Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Situation von Kindern und Jugendlichen in der Pandemie ist besonders schwierig. Das haben wir nicht zuletzt heute an vielen Stellen diskutiert, und wir werden es auch morgen wieder sehr ausführlich diskutieren.
Insbesondere ist ihre Situation auch deswegen so schwierig, weil ihre Lebenswelten in besonderem Maße eingeschränkt sind und wichtige Entwicklungsschritte, wichtige Phasen in einem jugendlichen Leben im Moment nur sehr eingeschränkt nachvollzogen werden können. Für uns ist das vielleicht nicht so schlimm, wenn eine Geburtstagsfeier mal ausfallen muss. Aber der 18. Geburtstag ist eben nur einmal im Leben oder eine Abitur- oder andere Abschlussfeier, die man nicht feiern konnte. Das ist etwas, was einen prägt, und zwar nicht unbedingt im positivsten Sinne.
Schülerinnen und Schüler, darunter verstehen wir jetzt meistens Kinder und Jugendliche, und so erscheint es auch in Ihrem Antrag. Aber Kinder und Jugendliche sind mehr als Schülerinnen und Schüler. Darauf geht Ihr Antrag leider nur in der Überschrift ein.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])
In der Überschrift wird noch suggeriert, es gäbe noch Lebenswelten jenseits der Schule, auf die eingegangen werden müsste. Dann kommt aber nichts mehr.
Ich finde, es ist sehr schade, dass Sie gar nicht weiter darauf eingehen; denn das ist das, worauf wir uns eigentlich mehr konzentrieren müssten. Denn beispielsweise auf die JuCo-Studie, die im Übrigen mal Jugendliche selbst befragt, gehen Sie in Ihrem Antrag nicht ein. Auch in Ihrer Rede sind Sie nicht darauf eingegangen. Sie wollen die Kinder und Jugendlichen sozusagen wieder in die Freiheit holen, aber dann zitieren Sie nur Elternbefragungen.
Ich finde, da sollte man die Jugendlichen selbst zu Wort kommen lassen. Die Jugendlichen haben bei den Befragungen sehr deutlich gemacht, dass sie vor allem als das gesehen werden wollen: als junge Menschen, als Jugendliche, nicht nur als Schülerinnen und Schüler. Das, was sie am schlimmsten finden, ist, dass sie das Gefühl haben, dass sie auf diese Rolle reduziert werden, dass man sie nicht hört, dass man sie nicht sieht und dass man auch nicht darauf hört, dass sie Expertinnen und Experten in eigener Sache sind.
Sie wollen ernst genommen werden, und sie wollen in den Diskussionen – und das macht Ihr Antrag auch schon wieder – nicht nur problematisiert und pathologisiert werden, sondern sie wollen mit ihren Stärken und Ideen, die sie als Expertinnen und Experten in eigener Sache einbringen könnten, ernst genommen werden.
(Helmut Seifen [AfD]: So ist es! Genauso ist es!)
– Nein, Herr Seifen, Ihr Antrag geht nicht darauf ein.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])
Ja, Sie sprechen in Ihrem Antrag durchaus Punkte an, die in Bezug auf die Unterstützung bei Lernrückständen, in Bezug auf die Begleitung von Jugendlichen, die Aufarbeitungsprozesse zu durchlaufen haben, in Bezug auf Prüfungsanforderungen usw. zu diskutieren und zu klären sind.
Was wir nicht brauchen – darauf hat Frau Müller-Rech schon hingewiesen –, ist die Diskussion um Samstagsunterricht. Das gehört nicht zu den Dingen, die wir diskutieren müssen. Aber die Frage nach Freiräumen und Selbstbestimmung ist, glaube ich, bei der AfD auch nicht gerade am besten aufgehoben.
(Lachen von Helmut Seifen [AfD])
Eines erschüttert mich besonders an diesem Antrag. Da wird ganz viel an Studien und Material zusammengetragen. Das ist ja vielleicht noch irgendwie nachvollziehbar. Dann zitieren Sie irgendwie krude in der Gegend herum. Aber gut. Was wir Ihnen aber nicht durchgehen lassen werden, und was wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen wollen, ist Ihr Versuch, Kinder und Jugendliche für Ihre gefährliche Verharmlosung, für Ihre Verfälschungen und für Ihre Verschwörungstheorien zu instrumentalisieren.
(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
In Ihrem Antrag ist von angeblichem Schutz die Rede. Angeblicher Schutz! Es geht nicht um die Frage eines angeblichen Schutzes; denn der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist unsere Verantwortung. An dieser Stelle agieren Sie doch nur verantwortungslos.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE], Regina Kopp-Herr [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] – Zurufe von der AfD)
– Sie können rumschreien, wie Sie wollen; denn die Fakten widerlegen Sie doch. Schauen Sie sich doch einfach die aktuellsten Zahlen des RKI an. Es geht nicht um angeblichen Schutz. So schrecklich das ist: Die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen steigen,
(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])
und damit leider auch die Anzahl der Krankheitsverläufe. Und wir wissen noch nicht, welche langfristigen Auswirkungen das auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat.
Aber es wird ja noch besser. Was Sie in Ihrem Antrag vortragen, ist ja nicht nur verharmlosend, sondern es wird noch besser. Sie schreiben hier auch von „faktensicheren Informationen über den statistischen Wert der jeweils über die öffentlichen Kanäle verbreiteten Zahlen“.
(Helmut Seifen [AfD]: So ist es!)
Da strahlt wieder die ganze Palette der Zweifel an Fakten, der Zweifel am öffentlichen Rundfunk heraus. Es mag sein, Herr Seifen und die gesamte AfD-Fraktion, dass Ihnen Fakten und evidenzbasierte Berichterstattung in der Pandemie und außerhalb der Pandemie ein Dorn im Auge sind. Aber wir nutzen Fakten und evidenzbasierte Berichterstattung als Grundlage demokratischer Bildungsprozesse, und wir nutzen sie als Grundlage politischer Entscheidungsfindung.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)