Mehrdad Mostofizadeh: „Es gibt noch einiges zu tun in diesem Untersuchungsausschuss“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zum Fall Amri

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, ich bitte zumindest den Redebeitrag des Kollegen Stamp zu prüfen. Wir hatten uns nämlich ausdrücklich darauf geeinigt – und Sie hatten darauf hingewiesen –, dass von Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses keine Vorabbewertung von Beweisstücken in der heutigen Debatte stattfinden sollte. Meines Erachtens ist das überschritten worden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte da auch einen wichtigen Punkt ansprechen: Wir sind in dieser Aktuellen Stunde in einer Debatte, in der es wieder massiv durcheinandergeht, was der aktuelle Anlass ist, was die Frage von Punkten betrifft, die wir seit Monaten diskutiert haben. Die Aktuelle Stunde ist jetzt zugelassen worden – das nehmen wir zur Kenntnis –, aber ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir über einen Vorgang reden, bei dem zwölf Menschen nach dem schlimmsten islamistischen Anschlag, den es in Deutschland bisher gegeben hat, zu Tode gekommen und bei dem 50 weitere Personen verletzt worden sind.
(Zurufe von der CDU)
– Können Sie das nicht aushalten?
Deswegen appelliere ich an alle, die heute an der Debatte beteiligt sind, dass wir dieses Thema mit großer Sorgfalt angehen,
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
da wir ein Vorbild für die Öffentlichkeit darstellen, und dass wir uns an die Gesetze, die wir uns selbst gegeben haben, auch in diesem Hohen Hause halten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte darauf hinweisen, dass zumindest ich – und das geht etlichen anderen ganz genauso – den Eindruck hatte, dass es nicht um die Sachaufklärung geht, sondern um das, was der Kollege Römer eben gesagt hat, nämlich um Wahlkampfgezerre und eben nicht um Aufklärungsarbeit, um billige Geländegewinne und nicht darum, die Arbeit konsequent und aufklärerisch zu Ende zu führen. Das finde ich nicht in Ordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der erste Hinweis fand ja schon am Tag nach der Begehung der Tat statt. Und wenn man dann den Blick nach Berlin richtete, musste man ja hören, dass der Obmann des Innenausschusses der CDU, Herr Armin Schuster, in die laufenden Kameras gesagt hat, Schuld an dem Attentat sei die Ausländerpolitik des Koalitionspartners, der SPD, und des Bundesrats. – Was das mit Aufklärungsarbeit und sachgerechter Politik zu tun hat, müssen Sie uns einmal erklären!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn wir dann jeden Sonntag in der „BILD“-Zeitung“ lesen müssen, dass neue Leaks durchgestochen werden, hat das auch nichts mit sachgerechter Arbeit zu tun. Und wenn wir dann nach den Ausschusssitzungen die Öffentlichkeitsarbeit der Opposition sehen müssen, wo wieder – und darauf hat Kollege Römer zu Recht hingewiesen – nicht zulässige Vorabbewertungen von Beweisen stattfinden, dann sind das fortlaufende Verstöße gegen unser PUA-Gesetz. Deswegen machen Sie deutlich: Sie sind nicht an Aufklärung interessiert, sondern Sie verstoßen ständig gegen die Spielregeln, die wir uns hier gegeben haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Stamp, Sie haben es eben ja in aller Offenheit gesagt, worum es Ihnen geht: Ihnen geht es darum, den Skalp von Innenminister Jäger abzuholen. Und ich füge hinzu: Ihnen geht es auch darum – das hat die CDU sehr deutlich gemacht –, von der Verantwortung anderer Verantwortungsträger, nämlich in Berlin – und ich meine das Land Berlin, den ehemaligen Innensenator und Justizsenator, den Bundesinnenminister und möglicherweise auch den Generalbundesanwalt –, abzulenken. Das ist Ihr Auftrag, und so agieren Sie hier auch.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Was ich mich auch frage, Herr Kollege Stamp: Warum klagen Sie jetzt gegen den Untersuchungsausschussbericht? Es geht darum, dass der Untersuchungsausschuss einen Zwischenbericht vorlegt. Allen war doch bei der Beantragung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses klar, dass wir sehr schnell arbeiten, sehr schnell Ergebnisse vorlegen müssen. Heute ist die letzte Plenarrunde. Dass man dann der Öffentlichkeit einen Zwischenbericht vorlegt, ist doch das Mindeste, was das Parlament an Transparenz über die Arbeit herstellen muss, Herr Kollege.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber ein anderer Vorgang macht mich auch ein bisschen stutzig, Herr Kollege Stamp, nämlich was das Aufklärungsinteresse der Freien Demokraten anbetrifft: Warum sind Sie eigentlich so still, wenn die Causa Wendt im Innenausschuss aufgerufen wird? Meine Kolleginnen und Kollegen im Innenausschuss hatten ja schon Sorge, dass Herr Lürbke eine Stimmbandverletzung hat, weil er überhaupt nicht mehr nachgefragt hat. Der sonst so forsch fragt, hatte keine Fragen mehr. Kann das damit zu tun haben, dass die FDP da möglicherweise Sachen erklären muss, die sie nicht erklären möchte? – Das macht den Eindruck von Wahlkampf und nicht von Aufklärungsinteresse, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Jetzt ein Punkt, der mir persönlich ganz wichtig ist – Sie haben mich ja zweimal angesprochen –: Wie skurril und hoffnungslos Sie sich an einzelne Strohhalme klammern wollen, sieht man daran, dass Sie den formalen Bezug – ich werde auch gleich sehr genau sagen, was Sie dazu gesagt haben – des Gutachters zur Universität Bielefeld nutzen, um wieder von Hauptkriegsschauplätzen abzulenken und einen Nebenkriegschauplatz aufzumachen.
