Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Golland, ich muss bei Ihrer Rede hinten anfangen: Natürlich haben wir uns alle gemeinsam auf die Olympischen Spielen verständigt und gesagt, dass wir uns gut vorstellen können, die Olympischen Spiele im Jahr 2032 an Rhein und Ruhr zu holen.
Jetzt aber zu sagen, dass wir uns alle dahinter versammeln müssten und jetzt nicht die Gelegenheit für politische Geländegewinne sei, halte ich für den Versuch, Herr Golland, eine notwendige Diskussion über das Wollen von Sportgroßereignissen teilweise den eigenen politischen Geländegewinnen unterzuordnen.
(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Mittlerweile gibt es sechs gescheiterte deutsche Bewerbungen für Olympische und Paralympische Spiele, und zwar aus sehr unterschiedlichen Gründen – mal an negativen Bürgerentscheiden, und in diesem Fall sind wir überhaupt nicht aus den Startlöchern gekommen.
Nach so vielen gescheiterten Bewerbungen muss man aber selbstverständlich auch die Diskussion darüber führen, warum das eigentlich so ist, wie man das besser vorbereiten kann und an welchen Stellen man auch besser kommunizieren muss.
Damit komme ich genau dazu, woran es bei dieser Initiative gehapert hat: Wir alle hätten uns die Olympischen Spiele an Rhein und Ruhr vorstellen können. Wir alle mochten die Idee von nachhaltigen Spielen, von Spielen, die nicht diesem Gigantismus das Wort reden und Sportstätten bauen, und von Spielen, die sich wieder mehr an Sportlerinnen, Sportlern und Sportfans ausrichten.
Trotzdem muss man sagen, dass der paralympische und der olympische Traum an Rhein und Ruhr geplatzt und aus dem olympischen und paralympischen Traum schon lange vor der Eröffnungsfeier ein olympisches Debakel geworden ist. Elf Jahre vor den Olympischen Spielen steht jetzt fest: Wir werden die Olympischen Spiele nicht bekommen.
Wir können jetzt natürlich viel über das neue Vergabeverfahren des IOC reden. Ich persönlich würde mich Thomas Kutschaty anschließen: Transparenter ist das Verfahren ganz sicher nicht geworden. – Ob man das hätte erwarten können, ist eine andere Frage.
Offensichtlich gab es aber auch kommunikative Schwierigkeiten, die nicht in erster Linie, aber auch etwas mit dem IOC zu tun haben. Bei der Jahresauftaktpressekonferenz am Dienstag tritt der Ministerpräsident vor die Presse und sagt, in Bälde wären wir Bewerber. Nicht einmal 24 Stunden später macht das IOC den Sack zu und sagt, es hätte sich eigentlich für Brisbane entschieden. Ich frage mich: Wie konnte das passieren?
Auf der Pressekonferenz des Ministerpräsidenten am Freitag wird die Verantwortung hin und her geschoben und dem DOSB mangelndes Engagement unterstellt. Der Dachverband keilt postwendend zurück und fragt sich, ob man in NRW die Zeichen der Zeit nicht verstanden hätte. Alle sind irgendwie gegen das IOC. – Das spricht aus meiner Sicht für sehr vieles, aber nicht für gute Kommunikation und nicht für ein wirklich nachhaltiges Konzept. Es wirkt auch nicht so richtig wie olympischer Frieden.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt hat der DOSB tatsächlich Nägel mit Köpfen gemacht und gesagt, dass eine Bewerbung für 2032 aus seiner Sicht unter den derzeitigen Voraussetzungen unmöglich ist. Damit ist sicherlich sowohl der aktuelle Stand des Verfahrens seitens des IOC gemeint, aber auch die verfahrene Situation zwischen den Akteuren hier in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland.
Wann immer man gefragt hat, wie der Stand ist, wie konkret die Planungen sind, bekam man die Antwort: Es ist doch alles im Soll. Es ist doch alles ganz wunderbar. Wir haben Zeit. Alles, was wir zu diesem Zeitpunkt hätten planen müssen, haben wir auch alles gemacht. Land und Kommunen können ganz optimistisch sein. Das wird.
