche von 130 Euro pro Kuh, wenn Sie beides machen. Sie kriegen als Mutterkuhhalter die 50 Euro bei Haltung auf Stroh, die ich eben genannt habe. Wenn Sie 130 Euro minus 50 Euro rechnen, haben Sie das, was wir jetzt als Weidetierprämie an die Mutterkuhhalter ausschütten, noch nicht mal ausgeglichen.

Das besondere Problem, das mich am Ende am meisten ärgert, ist aber, dass wir eine bessere Vergütung des Produktes brauchen. Es ist ärgerlich, dass das Fleisch aus der Mutterkuhhaltung völlig undifferenziert neben dem Fleisch aus der intensiven Bullenmast auf Vollspaltenboden und Maisbasis liegt.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt. – Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur‑ und Verbraucherschutz: Ja!)

Da muss sich was ändern. Wenn wir da was hinkriegen, sind wir einen Schritt weiter. Das würde gerade der Mutterkuhhaltung ganz besonders helfen.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Den Antrag an sich unterstützen wir aber, weil er ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der CDU)

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