Mehrdad Mostofizadeh: „Wir haben keine Rechtfertigung für Grundrechtseinschränkungen, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht machen“

Zu einem Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur digitalen Kontaktverfolgung

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rehbaum, vielleicht reden Sie nicht mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsausschuss, aber ich hatte schon letzte Woche Mittwoch im Ausschuss angekündigt, dass wir diesem Antrag zustimmen werden, weil er richtige Punkte anspricht, weil er in der Sache richtig ist und weil er natürlich auch die konsequente Fortführung des Zwischenrufs ist, den ich – ehrlich gesagt – schon wieder vergessen hatte, aber er ja nicht falsch ist, nämlich dass man es einfach machen muss.

Jetzt frage ich mich natürlich: Warum müssen die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auffordern, technische Einheiten zu entwickeln? War die Landesregierung nicht tätig? Hat Herr Pinkwart seinen Leuten verboten, bereits auf dem Markt befindliche Systeme wie „luca“ oder andere – die Kollegen von der SPD hatten ja einige Hinweise gegeben, dass es noch weitere gibt, die man einsetzen könnte – einzusetzen? Ich vermute, nein. Dafür ist er viel zu technikerfreut und -verliebt. Das kann ich mir alles nicht vorstellen.

Also gibt es an einer anderen Stelle ein Problem. Es wurde nicht systematisch in die Arbeit einbezogen. Da kann ich an einer Stelle an das anknüpfen, was Frau Kollegin Kapteinat gesagt hat. SORMAS zum Beispiel – das ist sehr klar erklärt worden – ist eine Aufgabe nach Weisung, die von den Gesundheitsbehörden vor Ort erfüllt wird. Also kann das Land natürlich – das ist nicht schön und sollte man auch nur in Ausnahmefällen tun – die Ämter anweisen. Aber darum geht es mir gar nicht.

Es geht mir um ein paar andere Punkte, weil da immer etwas zwischen Corona-Warn-App und den Aufgaben der Kontaktnachverfolgung vermischt wird. Ich würde es ausdrücklich begrüßen, dass zum Beispiel in dieser Warn-App des Bundes Informationen über den Impfstoff drin wären, dass AstraZeneca ein sehr guter Impfstoff ist. Wie ich gerade erfahren habe, wird die Ständige Impfkommission jetzt auch empfehlen, den für über 65-Jährige zuzulassen, was ausgesprochen klug und sinnvoll und hilfreich für unser Land und auch für die ganze Republik ist. Darüber hinaus sollte die App Hinweise geben, wie man einen Termin bekommen kann, dass man auch Doppeltermine bekommen kann, wie man zum Impfzentrum kommen kann. Verschiedenste Informationen sollten die leicht zugänglich und gut aufbereitet mit dieser App gegeben werden. Das wären alles Aufgaben, bei denen sich Herr Pinkwart und Gesundheitsminister Laumann durchaus tummeln und austoben könnten.

An der Stelle möchte ich – er ist jetzt nicht da; trotzdem wird man das übermitteln können – der Fachabteilung ein großes Lob aussprechen, die sich seit der letzten Ausschusssitzung Mühe gegeben hat, unsere rechtlichen Fragen zum Thema „App“ und gerade zu dieser Kontaktnachverfolgungs-App zu beantworten. Da ist es nämlich so, dass es rechtlich im Moment so aussieht, dass wir im Wesentlichen die Papierfassung vorschreiben und aus Sicht der Datenschützer mindestens eine Papierfassung möglich sein muss. Darüber kann man diskutieren, aber es gäbe ja auch Möglichkeiten, damit umzugehen, ein technisches Angebot zu machen.

Wenn ich in die Kneipe gehe, dann sieht man, dass ich in die Kneipe gehe. Das braucht man nicht zu verhüllen. Was verhüllt werden muss, ist natürlich, was da gesprochen wird. Darüber hinaus darf ich nicht fotografiert werden, nicht ausspioniert werden, und es darf nicht ewig aufgezeichnet werden. Das muss man irgendwann löschen, also spätestens nach drei Wochen, wenn jegliche Infizierung durch Kontakte unwahrscheinlich geworden ist.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Rehbaum?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Bitte schön.

Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Dann habe ich auch noch mehr Redezeit.

Vizepräsident Oliver Keymis: Wir halten die Zeit an.

Henning Rehbaum (CDU): Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.

