Matthi Bolte-Richter: „Es gilt nach wie vor: Wer hat, dem wird gegeben“

Zum Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Digitalisierung der Arbeitswelt

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist ein bisschen die Reunion der Enquetekommission I dieser Legislaturperiode; das ist auch schön. Es ist richterweise betont worden, dass wir uns in der Enquetekommission „Digitale Transformation der Arbeitswelt in Nordrhein-Westfalen“ an sehr vielen Stellen einig waren und durchaus gute gemeinsame Ergebnisse erzielt haben.

Bei der Weiterbildung – es ist eben schon angesprochen worden – stellt sich die Frage: Welches Finanzierungsmodell hätten Sie denn gern? Diese Frage haben wir lange diskutiert und konnten uns nicht einigen. Es gab aber ansonsten sehr viel Verständigung, vor allem dass es sich bei Weiterbildung um ein Megathema handelt, das eigentlich alle Menschen betrifft, weil sich unsere Welt im Wandel befindet und es wichtig ist, sich immer wieder darauf einzustellen, immer wieder weiterzukommen und sich weiterzubilden.

Wir sehen aber, dass die öffentlichen Ausgaben für die Weiterbildung insgesamt stagnieren. Wir sehen ein Zugangsproblem. Es gilt nach wie vor: Wer hat, dem wird gegeben. – Hochschulabsolventinnen und Hochschulabsolventen nehmen heute dreimal häufiger an Weiterbildungen teil als Menschen ohne Berufsausbildung. Das ist kein Angebotsproblem, sondern ein Problem der Zugänge. Dieses Problem müssen wir adressieren, denn letztlich ist dieser Zustand ungerecht. Er schadet dem Aufstiegsversprechen, und er schadet letztlich auch der Wirtschaft.

Es ist gut, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihren Beitrag leisten, damit es in der Weiterbildung Angebote gibt und die Weiterbildung in Deutschland vorankommt; ich glaube, darüber gibt es hier keinen wirklichen Dissens. Das können die einen ein bisschen stärker betonen und die anderen vielleicht ein bisschen weniger, doch es gibt keinen grundsätzlichen Dissens.

Was kommt konkret raus? Was steht jetzt eigentlich konkret auf der Agenda? – Die Nationale Weiterbildungsstrategie ist angesprochen worden; sie ist im Antrag ein großes Thema. Die Idee, mehr Übersicht und mehr Transparenz in der Weiterbildungslandschaft zu schaffen, ist selbstverständlich ebenso zu begrüßen wie die nationale digitale Plattform für berufliche Weiterbildungsangebote, die in der Weiterbildungsstrategie auch adressiert ist.

Wir sehen durchaus kritisch, dass sich die Nationale Weiterbildungsstrategie an dieser Stelle wirklich auf eine berufliche Weiterbildung beschränkt. Es wäre wünschenswert, ein breit angelegtes Weiterbildungsportal zu schaffen, das berufliche, akademische und non formale Angebote aufzeigt. Dann hätten wir letztlich nicht nur für die Unternehmen, sondern für alle Menschen einen Gewinn, die sich in irgendeiner Form für Weiterbildung interessieren.

Genau da ist eben der Fokus der Nationalen Weiterbildungsstrategie zu eng, die sich zu stark auf den betrieblichen Bereich fokussiert. In der Großen Koalition ist gerade auf diesem Themenfeld, das uns hier sehr intensiv umgetrieben hat – nämlich die Digitalisierung der Arbeitswelt und der Wandel der Industrie, der Wandel der Beschäftigungsbedingungen –, zu lange zu wenig passiert. Gute Maßnahmen sind durchaus an vielen Stellen in der Nationalen Weiterbildungsstrategie enthalten, aber die große Gesamtvision fehlt eben. Die Wahlperiode im Bund ist nun fast zu Ende, und es fehlen noch wesentliche Elemente.

Die finanziellen Rahmenbedingungen der akademischen Weiterbildung müssen dringend verbessert werden. Das Land muss diesen Bereich durch Zuschüsse günstiger ausgestalten. Dass wir immer noch Unsicherheiten über die staatliche Förderung haben, geht vor allem auf das Konto der Großen Koalition.

Bei Ihrer Forderung im Antrag nach flexiblen Studienstrukturen an den Hochschulen bleibt ein bisschen kryptisch, was Sie genau damit meinen; da kommt das Akademiestudium wieder.

Es ist interessant, dass der Antrag komplett verschweigt, dass wir mit der FernUniversität in Hagen eine ganz zentrale Einrichtung für Auf- und Weitersteiger in unserem Land haben. Wenn CDU und FDP sich mal kurz erinnern, was sie dazu in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, wird ihnen vielleicht auch einfallen, dass sie das ganze Vorhaben „Open University“ nicht richtig umsetzen können, weil sie entweder zu knauserig sind oder das Thema nicht auf dem Schirm haben oder was auch immer.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Na, na, na!)

– Na ja, so richtig traue ich Ihnen auch nicht zu, dass da noch etwas kommt. Wer weiß – es ist ja noch ein bisschen Zeit.

Zum letzten Punkt in dem Antrag der Koalition: „Ersparnisbildung zu Bildungszwecken“ ist natürlich irgendwie gut. Es ist aber nicht das Instrument, das Durchschnitts- und Geringverdienerinnen und ‑verdienern oder ihren Kindern am Ende des Tages wirklich hilft. Wenn dieser Antrag politisch umgesetzt werden soll, dann müssen Sie da nachschärfen.

Ich habe jetzt am Ende ein paar kritische Punkte genannt, aber auch betont, dass wir uns an sehr vielen Stellen sehr einig sind. Insofern werden wir dem Antrag der Koalition zustimmen.

Zum Antrag der SPD: Man muss keine Widersprüche aufbauen, die nicht vorhanden sind; auch dieser Antrag adressiert absolut richtige Forderungen. Gerade der Block zum BAföG ist richtig. Wenn die SPD so schlaue Dinge zum BAföG aufschreibt, würde man sich manchmal wünschen, dass sie sich bei einer Regierungsbeteiligung, zum Beispiel an der Bundesregierung, dann auch für eine Änderung einsetzt.

In diesem Antrag stehen viele Themen. Unter anderem sollte die Altersgrenze angehoben werden. Das ist natürlich notwendig, und das würde auch den vielen berufsbegleitend Studierenden helfen. Die Zweitausbildung sollte BAföG-förderfähig werden. Insgesamt ist das BAföG-System – alle, die im Wissenschaftsbereich unterwegs sind, wissen das ganz genau – aber dringend reformbedürftig.

Dazu gehört eine Ausweitung, damit mehr Menschen gefördert werden können. Darüber hätte im SPD-Antrag noch ein Tickchen mehr stehen können, auch wenn das natürlich auf die Bilanz der Bundesregierung, an der die SPD beteiligt ist, negativ eingezahlt hätte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss: In diesen Anträgen sind viele Punkte adressiert, die sich primär auf die Bundesebene beziehen. Wenn man unter die Punkte an die Bundesebene, die kritisiert werden, einen Strich macht, führt das eigentlich an einer Stelle zusammen, nämlich bei Ministerin Karliczek. Dieser Kritik können wir uns jederzeit anschließen. Ich hoffe, dass die Zeit, in der die Weiterbildung, die Forschung und die Wissenschaft in der Bundesregierung eine so geringe Rolle spielen, nach der Bundestagswahl endlich vorbei ist. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)