(Zuruf von Dr. Joachim Stamp [FDP])
Deshalb, Herr Kollege Stamp, wäre es sinnvoll gewesen – das war meine Hoffnung, das will ich ganz klar sagen –, diesen Anlass nicht zu bieten. Nichts anderes habe ich gesagt. Ich habe übrigens gestern mit Prof. Kretschmer telefoniert. Ich habe ihm gesagt, worum es mir da ging. Ich bin klar in dieser Sache. Und ich sage Ihnen sehr deutlich: Ihre skurrilen Anwürfe und Ihre Reaktion auf das, was ich da gesagt habe, machen ja deutlich, dass – wenn dieser Anlass nicht gewesen wäre – meine Hoffnung, dass man unaufgeregt und aufklärerisch an die Sache geht, völlig sinnlos gewesen ist, weil Sie sich überhaupt nicht auf die Hauptsache kaprizieren, sondern von Hauptpunkten ablenken und eben auf Nebenkriegsschauplätze ausweichen wollen. Das haben Sie heute und in der letzten Woche sehr deutlich gemacht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich komme dazu, was wir eigentlich tun müssen: Wir haben mehrere Punkte – und das macht der Ausschussbericht sehr deutlich –, die noch zu besprechen sind, zum Beispiel die Frage, ob der ausreisepflichtige Amri hätte abgeschoben werden können. Da sagt der Bundesinnenminister: Ja, das hätte man machen können. – Und der Innenminister des Landes sagt: Das kann man nicht machen, weil man nämlich Pass- oder Passersatzpapiere braucht, um ihn abschieben zu können. – Das müssen wir aufklären. Dafür gibt es eine Beweiserhebung; das wird die nächste Zeit dann zeigen.
Man muss im Übrigen auch einmal die Frage aufklären, warum im Herbst letzten Jahres – die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden haben ja auf die Gefährlichkeit von Amri und darauf hingewiesen, dass er ein Selbstmordattentäter ist – die Berliner Behörden beispielsweise die Überwachung von Amri eingestellt haben. Auch das würde mich zumindest sehr interessieren. Auch dazu muss der Untersuchungsausschussbericht am Ende Auskunft geben.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einiges zu tun in diesem Untersuchungsausschuss. Und da komme ich auf einen Punkt zurück, den Herr Kollege Laschet eben gesagt hat – völlig skurril, Sie machen sich ja geradezu lächerlich –: Wenn Sie in Berlin einen Untersuchungsausschuss fordern wollen – die CDU hat die alleinige Mehrheit, um diesen Untersuchungsausschuss in Berlin durchzusetzen –, warum machen Sie es denn nicht? Haben Sie Rücksicht auf andere zu nehmen an der Stelle?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nach all dem wird für mich zumindest klar: Sie machen Spiegelfechterei; Sie sind nicht an der Aufklärung interessiert.
(Zurufe von der CDU)
Meine Kolleginnen und Kollegen und auch die von der SPD haben sehr deutlich gemacht, dass sie ihre Arbeit machen wollen. Die Ministerpräsidentin wird auch diese Woche Rede und Antwort stehen. Und wenn Herr Stamp letzte Woche nicht Wahlkampftermine gehabt hätte, hätte sie auch letzte Woche Rede und Antwort gestanden. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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