Mehrdad Mostofizadeh: „Unterstützen Sie die Kommunen, legen Sie ein besonderes Programm für die Obdachlosen auf“

Zum Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Schutz von Bewohner*innen kommunaler 8 Bewohnerinnen und Bewohner von kommunalen Gemeinschaftsunterkünften

Mehrdad Mostofizadeh

Der Antrag

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich muss jetzt anfangen und den Gesundheitsminister loben.

(Zuruf: Er hört gar nicht zu!)

– Er hört gar nicht zu? – Herr Minister, ich wollte Sie loben, weil Sie letztes Jahr einiges für die Obdachlosen getan haben, weil Sie ein 500.000-Euro-Programm aufgelegt haben, um auf die Coronapandemie zu reagieren.

Ich muss zugeben, dass der Antrag nicht mit dem ersten Blick auf Nordrhein-Westfalen entstanden ist, sondern weil wir nach Hamburg geguckt haben. Allein in diesem Jahr sind in Hamburg ein Dutzend Menschen durch die Kälte erfroren. In Nordrhein-Westfalen gab es leider auch einige Fälle – deutlich weniger, Gott sei Dank, aber jeder Fall ist ein Fall zu viel.

Wir haben Sie auch an anderer Stelle schon gelobt für das Programm „Housing First“, bei dem Sie aktiv waren.

Allerdings stellt sich die Situation – das mussten wir sowohl im Integrationsausschuss als auch im Sozialausschuss feststellen – so dar, dass die Räume viel zu eng sind. Die Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften sind nun einmal enger zusammen; das ist eine Binsenweisheit. Bei den Obdachlosen kommt noch ein zweiter Faktor hinzu: Sie sind nicht homogen.

Die Geflüchteten sind noch einigermaßen homogene Gruppen. Deswegen gab es richtigerweise ein Programm, dass Geflüchtete in Jugendherbergen oder in anderen Unterkünften dezentral untergebracht wurden.

Diese Programme laufen jetzt aus. Insofern müssen wir handeln, weil die Pandemie weiterhin da ist und nicht genügend Impfstoffe vorhanden sind, um die Menschen umfassend impfen zu können.

Viele Obdachlose meiden die Einrichtungen, weil sie selbst Angst vor Ansteckung haben und weil die Situation – das haben wir vielfach für die bürgerliche Normalgesellschaft diskutiert – gerade für Obdachlose in besonderer Weise psychisch belastend ist: Wie soll man sich nach Hause zurückziehen, wenn man kein Zuhause hat?

Insofern ist dieser Antrag gar nicht darauf angelegt, jemandem einen Vorwurf zu machen. Das möchte ich an der Stelle ausdrücklich sagen. Aber wir müssen an das anknüpfen, was da ist, und wir müssen es besser machen. Wir sollten nicht zwischen Land und Kommunen unterscheiden.

Wenn es auf Landesebene ein vernünftiges Programm gibt, das Standards setzt, das einen Rahmen dafür setzt, wie in Geflüchteteneinrichtungen vorzugehen ist, dann wäre es bei der Bekämpfung der Pandemie doch klug, genau diese Konzepte auch kommunal umzusetzen, diese den Kommunen anzubieten und sie zum Standard in den Kommunen zu machen. Mit Landesgeld und Landesunterstützung können wir die Kommunen so in die Lage versetzen, das in den Obdachloseneinrichtungen umzusetzen.

Das möchten wir mit diesem Antrag sehr konkret umsetzen. Jetzt kommen vielleicht wieder Reflexe von CDU und FDP, und es heißt – was man bei einem Oppositionsantrag üblicherweise tut –: Ja, das machen wir schon alles. Was der Mostofizadeh am Anfang ausgeführt hat, das hat der Stamp doch schon gemacht. Der Stamp – das war ohnehin ein beeindruckender Auftritt vorhin bei unserem Antrag –, der zu den weltbesten Familienministern überhaupt gehören muss, macht das schon alles. – Ich sage Ihnen: Machen Sie es weiter! Machen Sie es besser! Denn jetzt laufen die Verträge aus. Es wäre ein Fehler, die Menschen jetzt wieder in den Gemeinschaftsunterkünften eng zusammenzubringen.

Das wäre auch für die Bekämpfung der Pandemie ein massiver Rückschritt. Denn wenn es – wie in Köln geschehen – zu einem Ausbruch in einer solchen Einrichtung kommt, bleibt der natürlich nicht auf die Einrichtung beschränkt, sondern geht auch ins Umfeld. Die Menschen draußen stecken sich an. Es kommt zu unkontrollierten Ausbrüchen, weil wir keine Adressen haben, die diesen Menschen zuzuordnen sind.

Deswegen kann ich nur appellieren: Liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen Sie nicht in den üblichen Reflex! Stimmen Sie unserem Antrag zu! Bringen Sie mit diesem Antrag die Landesregierung mit auf den Weg, Konzepte zu entwickeln und genau das umzusetzen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn Sie Ihre eigenen Ansprüche ernst nehmen, dann schauen Sie in den Antrag. Da steht nicht drin, dass alles falsch und die Landesregierung rückständig ist, sondern wir sagen sehr konkret:

Unterstützen Sie die Kommunen, legen Sie ein besonderes Programm für die Obdachlosen auf, und sorgen Sie dafür, dass bei den Impfprogrammen der Impfstoff auch zum Menschen oder der Mensch zum Impfstoff kommt. Das ist schon so schwierig genug – darüber haben wir ausführlich diskutiert –, aber gerade bei Menschen, die keine Adresse haben, bei denen die Vorerkrankungen unklar sind und die sich nicht so oft untersuchen lassen, müssen wir vermehrt hinsehen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns dieses Programm genau an dieser Stelle unterstützen. Ich sage als Oppositionspolitiker, dass wir auch gerne die Landesregierung unterstützen. Wir müssen hier handeln. Es geht um einen sehr sensiblen Bereich, der uns sonst vor die Füße fällt. Deswegen bitten wir um Unterstützung und Zustimmung zum Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)