Sie haben das große Thema „Datenschutz“ aufgemacht, das in all den Monaten, in denen wir schon eine appbasierte Verfolgung gefordert haben, immer ein Zankapfel war. Ist Ihnen bekannt, dass bereits am 17. Februar die Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg ihr Okay für die App „luca“ gegeben hat?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Kollege, das ist mir mit Datum nicht bekannt gewesen, aber ich sehe darin auch überhaupt kein Problem. Ich werbe ja genau dafür, das so zu veranlassen. Ich war gerade dabei, das zu erläutern. Deswegen ist es gut, dass ich auf Ihre Frage antworten kann. Ich bin ausdrücklich dafür, solche Systeme einzusetzen. Wer es nachlesen möchte: Im September letzten Jahres habe ich bereits im AGS ausgeführt, dass ich der Meinung bin, dass diese Zettelwirtschaft, die da auf den Tischen liegt, datenschutzrechtlich viel problematischer ist.

Wie ich jetzt in dem Vermerk des MAGS auch lesen durfte, war das schlicht rechtswidrig, weil sie natürlich Daten offen liegenließen. Das hat ja auch zu unschönen Situationen geführt, dass etwa Telefonnummern von Kellnerinnen oder von Besucherinnen genutzt wurden, um Kontakte anzubahnen, was ja – ehrlich gesagt – nun wirklich das Hinterletzte ist, was man tun kann. Es gab auch andere Geschichten.

Deswegen, Herr Kollege Rehbaum: Ich bin sehr dabei. Es muss datenschutzkonform sein. Ich bin kein Experte, kein Nerd in dem Zusammenhang, aber ich glaube, das kann man technisch lösen. Man könnte selbst die Schrift, das Papiererfordernis, möglicherweise dadurch in den Griff bekommen, dass man mit einer ID Card oder mit einem sonstigen System sozusagen eincheckt und dann die Nachverfolgung ermöglicht, mit verdeckten Daten, ohne Klarnamen. Das ist alles machbar, glaube ich. Dafür muss man technisch gute Lösungen machen.

Das habe ich im AGS im September letzten Jahres Herrn Laumann gesagt. Die Antwort von Herrn Laumann war: Ja, da sind wir noch nicht so weit. Wir sind noch bei der Technik des letzten Jahrhunderts.

Die Technik gab es schon. luca gibt es – Herr Pinkwart, vielleicht können Sie mir aushelfen –, ich glaube, spätestens seit November, ich vermute, sogar Oktober.

(Kopfnicken von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)

Technisch wäre das also machbar gewesen.

Ich habe ein bisschen den Eindruck, dass der Wille oder die Aufmerksamkeit – ich will ja gar nichts Böses unterstellen – für diese Lösung fehlt.

Sie haben uns Grüne ausdrücklich an Ihrer Seite, wenn es um technische Lösungen geht. Wir wollen das auch ausdrücklich mitverfolgen, mit weiterentwickeln. Deswegen stimmen wir auch dem Antrag zu.

Aber ich möchte noch zwei andere Aspekte ansprechen.

Ich hatte jetzt auch noch einmal die Informationsgeschichten angesprochen. Auch da kann ich dem Land nur empfehlen: Machen Sie Ihre Homepages besser. Zum Beispiel die Nachverfolgung der Erlasse ist nicht einfach. Die Coronaschutzverordnung kann man finden. Die Erlasse auf der Seite des MAGS sind nicht aktuell. Man weiß nicht, wer wann mit dem Impfen dran ist, wie die Reihenfolge hier in Nordrhein-Westfalen geregelt ist. Da kann man besser werden. Aber ich will gar nicht daran herummeckern.

Gucken wir nach vorne und auf die gestrige MPK: Dass Deutschland – meinetwegen beziehe ich die anderen Bundesländer da mit ein –, das Land der Dichter und Denker, ein Jahr nach Beginn der Pandemie nicht in der Lage ist, Schnelltests auf den Tisch zu legen, nicht in der Lage ist, die digitale Erfassung der Besucherinnendaten zu ermöglichen, und keine Schnittstellenproblematik lösen kann

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

und dass die Gesundheitsämter nicht ausreichend vernetzt sind, ist schon ein Stück weit ein Armutszeugnis.

Deswegen, Herr Kollege, stimmen wir auch diesem Antrag zu.

Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit zwischen den Ministerien Laumann und Pinkwart so gut ist, dass sie selbst auf die Idee gekommen sind.

(Heiterkeit von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)

Wenn nicht, ist das ein guter Anlass gewesen, das heute auf den Weg zu bringen.

Ansonsten: Wenn Sie weitere gute Ideen haben, unterstützen wir die gerne. Ich kann nur sagen: besser werden, besser machen.

Denn – das ist letztlich der Kern des Antrages, den wir dann ausdrücklich unterstützen – wir haben keine Rechtfertigung für Grundrechtseinschränkungen, wenn wir unsere Hausaufgaben nicht machen. Die müssen wir tatsächlich erledigen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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