Matthi Bolte-Richter: „FDP und CDU wandeln hier einfach weiter auf alten Pfaden, obwohl wir mutig vorwärts gehen müssten“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur intelligentem Cluster-Management

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber René Schneider, mir lag eben auch auf der Zunge, zwischendurch mal „Bingo“ zu rufen, weil wir die üblichen Schlagwörter in diesen Reden natürlich wieder gehört haben.

Es ist auch wieder ein Antrag, den Sie heute vorlegen, mit dem die Koalitionsfraktionen vortäuschen, zu arbeiten. Sie wollen erneut Regierungshandeln legitimieren, obwohl dieses Regierungshandeln zum einen Teil bereits in der Schublade liegt und zum anderen Teil dann auch einfach aufgrund von faktischen Zwängen notwendig ist.

Warum Sie das jetzt machen, erschließt sich uns nicht wirklich. Wir fragen uns auch, wie Sie das eigentlich mit Ihrem parlamentarischen Selbstverständnis in Einklang bringen. Wir sind hier ja primär das Parlament und nicht in erster Linie die Marketingstelle der Ministerien.

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE] und René Schneider [SPD])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sind es auch noch ein paar fachliche Fragen. Sie stellen Forderungen zu etwas, was schon längst beschlossen war, bevor Sie diesen Antrag eingereicht haben. Der Mehrjährige Finanzrahmen der EU ist am 17. Dezember 2020 beschlossen worden – um nur ein Beispiel zu nennen.

Sie fordern auch eine Innovationsstrategie. Diese Innovationsstrategie ist jetzt nicht die weltbeste Erfindung der weltbesten Koalition mit dem weltbesten Minister für die weltbeste Innovation in der weltbesten Innovationsstrategie im weltbesten Bundesland,

(Beifall von Josefine Paul [GRÜNE])

sondern wird schlicht und ergreifend von der Europäischen Union zu Beginn der neuen EU-Förderperiode gefordert. Sonst gibt es nämlich keine Wirtschafts- und Innovationsförderung.

Wenn Sie das jetzt allen Ernstes hier beantragen und als die großen, tollen Sachen verkaufen wollen, dann müssen Sie schon selber wissen, warum Sie so etwas tun. Ich weiß es nicht.

(Florian Braun [CDU]: Das ist völliger Quatsch! Wir fordern nicht diese Strategie!)

Ich weiß auch nicht, warum Sie in Ihren Antrag schreiben – Zitat –:

„Die aktuelle Landesregierung hat das Gründungsklima in Nordrhein-Westfalen deutlich verbessert.“

(Henning Rehbaum [CDU]: Können wir auch einmal über Inhalte sprechen?)

Dann sollten Sie in diesem Papier vielleicht auch erklären, warum es 2017 89.500 Existenzgründungen gab und es im Jahre 2019 – also vor Corona, damit wir diesen Faktor in dieser Statistik nicht berücksichtigen müssen –dann nur noch 81.500 waren. Ich möchte nicht, dass das Ihr Erfolgskriterium ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Es wird auch deutlich, dass CDU und FDP in der Innovationspolitik einen extrem engen Innovationsbegriff haben. Es geht alleine um wirtschaftliche Orientierung. Ökologische und soziale Aspekte kommen in diesem Antrag und auch in den Strategien nicht oder nur in Nebensätzen vor – und auch nur da, wo es notwendig ist, um die europäischen Wirtschaftshilfen abrufen zu können.

Sie ignorieren damit einen wirklich zentralen Innovationsmarkt. Wir haben uns ja an vielen Stellen hier im Hause schon darüber auseinandergesetzt, wie wir diesen Innovationsmarkt besser fördern können. Gerade Social Entrepreneurs und soziale Innovationen haben ja nicht nur eine gesellschaftliche Bedeutung. Sie wollen nicht nur die sozialen und gesellschaftlichen Fragen durch unternehmerische Ansätze voranbringen. Vielmehr wollen sie mit technologischen Innovationen auch neue Wege anschieben, neue soziale Effekte erzielen und Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle und Geschäftsideen entwickeln, die nicht nur ein wirtschaftliches Potenzial haben, sondern auch ein Innovationspotenzial und ein soziales Potenzial. Das lassen Sie mit dieser Ausrichtung einfach liegen.

Sie fordern eine Förderung der Patentanmeldungen. Das ist natürlich – René Schneider hat die Zahlen gerade genannt – ein enorm wichtiges Thema. Mindestens genauso wichtig ist es aber, nicht nur zu gucken, wie wir es schaffen, dass mehr Patente angemeldet werden, sondern auch zu schauen, wie wir diese Patente in den Markt hineinbekommen. Denn da haben wir den zentralen Ansatzpunkt, den zentralen Anknüpfungspunkt. Wir haben ja jede Menge Patente, die an den Hochschulen, insbesondere an den Forschungseinrichtungen, entwickelt werden und dann aber nicht in den Markt hineinkommen.

Wenn Sie solche Fragen einfach ausklammern, ist das viel zu kurz gesprungen. Deswegen werden auch wir Grüne diesen Antrag ablehnen. Er zielt auf eine Innovationspolitik, die zu eng ist. Sie fokussiert allein wirtschaftliche Aspekte. Sie ist rückwärtsgewandt. Sie ist nicht innovativ. FDP und CDU wandeln hier einfach weiter auf alten Pfaden, obwohl wir mutig vorwärts gehen müssten.

Gerade wenn es um den Neustart aus dieser Krise geht, müssten wir doch mutig sein, vorwärts gehen und für unser Land eine Innovationspolitik machen, die das Ziel „Klimaneutralität“ in den Mittelpunkt stellt.

(Florian Braun [CDU]: Der ganze Giftschrank wird wieder ausgepackt! – Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Wir brauchen eine Innovationspolitik, die klarmacht, dass Klimaschutz zentral mit wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Absicherung verbunden werden muss. Wir brauchen eine Gründungspolitik, die sich auch bei den Förderstrukturen und Beratungsstrukturen auf Start-ups ausrichtet, die ökologische und soziale Ziele verfolgen.

Es ist wirklich traurig, dass Sie hier mit diesem Antrag wieder einmal dokumentieren, wie eng Sie da unterwegs sind.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Florian Braun [CDU]: Nehmen wir uns ein Beispiel an rot-grüner Regierungspolitik!)