Der derzeitige Protest gegen die Corona-Schutzmaßnahmen ist stark von Verschwörungsmythen geprägt, die sowohl die Existenz des Virus, als auch die Legitimation der staatlichen Maßnahmen infrage stellen. Wir fordern zu dem Phänomen „Verschwörungsmythen“ Beratungsangebote für Angehörige, die gemeinsam mit Expert*innen entwickelt werden sollen.
Verschwörungserzählungen haben eine hohe Anschlussfähigkeit an rechtsextreme Ideologien und zudem steckt in ihnen auch eine deutliches Gewaltpotenzial. Hier werden Narrative verbreitet, die sowohl die Existenz des SARS-CoV-2 Virus bzw. seiner Gefahren als auch die Legitimität der getroffenen Maßnahmen in Zweifel ziehen. Dabei werden auch altbekannte antisemitische Bilder und Deutungsmuster einer vermeintlich geheimen Elite, die die Geschicke der Welt lenke, aufgerufen. Obwohl bei diesen Versammlungen Personengruppen zusammenkommen, die nicht vollständig einer politischen Strömung oder Ideologie zuzuordnen sind, haben rechtsextreme Akteure von Beginn an versucht, sie für sich zu nutzen. Spätestens mit den Ausschreitungen am 29. August 2020 vor dem Gebäude des Deutschen Bundestags zeigte sich, dass in diesem verschwörungsideologisch geprägten Protest auch eine ernstzunehmende Gewaltbereitschaft vorhanden ist.
Wissenschaftliche Studien haben schon lange vor den Demos gegen die Corona-Schutzmaßnahmen gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die an Verschwörungsmythen glauben. Die aktuelle Leipziger Autoritarismus-Studie zeigt, dass Verschwörungserzählungen zu Covid-19 eng mit einer generellen Verschwörungsmentalität und einer Infragestellung der Legitimation unseres demokratischen Rechtsstaats einhergehen. Verschwörungsmythen um Covid-19 können einen generellen Vertrauensverlust in die Demokratie auslösen, der über den aktuellen Protest hinaus bestehen bleibt.
Diesen besorgniserregenden Entwicklungen muss der Staat schnell begegnen, bevor sich eine demokratiefeindliche Struktur verfestigt. Sektenberatungsstellen und Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus berichten von einem deutlichen Anstieg von Beratungsanfragen aufgrund von Verschwörungsmythen im Familien- und Freundeskreis. Wir fordern, gemeinsam mit den Expert*innen zu diesem Themenfeld ein Konzept für ein Beratungsangebot zum Umgang mit Verschwörungsideologien zu entwickeln und anschließend aufzubauen. Dieses soll sowohl psychosoziale Betreuung als auch Beratung zum Umgang mit demokratiefeindlichen Haltungen abdecken. Gleichzeitig muss der Schutz von marginalisierten gesellschaftlichen Gruppen, die besonders im Fokus von Verschwörungsgläubigen stehen, wie Jüd*innen sowie Muslim*innen, sicher gestellt werden.