Mehrdad Mostofizadeh: „Ich erwarte jetzt einen klaren Fahrplan vom Minister“

Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zur Impfung von Kindern und Jugendlichen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das waren hier schon zwei beeindruckende Auftritte der Kolleginnen der Regierungsfraktionen –

(Zuruf: Allerdings!)

wobei ich Frau Kollegin Schneider zugestehen will, dass sie sich wirklich sehr zur Sache geäußert hat. Frau Kollegin Quik hat hingegen aus einer AGS-Sitzung berichtet, und offensichtlich wurde ihr falsch zugetragen, was da gelaufen sein soll.

Wir haben im AGS tatsächlich die Frage aufgeworfen, wie es jetzt mit der Impfkampagne für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren aussehen sollte. Die Antwort war – ich fasse das einmal mit meinen Worten zusammen –: Wir gucken einmal in alle Bereiche, wie es gehen könnte.

Frau Kollegin Quik, Sie haben hier auch die Spannbreite aufgemacht. Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Herr Fischbach, sagt, alle Kinder und Jugendlichen sollten in den Praxen geimpft werden. Andere sagen, es sei besser, eine Reihenimpfung zu machen. Wieder andere sagen: Na ja, ob wir überhaupt impfen sollten, ist gar nicht so sicher. – Der Chef der Ständigen Impfkommission, Herr Mertens, der in diesem Zusammenhang ja nicht ganz irrelevant ist, sagt, es sollten zunächst einmal nur diejenigen Kinder und Jugendlichen geimpft werden, die eine Vorerkrankung haben, weil die Relation zwischen Nutzen und Schaden bei der Impfung bei Kindern und Jugendlichen deutlich geringer sei als bei Erwachsenen, insbesondere bei Hochaltrigen.

Dann wäre es jetzt natürlich die Aufgabe der Politik und insbesondere der Regierung, Entscheidungen zu treffen. Denn natürlich gibt es dieses Spektrum. Dann muss man sich auch entscheiden.

Der Ministerpräsident hat heute Morgen – anders als die Kollegin Quick – gesagt, dass man noch bis zu den Sommerferien – nicht bis zum Ende der Sommerferien – mit einer groß angelegten Impfkampagne der Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren beginnen und ein Impfangebot möglichst – er nahm die Worte in den Mund – vor den Sommerferien machen wolle. Er führte auch aus, dass wir neben Schleswig-Holstein als Erstes dran sein wollten, weil wir mit zu den ersten gehören, bei denen die Sommerferien starten. Das passt nicht mit dem zusammen, was Sie hier vortragen.

Den Anwurf an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, dass die falschen Fragen gestellt würden – das sind übrigens keine Fragen, sondern Aufforderungen an die Landesregierung –, halte ich auch für falsch. Ich kann an der Stelle nur sagen: Frau Kollegin Schneider, ich teile das, was Sie gesagt haben, in Teilen ausdrücklich nicht. Wir reden ja nicht von Impfzentren, zu denen Kinder ohne Vorwarnung hingeschickt werden sollen, sondern man muss sich pragmatisch überlegen, wie das stattfinden kann.

Natürlich stelle ich es mir nicht unbedingt wie in den 60er Jahren vor – da galt ein anderes Regiment. Aber warum soll man eine solche Impfkampagne denn nicht in Aufklärungsgesprächen mit Unterstützung von Ärztinnen und Ärzten in der Schule vorbereiten? Warum soll man sie dort nicht über Risiken und Nebenwirkungen der Impfung informieren? Auch in einem Impfzentrum muss man einen Nachweis darüber vorlegen.

Egal, wie man sich am Ende entscheidet: Es wird ein erheblicher Aufwand auf uns zukommen, denn es muss mit den Eltern gesprochen werden. Wir wissen, dass 40 % der Kinder und Jugendlichen in bunten Familienzusammenhängen leben, sodass man den Vater, die Mutter und die Zustimmungspflichtigen erst mal finden muss. Das ist ein ganz erheblicher Aufwand. Deswegen finde ich es richtig, bereits heute sehr klare Überlegungen anzustellen, wenn man das denn machen möchte. Ob der Antrag jetzt notwendig ist oder nicht, darüber kann man streiten, aber ich sehe ausdrücklich, dass wir jetzt klare Antworten brauchen. Wir müssen uns jetzt auch entscheiden, in welche Richtung wir gehen.

Ich kenne es von der Frage der Impfungen bei Betriebsärzten: „Keine Impfung ohne Impfstoff“ ist eine ganz banale Ansage. Bis jetzt wissen wir nicht – zumindest hat der Minister dazu im Ausschuss nichts sagen können, nicht weil er dazu kognitiv oder intellektuell nicht in der Lage wäre, sondern weil er schlichtweg keine Ansagen aus Berlin hat –, ob es Impfstoff gibt, um diese Kampagne zu machen oder nicht.

Wenn der Ministerpräsident sagt, ich setze mich dafür ein, zusätzlichen Impfstoff zu bekommen, frage ich mich, wie. Denn ich weiß aus Besprechungen mit den Kommunen, dass den Impfzentren zunehmend der Impfstoff ausgeht. Selbst bei den Hausärzten – in den Impfzentren sowieso nicht – ist AstraZeneca nicht mehr vorrätig und Impftermine müssen abgesagt werden, weil Impfstoffe fehlen. Wir wollen diese Kampagne nicht leerlaufen lassen. Deswegen fände ich es schon angemessen – ich hoffe, der Minister wird dazu gleich einiges sagen können –, zu erkären, wie wir das machen wollen: Sind wir der Meinung, dass 12- bis 16-Jährige geimpft werden sollen?

Frau Quick, es ist doch eine Banalität, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass es ein zugelassener Impfstoff sein muss. Alles andere wäre rechtswidrig. Natürlich muss es ein zugelassener Impfstoff sein, sonst dürfte er gar nicht verimpft werden. Erste Ansage also: zugelassener Impfstoff.

Es muss vernünftig vorbereitet werden. Die Zustimmungserklärung und die Aufklärungskampagne – gerade auch in den vulnerablen Stadtteilen – muss jetzt vorbereitet werden. Wenn wir das zum Erfolg führen wollen, dann wäre ich sehr dankbar, wenn wir heute und diese Woche klare Ansagen der Landesregierung bekämen, was genau wir machen werden.

Letzte Bemerkung – denn es ärgert mich ein Stück und hat mich auch schon heute Morgen beim Ministerpräsidenten geärgert –: In der letzten Plenarsitzung erklärte der Ministerpräsident – wahrscheinlich, weil ihm das Wasser bis zum Hals steht –: Das sind keine parteipolitischen Auseinandersetzungen. – Genau das jetzt zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung zu machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist falsch. Hier muss fachlich sauber entschieden werden. Wir reden über Kinder zwischen 12 und 16 Jahren. Wenn das erste Kind an einer Impfung verstirbt, wie groß ist denn dann das Geschrei?

Also: Vernünftig vorbereiten und vernünftig die Abwägung treffen. Die Landesregierung muss jetzt sehr sauber erklären, wie sie diese Kampagne angehen will. Wenn man vor den Ferien anfangen und bis Ende der Ferien – wie es die FDP verkündet hat – die Immunisierung haben will, dann muss man vorher anfangen. Denn es sind nur sechs Wochen bis zum Ende der Ferien.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Deswegen erwarte ich jetzt einen klaren Fahrplan vom Minister und danke für die Aufmerksamkeit. Wir werden dem Antrag zustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)