Verena Schäffer: „Lassen Sie uns gemeinsam an sinnvollen und wirksamen Maßnahmen zur Parlamentsbeteiligung arbeiten“

Entwurf der Fraktionen von CDU und FDP "Gesetz zur parlamentarischen Absicherung der Rechtsetzung in der COVID-19-Pandemie"

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich diese Debatte bisher nicht wirklich hilfreich gefunden habe. Jetzt müssen alle wieder von ihrem Pavianhügel herunterkommen. Dann können wir noch einmal darüber sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Denn das Anliegen teilen wir aus meiner Sicht.

Das Anliegen ist doch, dass wir das Parlament in dieser Krise stärken. Denn das Parlament ist der Ort, an dem die zentralen Debatten über diese Herausforderungen geführt werden müssen. Das gilt insbesondere in einer Krisenzeit.

Es geht hier nicht nur um die Debatte. Die Debatte haben wir ja schon gestärkt. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir die Unterrichtung durch die Landesregierung brauchen und die Diskussionen darüber brauchen. Das haben wir inzwischen auch erreicht.

Ich finde aber, dass man Selbstverständlichkeiten eigentlich nicht ins Gesetz zu schreiben braucht. Das ist der erste Punkt. Man kann es hineinschreiben. Es ändert nur nicht viel. Wir werden die Debatte hier auch weiterhin immer wieder einfordern.

Aber der Landtag ist nicht nur der Ort der Debatte. Der Landtag ist auch der Ort der Legislative, der Ort der Gesetzgebung und der Ort der Kontrolle der Landesregierung. Dazu gehören selbstverständlich auch die Entscheidungen über die Coronaschutzmaßnahmen.

Wenn man einmal Revue passieren lässt, welche Maßnahmen in der Vergangenheit getroffen wurden – Quarantänemaßnahmen für die Arbeiter bei Tönnies oder die Einführung des Bewegungsradius –, wird auch noch einmal sehr deutlich, dass wir über Grundrechtseingriffe sprechen, die derzeit allein von der Exekutive beschlossen werden. Ich finde, dass die Entscheidungen hierüber in das Parlament gehören. Diese Entscheidungen müssen eigentlich hier getroffen werden – und nicht allein von der Landesregierung.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

Deshalb noch einmal: Ich begrüße es, wenn CDU und FDP hier sagen, dass wir mehr Parlamentsbeteiligung brauchen. Wir stehen als Grüne bereit. Wir haben zum Telefonhörer gegriffen, als uns aufgefallen ist, dass mit dem Entwurf etwas nicht stimmt. Das ist inzwischen auch behoben worden.

Allerdings – das will ich auch sagen – finde ich das Verfahren hier extrem unglücklich. Die Debatte hat es gerade auch noch einmal gezeigt. Es wäre besser gewesen, wenn Sie vor dem Gesetzentwurf auf uns zugekommen wären und wir die Diskussion darüber vorher geführt hätten.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Inhalt: Die wesentliche Änderung – das wurde ja gerade schon vorgestellt –, die Sie hier vornehmen wollen, sind die pandemischen Leitlinien. Sie wollen, dass der Landtag Leitlinien beschließt, die dann von der Landesregierung berücksichtigt werden müssen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist mir als Abgeordneter zu wenig. Denn ich erwarte doch als Abgeordnete, dass die Landesregierung das Parlament und die hier im Parlament geführten Debatten so ernst nimmt, dass sie auch heute schon die Diskussionen, die wir hier im Plenum, aber auch in den Ausschüssen führen, in ihre Entscheidungsfindungsprozesse einbezieht und berücksichtigt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Insofern sehe ich den Mehrwert Ihrer Leitlinien nicht. Meines Erachtens ist das auch überhaupt kein Grund für eine derartige Selbstbeweihräucherung, wie wir sie hier gehört haben.

Eine echte parlamentarische Beteiligung würde bedeuten, dass es einen Zustimmungsvorbehalt zu den Coronaschutzverordnungen und zu den Rechtsverordnungen gibt, sodass wir eine Entscheidungshoheit darüber haben. Dann müsste nämlich zum Beispiel auch die Entscheidung, ob wir einen Bewegungsradius einführen wollen oder nicht, hier im Parlament getroffen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Hier ist der richtige Ort, um diese Entscheidung zu treffen, finde ich. Es geht nicht darum, dass wir die Rechtsverordnung im Detail ausarbeiten. Nein, „Zustimmungsvorbehalt“ bedeutet, dass die Regierung eine Verordnung vorlegt und das Parlament darüber entscheidet, ob diese Verordnung so in Kraft tritt oder nicht.

Wie Sie sehen, haben wir hier noch einiges zu diskutieren. Lassen Sie uns in die Diskussion eintreten. Wir Grüne stehen sehr konstruktiv zur Verfügung.

Denn es geht nicht nur um das Selbstverständnis des Parlaments. Natürlich wollen wir als Parlament, dass die Diskussionen hier geführt werden und die Entscheidungen hier getroffen werden. Aber es geht auch noch um einen zweiten Aspekt. Es geht darum, dass die öffentliche und transparente Debatte darüber, welche Verordnungen erlassen werden und welche Schutzmaßnahmen getroffen werden, hier ins Parlament gehört, weil das auch das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat und die Akzeptanz für solche einschneidenden Maßnahmen in der Bevölkerung fördert und erhöht.

Mein Appell an die Fraktionen lautet: Wir sollten uns zusammenreißen. Lassen Sie uns gemeinsam an sinnvollen und wirksamen Maßnahmen zur Parlamentsbeteiligung arbeiten. Ich hoffe, dass wir dann gemeinsam etwas Gutes auf den Weg bringen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

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