Mehrdad Mostofizadeh: „Sie betrügen die Kommunen um den wohlverdienten Ausgleich ihrer Kosten“

Zum Entwurf der GRÜNEN im Landtag für ein Flüchtlingsaufnahmegesetz - zweite Lesung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hätte nicht gedacht, dass der Kollege Franken seinen Redebeitrag mit solch einer Infamität gegenüber den Kommunen und gegenüber dem Parlament hier heute vorträgt. Er hat allen Ernstes den Kommunen vorgeworfen, dass sie keinen Gesetzentwurf zur Lösung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes vorgelegt hätten und es deswegen so lange dauere. Schämen Sie sich eigentlich nicht, einen solchen Beitrag hier im Landtag von Nordrhein-Westfalen abzuliefern?

(Beifall von den GRÜNEN)

Im November 2018 lag das Gutachten vor. Die Erkenntnislage war ausgebreitet, und wie das alte Flüchtlingsaufnahmegesetz zu ändern war, war völlig klar.

Und Sie verbreiten auch noch Fake News, Herr Franken. Gucken Sie doch in den Gesetzentwurf rein. Natürlich verhalten wir uns zu den Geduldeten. Das hat der Kollege Lenzen von der FDP eben auch schon ausgeführt. Wir haben nämlich vorgeschlagen, auch die in die Finanzierung mit reinzunehmen. Ich sage Ihnen auch, vor welchem Hintergrund wir das vorgeschlagen haben:

Wir müssten uns über diesen Sachverhalt gar nicht unterhalten, wenn die Geflüchteten genauso unter die Sozialgesetzgebung fallen würden wie andere. Dann müssten wir nicht die Kommunen alimentieren. Dann wäre es ein ganz normales Verfahren. So nutzen Sie es gleich zweifach aus: Sie stellen die Menschen schlechter, und Sie stellen auch noch die Kommunen schlechter.

Herr Lenzen hat auch noch ausgeführt, Sie machen das bewusst. Sie wollen die Kommunen nämlich gängeln und ihnen vorwerfen, sie seien schuld daran, dass die Menschen, die angeblich ausreisepflichtig werden, nicht ausreisen. Sie würden von den Kommunen quasi von der Ausreise abgehalten, weil diese sich nicht darum kümmerten. Deswegen müsse man in das Flüchtlingsaufnahmegesetz mal so ein paar Schranken bei der Finanzierung für den Fall einbauen, dass sie das nicht machen.

Das ist doch alles nicht sachgerecht. Sie winden sich, und Sie sind nicht bereit, den Kommunen das Geld zu überweisen, das ihnen ehrlich zusteht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Ich sage Ihnen das auch mal vor folgendem Hintergrund: Haben Sie mal in den Haushalt von Nordrhein-Westfalen geguckt? Für die Geflüchteten zahlt das Land Nordrhein-Westfalen seit Jahren über 2 Milliarden Euro weniger als 2016 und 2017. Sie haben sich an der Stelle auch noch massiv konsolidiert und behaupten jetzt allen Ernstes, dass es nicht möglich sei, den Kommunen das Geld zu überweisen, das ihnen zusteht.

Wie gehen Sie eigentlich mit Ihren eigenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern um? Ich weiß das, weil ich mich im Kommunalwahlkampf letztes Jahr intensiv damit auseinandergesetzt habe. Ich weiß auch, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der CDU alles andere als erfreut sind. Damit ist auch Ihr Auftritt zu erklären, Herr Franken. Sie kriegen Druck von unten und müssen erklären, warum der Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen in Verbindung mit dem Finanzminister an dieser Stelle nicht handelt. Das ist nämlich ganz klar gegen die Interessen auch Ihrer eigenen Partei. Das ist nicht in Ordnung. Was Sie hier abliefern, ist ein Schlag ins Gesicht der Kommunen von Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Zur Chronologie: Wir haben 2015 das Flüchtlingsaufnahmegesetz in Abstimmung mit den Kommunen, mit den kommunalen Spitzenverbänden novelliert. Da war es sehr klar formuliert. Wir haben eine Pauschale von 866 Euro pro Monat festgelegt. Wir haben sofort ein Gutachten vereinbart, in dem rausgefunden wird, wie die tatsächlichen Kosten sind. Dieses Gutachten hat Herr Lenk vorgelegt. In dem Gutachten steht ziemlich klar, wie groß die Unterschiede in Nordrhein-Westfalen sind. Es beginnt bei rund 10.000 Euro, also ungefähr der Summe, die damals im Gutachten für kleine Städte mit niedrigeren Wohnkosten und anderen Kosten stand, und reicht bis zu Städten wie Köln, wo wahrscheinlich eine Pauschale von 15.000, 16.000 oder sogar 17.000 Euro erforderlich wäre.

Weil Sie nicht gehandelt haben – das haben Sie ja quasi zugegeben –, weil der Integrationsminister nichts vorgelegt hat, weil der Finanzminister immer auf der Bremse steht, haben die kommunalen Spitzenverbände – das ist einmalig in Nordrhein-Westfalen – einen eigenen Vorschlag vorgelegt, obwohl sie natürlich unterschiedliche Interessen haben. Der Städte- und Gemeindebund hat natürlich andere Interessen als der Städtetag, weil er auch andere Kosten hat. Trotzdem haben die es geschafft, einen Vorschlag zu machen. Dann dauerte es noch mal zwei Jahre, bis heute ein Referentenentwurf kommt. Jetzt sagen Sie, es wäre schnell gehandelt worden. Das war ungefähr so schnell wie bei der Grunderwerbsteuer, zu der Sie seit vier Jahren keinen Vorschlag vorgelegt haben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Eines ist klar: Sie handeln nicht, Sie betrügen die Kommunen um den wohlverdienten Ausgleich ihrer Kosten. Das hat auch eine Folge, nämlich diese Partei, die hier rechts sitzt und eben schon dazwischengerufen hat. Die wird nämlich sagen: Es sind die Geflüchteten, weswegen die Städte und Gemeinden nicht mehr investieren können. Die kriegen das Geld vom Land nicht. Städte und Gemeinden müssen konsolidieren und auf Ausgaben für Integration, für Bildung, für bessere Maßnahmen verzichten, weil das Land nicht bereit ist, ihnen die Kosten auszugleichen.

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag: Gehen Sie von der ganzen ideologischen Rhetorik weg. Geben Sie sich einen Stoß und stimmen Sie einfach heute dem Gesetzentwurf zu. Dann muss der Integrationsminister auch nicht mehr weiterarbeiten. Dann haben wir eine klare Linie hier im Haus und eine klare Perspektive für die Kommunen für das nächste Jahr. Ansonsten werden das die Wählerin und der Wähler entscheiden müssen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)