Mit einer nachhaltigen und solidarischen Finanzpolitik aus der Krise: NRW braucht einen Grünen Zukunftspakt

Entschließungsantrag zum Haushaltplanentwurf für das Jahr 2021 der Landesregierung

I.        Ausgangslage

Seit ihrer Regierungsübernahme im Jahr 2017 konnte sich die Landesregierung Jahr für Jahr über steigende Steuereinnahmen in Milliardenhöhe freuen. Im Haushalt für das Jahr 2020 wa­ren etwa 10 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen eingeplant als im letzten rot-grünen Haus­halt 2017. Damit hätten der Regierung Laschet erhebliche Gestaltungsspielräume für Investi­tionen in die Zukunft unseres Landes zur Verfügung gestanden. Doch sie wurden nicht ge­nutzt. Statt die Steuermehreinnahmen gezielt für nachhaltige Investitionen wie etwa für Infra­struktur und Klimaschutzmaßnahmen zu nutzen, wie es auch zahlreiche Wirtschaftswissen­schaftlerinnen und -wissenschaftler angesichts des immensen Investitionsstaus auf allen Ebe­nen fordern, wurde der Haushalt durch verpuffende Ausgaben wie fragwürdige Heimatprojekte und über 800 Stellen in der Ministerialbürokratie aufgebläht. In einem Gastbeitrag in der FAZ am 23.11.2020 fasst Ministerpräsident Laschet sein Regierungsversagen selbst passend zu­sammen: „Wir haben in den zurückliegenden guten Jahren viel verteilt, aber wenig investiert – zu wenig.“ (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/armin-laschet-die-cdu-als-partei-des-zusammenhalts-17064271.html) Mit dieser Analyse ist Laschet in guter Gesellschaft: So stellt der DGB in der Haus­haltsanhörung des Haushalts- und Finanzausschusses fest: „Fehlende Investitionen und damit einhergehende Einbußen bei Wettbewerbsfähigkeit und Chancengleichheit sind […] [eine] un­verantwortliche Belastung der nachfolgenden Generationen“ (APr 17/1166). Kritik an mangeln­den Investitionen im Landeshaushalt formulierten gleichermaßen Sachverständige aus den Bereichen der Schulen, Hochschulen,

Dem gegenüber hat das Land enorme Herausforderungen zu bewältigen: Die Corona-Pande-mie hat massive wirtschaftliche Folgen – es gilt, eine schwere Rezession mit allen Mitteln zu verhindern. Die Klimakrise und der Sanierungsstau in der Infrastruktur des Landes erfordern entschiedene Investitionen. Der Ausgabenstau bei der Digitalisierung und bei der Verkehrs­wende hemmt unser Land. Es wäre allerhöchste Zeit für eine Investitionsoffensive für ein zu­kunftsfähiges Nordrhein-Westfalen. Das Land müsste darüber hinaus dringend in Pädagogin­nen und Pädagogen investieren und die ungleiche Bezahlung der Lehrämter beenden, die durch die Angleichung der Lehrerausbildungszeiten nicht mehr gerechtfertigt ist. Doch die Lan­desregierung nimmt diese Herausforderungen nicht an. Statt einer mutigen Investitionspolitik findet sich im Haushaltsentwurf der Landesregierung eine Investitionsquote, die nur hinter dem Komma steigt. In der Finanzplanung von Minister Lienenkämper sinkt die Investitionsquote sogar wieder ab.

Grüner Zukunftspakt NRW

Die Grüne Landtagsfraktion schlägt einen Grünen Zukunftspakt NRW vor, der nachhaltige In­vestitionen vorsieht und damit Konjunkturimpulse in Verbindung mit der Bewältigung der Kli­makrise setzt. Hierzu wurden zahlreiche konkrete Änderungsanträge vorgelegt. Mit umfang­reichen Investitionen in Radwege, in Schulinfrastruktur, in die Digitalisierung unserer Hoch­schulen, in Studierendenwohnheime, in eine klimaneutrale Landesverwaltung sowie in den Klimaschutz in den nordrhein-westfälischen Kommunen würde NRW zum Konjunkturmotor in der Corona-Pandemie werden und zeitgleich die Bekämpfung der Klimakrise forcieren.

Ganz konkret muss die Landesregierung die Kommunen beim Klimaschutz stärker unterstüt­zen und ein Förderprogramm für kommunale Klimaschutzinvestitionen auflegen. Diese Inves­titionen können flächendeckend einen wirksamen Beitrag zur Unterstützung der Konjunktur und der kommunalen Klimaschutzstrategien leisten. Aber auch für die klimafreundliche Ener­gieversorgung der Landesliegenschaften bedarf es zusätzlicher Investitionen. Eine klimaneut­rale Landesverwaltung bis zum Jahr 2030 dient nicht nur dem Klimaschutz, sondern mildert gleichsam die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Konjunktur ab. Zusätzliche Inves­titionen im Umfang von 1,2 Milliarden Euro könnten im Haushalt 2021 aufgrund einer Ausnah­meregelung in der Schuldenbremse durch Kredite rezessionsbedingt aus dem Corona-Ret-tungsschirm finanziert werden.

Mangelnde Solidarität mit Kommunen in der Corona-Pandemie

Leidtragende unter der schwarz-gelben Finanzpolitik bleiben wie schon in den vergangenen Jahren die Kommunen: Trotz wiederholter Versprechen plant die Landesregierung laut Haus­haltsentwurf keine auskömmliche und längst überfällige Anpassung im Bereich der Flüchtlings­kostenerstattung an die Kommunen. So entsteht eine Lücke von 800 Millionen Euro pro Jahr zu Lasten der Kommunen.