Ich frage mich: Wer hat denn eigentlich den Draht zum IOC gehalten? Wer hat mit dem Bund die notwendigen Verhandlungen geführt, ob es Finanzierungszusagen gibt? Wer hat denn mit dem DOSB um die Frage im Austausch gestanden: Wann muss denn jetzt welche Voraussetzung erfüllt sein? Denn der DOSB hat sehr klar gesagt, er macht sich nur dann auf den Weg, wenn es ein positives Votum seitens der Bürgerinnen und Bürger gibt. Zum einen kann man das nach den Erfahrungen, die er mit den Bewerbungen zuvor gemacht hat, vielleicht verstehen, zum anderen muss man natürlich auch sagen: Der DOSB hat nicht mit vollem Engagement und ganz heißem Herzen hinter dieser Bewerbungsidee gestanden. Aber auch da stellt sich die Frage, warum er das nicht getan hat. Eigentlich sollte eine Bewerbung für die olympischen und paralympischen Spiele aus dem Sport kommen und man nicht erst den Sport zum Jagen tragen müssen. Wer hat den engen Draht zum DOSB gehabt oder vielmehr: Wer hat dort eben nicht einen genügend engen Draht gehabt?
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben immer wieder gesagt: Voraussetzung für uns ist eine Bürgerbeteiligung und vor allem Transparenz in diesem ganzen Verfahren. Denn eine Bürgerbeteiligung, die anschließend eine informierte Entscheidung trifft, kann nur auf ganz transparenten Planungsschritten basieren. Und auch dort sind Hausaufgaben seitens der Landesregierung und seitens der Privatinitiative so nicht gemacht worden. Klare Verhältnisse zu Kosten, das wäre eine grundlegende Voraussetzung für eine informierte Entscheidung gewesen. Da geht es eben nicht nur um das Durchführungsbudget, da geht es auch um die Frage der Infrastrukturkosten, da geht es um die Frage: Gibt es eine Kostenzusage seitens des Bundes? Ist die Kostendeckelung für die Kommunen, also eine Absicherung, dass die Kommunen sich nicht auf ein finanzielles Harakiri einlassen, eigentlich sicher? All diese Fragen sind noch nicht beantwortet worden. Da wäre es seitens der Landesregierung wichtig gewesen, mit sehr viel mehr Hochdruck an der Beantwortung dieser Fragen zu arbeiten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Jetzt braucht es tatsächlich eine ehrliche Aufarbeitung. Sonst ist die Absage für die Olympischen Spiele 2032 auch eine dauerhafte Absage an Olympia und Paralympische Spiele an Rhein und Ruhr. Was ist an dieser Stelle tatsächlich schiefgelaufen? Wollen wir denn Olympische Spiele an Rhein und Ruhr haben? Was müssen wir dann besser machen?
Aber eines will ich auch sehr deutlich sagen: Die Olympischen und Paralympischen Spiele wären eine Chance für die Region gewesen. Ja, das haben wir alle miteinander so gesehen. Aber es ist nicht die einzige Chance für diese Region. Es ist jetzt wichtig, dass die Planungen zu moderner Mobilität, zu Digitalisierung, zu Wohnraumförderung, aber auch zu moderner Sportstätteninfrastruktur und die Unterstützung der Sportförderung auch im Breitensport mit aller Konsequenz weiter vorangetrieben werden. Es kann ja nicht sein, dass die Modernisierung unseres Landes daran hängt, ob wir Olympische und Paralympische Spiele austragen oder nicht.
Herr Ministerpräsident, Sie haben bei der Pressekonferenz gesagt, selbstverständlich kommt das jetzt alles. Da nehmen wir Sie beim Wort. Es wäre auch schön, wenn der Einstieg in moderne Mobilität, in eine moderne Stadtentwicklung, in die Digitalisierung nicht erst 2032 kommen würde. Wir brauchen jetzt ein modernes Nordrhein-Westfalen, und das völlig unabhängig von Olympischen und Paralympischen Spielen. -Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt ist der Ministerpräsident aus sehr nachvollziehbaren Gründen nicht mehr da, aber trotzdem will ich noch mal auf ein paar Sachen eingehen, die Armin Laschet hier gerade vorgetragen hat.
Das war ganz viel an Emotionen und Feuerwerk dafür, dass man an etwas festhalten will, dem der DOSB übrigens schon eine Absage erteilt hat. Das ist schon sehr bemerkenswert. Wenn man Armin Laschet zuhört, dann hat man das Gefühl, die Frage von Innovationen und Zukunftsvisionen hat in Nordrhein-Westfalen nur eine Verbindung und ganz enge Verknüpfung mit der Ausrichtung von Olympischen und Paralympischen Spielen. Ich glaube, das wäre, um ihn zu zitieren, unterkomplex an dieser Stelle.
