I. Schutzgebiete wirklich schützen
Zu den besonders geschützten Bereichen in unserer Landschaft zählen Naturschutz-, FFH-und Natura2000-Gebiete. Entsprechende rechtliche Regelungen dazu finden sich insbesondere in der europäischen FFH-Richtlinie sowie im Bundesnaturschutz- (BNatschG) und in NRW im Landesnaturschutzgesetz (LNatschG) wieder. Diese gebietsbezogenen und gesetzlich geschützten Biotope haben die zentrale Funktion, Lebensräume und die hier vorherrschende Biodiversität zu bewahren und zu fördern. Diese Aufgabe erfüllen die Schutzgebiete aber nur unzureichend. Denn der Rückgang der Artenvielfalt betrifft längst nicht nur die intensiv genutzten Bereiche unserer Kulturlandschaft, sondern auch die Naturschutzgebiete.
Trotz dieser herausragenden Funktion der Naturschutzgebiete für die Artenvielfalt ist es jedoch grundsätzlich nach wie vor zulässig, dass auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, die in Naturschutzgebieten liegen, Pestizide eingesetzt werden dürfen. Dabei sind die schädigenden Auswirkungen auf die in den Schutzgebieten lebenden Insekten, Pflanzen und Tiere bekannt und bereits mehrfach dokumentiert worden.
Die wohl bekanntesten Ergebnisse über die Entwicklung der Insektenfauna in Naturschutzgebieten brachte die im Oktober 2017 veröffentlichte Studie des Entomologischen Vereins in Krefeld hervor. Über einen Zeitraum von 27 Jahren wurden hier zahlreiche wissenschaftlichen Daten aus Schutzgebieten zusammengetragen. Der hier dokumentierte Rückgang von 75 Prozent an Biomasse bei Fluginsekten, insbesondere Schmetterlingen, Wildbienen und Nachtfaltern, belegt auf dramatische Weise, dass der Artenverlust längst auch vor Naturschutzgebieten keinen Halt macht. Etliche weitere Untersuchungen haben die Ergebnisse der Krefelder Studie mittlerweile bestätigt.
Als einer der Hauptgründe für das massive Insektensterben wird von den allermeisten Wissenschaftlern der starke Einsatz von Pestiziden in der intensiven Landwirtschaft ausgemacht. Im Interesse der Artenvielfalt muss es daher das Ziel von Agrar- und Naturschutzpolitik sein, den Einsatz von Pestiziden deutlich zu reduzieren. Dies gilt insbesondere für Landschaftsbereiche, die ausdrücklich dem Schutz der Natur dienen sollen. Hier ist ein kompletter Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden notwendig und wirksame Pufferzonen um die Schutzgebiete herum sollten zusätzlich dazu beitragen, die Abdrift von auf landwirtschaftlichen Flächen aufgebrachten Pestiziden in Naturschutzgebiete zu minimieren. Ohne solche wirksamen Schutzmaßnahmen wird die Zweckbestimmung dieser Gebiete weiterhin ad absurdum geführt.
II. Biodiversität erhalten, Pestizide reduzieren
Bis heute müssen Landwirtinnen und Landwirte den zuständigen Behörden weder die Wirkstoffe noch die Menge der eingesetzten Pestizide mitteilen. Das verdeutlicht, dass der „Aktionsrahmen der Gemeinschaft für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden“ (Richtlinie 2009/128/EG) der Europäischen Union nur unzureichend umgesetzt wird. Das gegenwärtige Verfahren ist intransparent und weist in der Praxis deutliche Defizite auf. Die fehlende Datengrundlage erschwert die gewünschte Gesamtreduktion des Pestizideinsatzes ebenso wie eine genauere Analyse, welche Wirkstoffe und Präparate besonders naturschädigend sind. Um eine dauerhafte Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln zu erreichen, ist die Entwicklung einer ambitionierten Pestizidminderungsstrategie für das Land Nordrhein-Westfalen notwendig. Sie kann dazu beitragen, dass die menschliche Gesundheit und unsere Ökosysteme besser geschützt werden. Der nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (NAP) auf Bundesebene wird als Strategie zur wirksamen Reduzierung als nicht ausreichend und weitestgehend wirkungslos betrachtet und muss daher durch zusätzliche landespolitische Maßnahmen ergänzt werden.
III. Der Landtag stellt fest:
– Der Einsatz von Pestiziden in Naturschutzgebieten trägt dazu bei, dass der Erhalt und der Schutz der hier lebenden Tiere und Pflanzen nicht vollends gewährleistet werden kann.
– Um dem dokumentierten Verlust der Artenvielfalt entgegenzuwirken und die Biodiver-sität besser schützen zu können, muss der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden in Naturschutzgebieten beendet werden.
– Auch außerhalb von Naturschutzgebieten ist eine Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden anzustreben.
IV. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1. Zum Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG NRW) eine Gesetzesänderung vorzulegen, die ein Verbot zur Verwendung von Pestiziden in Naturschutzgebieten, Nationalparks, Nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung festschreibt.
2. Zusätzlich um Naturschutzgebiete herum Pufferzonen einzurichten, die die Abdrift aufgebrachter Pestizide von angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Flächen in das Schutzgebiet abmildern.
3. Eine nordrhein-westfälische Pestizidminderungsstrategie zu entwickeln, mit dem Ziel, den Einsatz der Pestizide in der Masse und in der Toxizität zu regulieren, zu kontrollieren und langfristig zu reduzieren.
4. Jährlich dem Landtag einen Pflanzenschutzbericht vorzulegen, der unter anderem über unterschiedlichen, eingesetzten Verfahren im Pflanzenschutz, über die aufgewendeten Pestizidmengen und die eingebrachte Toxizität sowie die Auswirkungen
5. Sich auf europäischer Ebene für ein transparenteres Genehmigungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln einzusetzen und Naturschutzbehörden sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Daten über Pestizideinsätze zugänglich zu machen.