Monika Düker: „Ich kann sagen: Wir werden uns weiter an der Sachaufklärung beteiligen, jenseits Ihrer Taktiererei“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zum Fall Amri

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Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Versuchen wir es doch einmal, Herr Laschet, mit einem Faktencheck – vielleicht hilft das in dieser aufgeheizten Debatte weiter – und hinterfragen wir einmal Ihre skizzierte Rolle des Chefaufklärers.
Ich zitiere ausnahmsweise aus einem öffentlichen und nicht aus einem geheimen Dokument, und zwar aus dem Mitgliederblättchen der CDU NRW, Ausgabe 1/2017.
(Dirk Schatz [PIRATEN]: Hochglanz! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Was du alles liest!)
Das war, wie gesagt, Anfang des Jahres. Ich nehme an, das erscheint auch sehr früh im Jahr. Im Übrigen ist es überschrieben mit „Im Visier“. Unter „Im Visier“ erscheinen Ralf Jäger und Hannelore Kraft. Diese Wahlkampfrhetorik kann man auch hinterfragen. Das tue ich an dieser Stelle nicht.
Was machen Sie dort? Sie machen einen Faktencheck.
Fakt 1: Armin Laschet stellt im Januar fest: Zuständigkeiten im Fall Amri nur in NRW. – Falsch! Die Zuständigkeiten lagen auch im Land Berlin. Denn seit dem 18. August hat sich Amri in Berlin aufgehalten. Zwar war die Ausländerbehörde zuständig, aber klar war, die Sicherheitsbehörden wären in Berlin zuständig gewesen. Und wir haben auch noch Baden-Württemberg in der Kategorie Zuständigkeiten. Also, Fakt 1: falsch.
Fakt 2: Armin Laschet trifft im Fall Amri gegenüber seinen Mitgliedern die Feststellung, dass für Gefährder eine Abschiebungsanordnung erlassen werden kann. Punkt. – Nein, kann es nicht. Wir haben 226 Gefährder in NRW. Nein, es kann nicht für jeden Gefährder eine Abschiebungsanordnung erlassen werden. – Dann bringt er noch ein paar rechtliche Zusammenhänge durcheinander. Das will ich hier nicht tun. Ich heiße nicht Herr Wedel. Nein, diese Feststellung war zu diesem Zeitpunkt nicht zu treffen.
Fakt 3 laut Armin Laschet: Abschiebehaft hätte beantragt werden können, weil die tunesischen Behörden die Identität Amris bestätigt hätten.
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Ja, Herr Laschet, wenn das so gewesen wäre, hätte das tatsächlich beantragt werden können. Es stimmt aber schlicht nicht, dass die tunesischen Behörden die Identität bestätigt haben; die haben sie erst nach dem Anschlag bestätigt. Es war INTERPOL, es waren nicht die tunesischen Behörden. Fakt 3: auch falsch.
Fakt 4: Sozialbetrug. Jetzt wird es ganz abenteuerlich. Armin Laschet schreibt seinen Mitgliedern: Der vom LKA beantragte Haftbefehl bei der Staatsanwaltschaft Duisburg wird abgelehnt. – Es ging ja um 160 €. Duisburg sagt: Nein, keine U-Haft möglich. – Jetzt sagt er, die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft hätte über Jäger und dann über den Justizminister angewiesen werden können, hier U-Haft anzuordnen.
(Nadja Lüders [SPD]: Super!)
Herr Laschet, in welchem Rechtsstaat, frage ich Sie, möchten Sie leben? Dass aus dem Justizministerium direkt die Staatsanwaltschaften angewiesen werden, die U-Haft anzuordnen,
(Zuruf von Michael Hübner [SPD])
das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Fakt ist für Sie zusammenfassend: Amri hätte festgesetzt werden können. – Nein, Herr Laschet, das sind keine Fragen, die Sie hier als Chefaufklärer stellen, das sind Vorfestlegungen. Und der Linie folgend war dann auch der Einsetzungsantrag einseitig auf NRW ausgerichtet.