Besonders deutlich wird die Missachtung der Kommunen jedoch bei den finanziellen Folgen der Corona-Pandemie. Die Kommunen tragen in der Pandemie eine besondere Last und ver­dienen eine besondere Solidarität. Auch vor dem Hintergrund der ungelösten Altschuldenprob-lematik müssen Bund und Land sicherstellen, dass der Schuldenberg der Kommunen nicht weiter anwächst. Die eingebrochenen Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen wurden im Jahr 2020 von Bund und Ländern kompensiert. Im Jahr 2021 werden die Kommunen im Regen stehen gelassen. Die Kommunen erwarten von der Bundes- und Landesregierung die Kom­pensation der Gewerbesteuermindereinnahmen im Haushaltsjahr 2021. Die Hilferufe der Kommunen bleiben leider bislang ungehört.

Der Corona-Rettungsschirm ist dafür da, Folgen der Pandemie abzumildern. Während das Land seine eigenen Steuereinnahmeverluste vollständig aus dem Rettungsschirm kompen­siert, werden entsprechende echte Zuschüsse den Kommunen vorenthalten. Stattdessen bie­tet das Land den Kommunen zusätzliche Zuweisungen nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz (GFG) faktisch als Darlehen an – das bedeutet knapp eine Milliarde Euro zusätzlicher Schulden für die Kommunen, welche sie über zukünftige Gemeindefinanzierungsgesetze zu­rückzahlen müssen. Wir fordern die Landesregierung auf, das GFG ohne Rückzahlungsver­pflichtungen an die Kommunen auszugestalten und die kommunalen Schulden nicht vorsätz­lich in die Höhe zu treiben. Im Entwurf des Gemeindefinanzierungsgesetzes werden Schlüs­selzuweisungen abgesenkt und Pauschalen angehoben. Im Ergebnis werden mehr Mittel un­abhängig von der Finanzkraft der Kommunen bereitgestellt. Das Prinzip heißt demnach: Gieß­kanne statt zielgerichteter Zuweisungen, und dieses Prinzip hat einen Verlierer: Finanzschwa­che Kommunen. Es bedeutet ein Weniger statt ein Mehr an Solidarität mitten in der Pandemie. Dies auch noch als Fortschritt zu verkaufen, ist nicht mehr nachvollziehbar.

Die Schattenhaushaltswirtschaft beenden – mit der Pandemie leben lernen

Seit Beginn der Corona-Pandemie reagiert die Landesregierung auf die finanziellen Heraus­forderungen im Notfall-Modus. Kabinettsentscheidungen werden in der Regel in weniger als 48 Stunden vom Haushalts- und Finanzausschuss bestätigt und entsprechende Mittel für be­antragte Maßnahmen kurzfristig freigegeben. So gelangen Mittel aus dem Corona-Rettungs-schirm kurzfristig in die Einzelpläne des Landeshaushalts und stehen den jeweiligen Ressorts zur Bekämpfung der Pandemie zur Verfügung. Zu Beginn der Pandemie war – und für drin­gend notwendige Bereitstellungen ist – dies ein sinnvolles Verfahren. Inzwischen ist es für viele Maßnahmen jedoch nicht mehr angemessen. Es ist dringend geboten, mit der Pandemie leben zu lernen und die finanziellen Folgen langfristig in den Blick zu nehmen.

Es fehlt der Landesregierung an einer langfristigen Strategie – auch in der Finanzplanung – in dieser Corona-Pandemie. Weder im Haushalt noch im Wirtschaftsplan des Corona-Rettungs-schirms werden vorsorgende Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Folgen dargestellt. Eine vorausschauende Planung ist nicht mehr länger verzichtbar.

II.        Der Landtag stellt fest:

·         Die Landesregierung scheitert an den Ansprüchen einer zukunftsfähigen Finanzpolitik in der Corona-Pandemie. Die einmalige Chance, mit nachhaltigen Investitionen in die Infrastruktur des Landes die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit der Klima-Krise gemeinsam anzugehen, wird nicht genutzt. Die Investitionsquote steigt nur hinter dem Komma und fällt in der Finanzplanung weiter ab. Die Landesregierung ignoriert somit die konjunkturelle Entwicklung und die Empfehlungen von Expertinnen und Ex­perten, mit zusätzlichen umfangreichen Investitionen zum „Konjunkturmotor NRW“ zu werden.

·         Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie müssen langfristig in den Blick ge­nommen werden. Die Landesregierung hat es bislang versäumt, eine vorausschau­ende Finanzplanung und einen Plan für die Bewirtschaftung des Corona-Rettungs-schirms über den Tag hinaus vorzulegen.

·         Es besteht weiterhin großer Handlungsbedarf insbesondere bei der Digitalisierung des Landes, bei der Schulinfrastruktur, bei der Finanzausstattung der Kommunen, bei der Verkehrswende, beim Klimaschutz und beim Naturschutz.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1.    Einen umfassenden Investitionsplan für Nordrhein-Westfalen vorzulegen, welcher die Folgen der Corona-Pandemie und der Klima-Krise zusammendenkt und nachhaltige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Landes sichert.

2.    Die nordrhein-westfälischen Kommunen durch eine Kompensation der Gewerbesteuermindereinnahmen sowie mit Zuschüssen statt Krediten in der Corona-Krise zu un­terstützen.

3.    Eine vorausschauende Planung für die Bewirtschaftung des Corona-Rettungsschirms vorzulegen und die langfristigen Folgen der Pandemie in den Blick zu nehmen.