Norwich Rüße: „Wir können nicht immer nur reden, wir müssen endlich auch stringent handeln“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Pestiziden in Naturschutzgebeten

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Themen „Zustand der Natur“ und „Artenvielfalt“ beschäftigen uns hier im Landtag schon seit ein paar Jahren.

Wir alle haben am Anfang etwa entlang folgender Frage darüber zu diskutieren begonnen: Wie kommt es eigentlich, dass beispielsweise die Kiebitzbestände im Kreis Warendorf so massiv gesunken sind? Herr Rehbaum, genau wie ich werden Sie die Kartierung kennen, die es dazu gibt.

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

Früher gab es flächendeckend grüne Gebiete, in jedem Ort, überall fand sich der Kiebitz. Jetzt sieht man auf der Karte im Bereich des Kreises Warendorf fast nur noch rote Gebiete, das heißt, der Kiebitz ist dort in der Fläche verschwunden.

Dann kam die Studie aus Krefeld. Die ersten Hinweise aus dem Jahr 2015 wurden noch belächelt,

(Dr. Christian Blex [AfD]: Ach!)

aber im Endeffekt hat sich doch ergeben, dass die dort gesammelten Erkenntnisse sehr wohl tragfähig sind. Das Besondere an dieser Studie war die damals neue Erkenntnis, dass wir auch dort erhebliche Verluste haben, wo die Natur eigentlich geschützt sein sollte, nämlich in Naturschutzgebieten.

Das Land NRW gibt eine Menge Geld für Naturschutzgebiete aus. Wir haben in der Vergangenheit viele Flächen aufgekauft, um Naturschutz betreiben zu können. Wenn man dann feststellt, dass die Natur dort nicht hinreichend geschützt wird, muss man sich überlegen, wie man damit umgeht.

Über die vielen Ursachen haben wir in den vergangenen Jahren diskutiert. Wir haben über Vermaisung gesprochen, und wir haben über den zu hohen Flächenverbrauch gesprochen. In diesem Zusammenhang will ich daran erinnern, dass wir in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen 50 Jahren von den ehemals 1,8 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche 400.000 Hektar verloren haben. Die sind weg, dort entwickelt sich schon mal keine Natur mehr. Deshalb lautet der dringende Appell in Richtung Landesregierung, in puncto Flächenverbrauch deutlich zuzulegen und hier mehr zu tun.

(Beifall von den GRÜNEN)

Natürlich gibt es auch einen massiven Verlust an Grünland. Aber all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der entscheidende Faktor wohl tatsächlich der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bzw. Pestiziden in der Landwirtschaft ist. In puncto Insektensterben kann man den Zusammenhang gerade auch mit neueren Pflanzenschutzmitteln, den Neonicotinoiden, nicht wegdiskutieren. Hier ist ein massiver Einfluss auf die Insekten festzustellen.

Sie haben das in Nordrhein-Westfalen am Ende zu entscheiden. Ich persönlich bin allerdings sehr enttäuscht, dass es jetzt wieder zu Ausnahmegenehmigungen gekommen ist und Neonicotinoide tatsächlich eingesetzt werden dürfen. Ich würde mir zumindest wünschen, dass das Land sehr stringent überprüft, ob das wirklich sein muss oder ob es nicht auch Alternativen gibt.

Ich vermute, dass diejenigen, die gleich reden dürfen, ihre Redemanuskripte gestern Nachmittag oder heute Morgen noch ein bisschen umschreiben mussten. Die Antwort auf unseren Antrag ist ja eigentlich Folgende: Nun warten Sie doch mal ab. Wir regeln das auf Bundesebene im Insektenschutzgesetz. Da passiert schon was. – Aber diesbezüglich stellen wir fest, dass man sich erstens ineinander verhakt hat und dass zweitens am Ende doch nichts dabei herauszukommen scheint.

Ich diskutiere mittlerweile schon lange über Agrarpolitik und bin immer wieder entsetzt, dass man zwar Bestimmungen macht – wie jetzt gerade auch wieder aus dem BMEL gekommen –, die erst mal gut klingen, aber bei denen man förmlich spürt, dass die Ausnahmen zur Regel werden und sich am Ende nicht viel verändern wird.

Vor acht Jahren wurde der Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz installiert, dessen klares Ziel die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln war. Das klappt aber nur, wenn das Wetter stimmt. Stimmt das Wetter nicht, klappt es auch nicht, weil es dann einen gleichbleibend hohen Pflanzenschutzmitteleinsatz gibt. Wir kommen einfach kein Stück weiter runter.

Hier schließt sich aus unserer Sicht der Kreis: Wir wollen wenigstens in unseren Naturschutzgebieten keine Pestizide. Sehr spannend fand ich, dass die Bundeskanzlerin, als man ihr auf einer Veranstaltung sagte, dass in Naturschutzgebieten Pflanzenschutzmittel eingesetzt würden, völlig entgeistert erwiderte: Das kann doch in Naturschutzgebieten nicht sein. – Das war für sie gar nicht vorstellbar.

Ich finde, wenn etwas nicht vorstellbar ist, sollte man dem nachgeben und sagen: Wir schützen unsere Naturschutzgebiete vor dem Eintrag von Pflanzenschutzmitteln. – Das ist der Kern des Antrags. Wir wollen an dieser Stelle endlich ein Stück weiterkommen. Wir können nicht immer nur reden, wir müssen endlich auch stringent handeln. An der Stelle muss deutlich mehr passieren. Das wäre ein kleiner Schritt.

Hinzu kommen die weiteren Punkte, die in dem Antrag erwähnt werden, etwa endlich einen verlässlichen Bericht darüber zu erhalten, was wir einsetzen und was da passiert.

Außerdem gilt es, die Alternativen voranzubringen. Ich war vor ein paar Tagen bei einem Bauern, der regenerative Landwirtschaft betreibt. Das ist ein hochspannendes Thema, da müssen wir ran. Auch die Landwirtschaftskammer muss etwas machen, damit wir da vorankommen. Konventionelle und ökologische Bauern beschäftigen sich mit dem Thema „Boden“ und wissen genau, dass sie ihrem Boden nichts Gutes tun.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

– Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Diese Ansätze voranzubringen und dann das zu tun, was wir mit dem Antrag erreichen wollen, würde der Insektenvielfalt und der Artenvielfalt insgesamt deutlich helfen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Der Antrag: Wo Naturschutz draufsteht, muss Naturschutz drin sein – keine Pestizide in Naturschutzgebieten! – Grüne Landtagsfraktion NRW (gruene-fraktion-nrw.de)