Josefine Paul: „Sie müssen in diesem Schuljahr unter Coronabedingungen mehr Flexibilität ermöglichen“

Unterrichtung der Landesregierung zu den Ergebnisse der Länderchef*innen mit der Bundeskanzlerin am 11.02.21

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Entschei­dende in dieser Krise sind doch klare Kommunikation und klare Erklärungen. Frau Ministerin Gebauer, ganz offensichtlich gibt es eine Diskrepanz zwischen dem Inzidenz-wert 35 für die Öffnungen von Handel etc. und dem Inzidenzwert von 50 für die von Ihnen gerade skizzierten Möglichkeiten zur Öffnung von Schulen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Ich dachte, Ihnen wäre Bildung auch wichtig!)

Das ist erklärungsbedürftig. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dass Sie das den Menschen auch gut erklären.

Deshalb ist für uns klar, dass wir auch bei einem Inzidenzwert von 50 nur bei Wechselmodel­len bleiben können.

(Beifall von den GRÜNEN)

Frau Ministerin, das hätten Sie im Übrigen schon sehr lange, über sehr viele Wochen und Monate hinweg, vorbereiten können. Dass Sie das jetzt tun, ist gut und richtig. Aber es ist eigentlich auch sehr spät.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ja, es ist richtig, dass es jetzt einen Vorlauf gibt und nicht am Freitagnachmittag per SchulMail mitgeteilt wird, was am Montag passiert. Diesen Vorlauf müssen Sie aber auch nutzen, um einen wirklich sehr klaren Rahmen zu definieren.

Dazu gehören auch flexible Lösungen für kleinere Lerngruppen, für mehr Räumlichkeiten und für eine andere Lernbegleitung, aber auch für Prüfungen, für die Individualisierung von Lern­zeiten und für Lerninhalte.

Liebe Frau Ministerin Gebauer, dazu habe ich Ihren Worten gerade nicht viel Hoffnungsvolles entnommen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Sie müssen die Schulen sowie die Schülerinnen und Schüler an dieser Stelle unterstützen. Sie müssen in diesem Schuljahr unter Coronabedingungen mehr Flexibilität ermöglichen.

Ein Weiteres: Es geht nicht nur um die Frage von Präsenzunterricht. Wir alle wollen natürlich – darüber sind wir uns einig –, dass die Kinder und Jugendlichen in die Schule gehen können. Kinder brauchen andere Kinder. Jugendliche brauchen andere Räume jenseits der eigenen vier Wände. Aber es geht eben nicht nur darum. Die bestehenden Lernrückstände können nicht allein durch die Frage von Präsenz oder Nichtpräsenz aufgefangen werden. Vielmehr muss hier mit einem Gesamtprogramm unterstützt werden.

Dazu gehört eine ausgeweitete Lernbegleitung.

Dazu gehört, auch die psychosozialen Folgen in den Blick zu nehmen. Wir alle haben gestern die COPSY-Studie zur Kenntnis genommen.

Dazu gehört, Ferienprogramme aufzulegen. Frau Ministerin, Sie sagten, Ihr Ferienprogramm sei kein Rohrkrepierer gewesen. Ich will Sie nur daran erinnern, dass auch dieses Programm wieder aus der Hüfte geschossen kurz vor Toresschluss kam und die Mittel zu einem großen Teil überhaupt nicht abgerufen worden sind.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das hier noch zu einem erfolgreichen Programm zu erklären, ist doch eine sehr eigene Wahr­nehmung der Lage.

Frau Ministerin Gebauer, nutzen Sie die Zeit, die Sie jetzt noch haben, um den Vorlauf für den Wechselunterricht vorzubereiten. Aber nehmen Sie gleichzeitig in den Blick, dass wir eine langfristige Förderung der Schülerinnen und Schüler brauchen, die unter großen Belastungen leiden – die einen vielleicht mehr psychosozial; die anderen haben vielleicht Lernrückstände. Das sind Ihre Hausaufgaben. Diese Hausaufgaben müssen Sie jetzt auch machen. – Herzli­chen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)