Und es geht weiter: permanente Pressebegleitung der Ausschussarbeit, die nicht Fragen und Widersprüche – die es ja tatsächlich gibt – darstellt, sondern Vorfestlegungen trifft. So trifft Daniel Sieveke, Ihr Obmann im Ausschuss, nach der Vernehmung des Generalbundesanwalts und – jetzt wichtig! – vor der Vernehmung des Gutachters Kretschmer die Aussage, dass nach den Erkenntnissen, die er aus der Befragung des Generalbundesanwalts gewonnen habe, das Gutachten von Professor Kretschmer völlig diskreditiert ist.
Und es geht noch weiter: Als wir dann in der Befragung des Gutachters sind, stellt Herr Sieveke nicht etwa eine Frage, um diesen Widerspruch aufzudecken – nein, er hält sich zurück und gibt stattdessen während der Befragung diese Presseerklärung heraus.
Herr Laschet, ich vermag das nicht mit Ihrem Anspruch übereinzubringen, hier eine unabhängige, objektive Aufklärungsarbeit leisten zu wollen.
(Beifall bei der SPD und bei den Grünen)
Und, Herr Stamp, Sie waren in der Sitzung tatsächlich nicht da, wo wir vier Stunden über diesen Zwischenbericht gesprochen haben, aber eine inhaltliche Zusammenfassung der bisherigen Arbeit des PUA, die gesetzlich auch vorgesehen ist – als Zwischenstand, wohlgemerkt, und noch mit der Feststellung, dass dies nicht das Ende ist; wir können und wir sollten auch einen weiteren Zwischenbericht machen –, hier einfach als – wie sagen Sie? – „rot-grüne Trickserei und Täuschung“ zu bezeichnen, ohne einen konkreten Antrag zu stellen, um
(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Doch!)
diesen Zwischenbericht zu ergänzen, stattdessen hier mit juristischen Spitzfindigkeiten zu taktieren – mit Verlaub, Herr Laschet, Herr Stamp, das ist nicht nur scheinheilig, das ist Heuchelei in Reinkultur. Wir hatten Sie ja aufgefordert und gefragt: Wo fehlt Ihnen denn etwas? – Wenn Sie etwas vorgelegt hätten, hätten wir das auch angenommen.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Was ich jenseits dieses Krawalls, der Nebelkerzen und dieser Obstruktion, die Sie hier betreiben, am allerschlimmsten finde, ist, dass es tatsächlich – ich bin Obfrau für die Grünen in diesem Ausschuss, und ich kann Ihnen sagen, es gibt sie tatsächlich – eine ernsthafte Aufklärungsarbeit in diesem Ausschuss gibt, an der wir uns alle beteiligen – alle.
Widersprüche gibt es, ja, zum Thema „§ 58a Aufenthaltsgesetz“, zum Thema „Abschiebehaft/U-Haft“; die sind doch alle in dem Zwischenbericht dokumentiert, und die müssen auch weiterbearbeitet werden. Es entwickeln sich sogar schon Ansätze nach vorne. Auch das hat die Untersuchungsausschussarbeit schon gebracht, dass darüber nachgedacht wird: Wie kann man denn diese Sammelverfahren zukünftig besser organisieren? Was ist mit Schwerpunktstaatsanwaltschaften? Wie findet eine neue Kategorisierung und Priorisierung für Gefährder statt?
All das findet ja statt! Und das regt mich am meisten auf, dass Sie diese Arbeit diskreditieren durch Ihren Krawall und Ihre parteitaktischen Manöver, die Sie hier betreiben!
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Vizepräsident Eckhard Uhlenberg: Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist längst um.
Monika Düker (GRÜNE): Ich kann sagen: Wir werden uns weiter an der Sachaufklärung beteiligen, jenseits Ihrer Taktiererei. Dabei bleiben wir. – Danke schön. 

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