Wir brauchen natürlich jetzt diese Innovationsimpulse. Wir brauchen jetzt die Zukunftsvisionen. Aber wenn sich diese nicht über Olympische Spiele realisieren lassen, wenn Olympische Spiele dafür kein Booster sein können, dann ist das zwar schade, aber darf nicht dazu führen, dass wir uns im Grunde genommen mit weniger Energie genau diesen Zukunftsaufgaben zuwenden. Da muss die Landesregierung jetzt ihre Energie reinstecken, anstatt weiter zu lamentieren, wer denn nun schuld gewesen sei, dass es die Olympischen Spiele 2032 an Rhein und Ruhr nicht geben wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Man muss auch sehr deutlich sagen, dass es mehr als große Worte braucht, als an 2032 festzuhalten. Der DOSB muss sich am Ende des Tages bewerben. Wenn der DOSB aber in einer Pressekonferenz öffentlich sagt, er werde sich für 2032 nicht bewerben, dann kann der Ministerpräsident hier noch so häufig sagen, dass man bereitstehe, wenn Brisbane doch nicht den Zuschlag erhalte. Wenn sich Nordrhein-Westfalen gar nicht bewirbt, weil der DOSB schlicht und ergreifend keine Bewerbung einreicht, dann werden die Olympischen Spiele auch nicht an Rhein und Ruhr stattfinden.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Man muss auch ganz deutlich sagen, dass die Hochglanzworte des Ministerpräsidenten kein tragfähiges Konzept ersetzen. Wir haben an vielen Stellen gehört, was alles für die Durchführung schon bereitstehe, beispielsweise 90 % der Sportstätten, und man müsse nur hier und dort noch etwas nachbessern. Ja, vieles davon ist für die Durchführung Olympischer Spiele sicherlich auch wichtig.
Aber an vielen Stellen gibt es noch Lücken. Als ein Beispiel nenne ich das Mobilitätskonzept. Rainer Bischoff hat auf das Sicherheitskonzept hingewiesen. Wo sollen Sportstätten, aber auch das olympische Dorf etc. angesiedelt werden? Wie ist es mit der Finanzierungszusage des Bundes usw. usf.? All diese Fragen sind überhaupt nicht geklärt gewesen, und dazu habe ich auch gerade nichts vom Ministerpräsidenten gehört.
Es reicht nicht, mit großen Worten zu beschreiben, man wolle wirklich so, so gerne Olympische Spiele. Dafür braucht es ein tragfähiges, ein transparentes und ein nachhaltiges Konzept.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Auch bei der Bürger*innenbefragung frage ich mich, ob sich die Landesregierung nicht vielleicht ein bisschen verrannt hat. Ich habe es vorhin schon ausgeführt: Für eine Bürger*innenbeteiligung und Bürger*innenbefragung hätte man schon jetzt deutlich mehr zu den Infrastrukturkosten, den Infrastrukturnotwendigkeiten etc. sagen müssen.
Wenn Sie jetzt sagen: „Ob zur Bundestagswahl oder zur Landtagswahl – wir werden eine Bürger*innenbefragung machen“, möchte ich wissen, wie denn dann die Frage lautet. „Liebe Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen, wollt ihr hier ganz grundsätzlich mal Olympische Spiele haben?“ halte ich für keine gute Fragestellung. Es geht nicht darum, ob sich die Leute emotional vorstellen können, hier die Spiele auszutragen, sondern es geht darum, dass man Ja oder Nein zu einem durchkalkulierten, zu einem transparenten und zu einem nachhaltigen Konzept sagen kann. Das muss die Fragestellung sein, sonst braucht es auch keine Bürger*innenbefragung.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich möchte noch kurz auf 2036 eingehen, weil darüber jetzt sehr breit diskutiert worden ist. Ich glaube, bei der Frage, ob Olympische Spiele 2036 in Deutschland stattfinden können oder nicht, geht es nicht um den Punkt, ob Deutschland im Jahr 2036 ein anderes Land ist als im Jahr 1936. Natürlich ist es ein anderes Land. Dieses Land ist demokratisch und weltoffen. Es ist ein Land, das sich sehr intensiv mit der Vergangenheit auseinandergesetzt hat. Das ist überhaupt keine Frage. Es ist auch keine Frage, dass Deutschland Sportgroßereignisse austragen kann.
Sehr wohl stellt sich die Frage, ob Olympische Spiele der richtige Rahmen sind, um über das zu diskutieren, was im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen 1936 immer noch besprochen werden muss. Ist das der richtige Rahmen für die Aufarbeitung der Verantwortung des Sports? Ist es der richtige Rahmen, um über Erinnerungskultur im Sport zu sprechen?
Ich will das gar nicht abschließend mit Ja oder Nein beantworten. Aber das ist die Diskussion, die man führen muss: Kann das im Rahmen von Olympischen Spielen einen Raum haben, der der Verantwortung und der Wichtigkeit dieser Themen entspricht, oder ist das vielleicht doch nicht der Fall? Dann müsste man die Frage anders beantworten. Darüber würde ich mir eine sehr viel differenziertere und auch eine weniger unterkomplexe Diskussion wünschen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und Ibrahim Yetim [SPD])