Stefan Engstfeld: „Wir sind Europa!“

Antrag von SPD und GRÜNEN zur europäischen Wertegemeinschaft

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorneweg ein paar persönliche Worte an meine Vorrednerin und an meinen Vorredner richten.
Liebe Frau von Boeselager, liebe Ilka, von den 27 Jahren, die du hier im Parlament erlebt hast, durften wir sieben gemeinsam durchlaufen. Wir haben im Europa- und Eine-Welt-Ausschuss viel gestritten und viel diskutiert. Aber es war immer fair, immer menschlich angenehm und immer produktiv. Und wir haben am Ende des Tages immer zusammen dafür gesorgt, dass die „MS Landtag“ einen klaren proeuropäischen Kurs gehalten hat. Für die gute Zusammenarbeit möchte ich mich ganz herzlich bei dir bedanken, auch im Namen der Fraktion.
(Beifall von allen Fraktionen)
Viel Glück, toi, toi, toi und gute Gesundheit bei all dem, was du jetzt tust!
Lieber Markus Töns, lieber Kollege, zwölf Jahre warst du hier im Landtag, davon durften wir sieben zusammen gehen. Wir waren in der Regierungsverantwortung, haben zusammen im Europaausschuss gearbeitet, wir haben zusammen für Nordrhein-Westfalen im Ausschuss der Regionen in Brüssel und anderswo in Europa viel gestritten und uns starkgemacht.
Auch dir, lieber Markus, ganz lieben Dank für die tolle Zusammenarbeit. Viel Glück im September bei dem, was du da neu anstrebst! Selbst wir – wir hatten ja eine hohe Hürde; wir spielen quasi in zwei Ligen, ich Fortuna Düsseldorf, du Schalke 04 – haben es im Laufe der Jahre geschafft, diesen tiefen Graben durch gemeinsame Besuche von Spielen zu überwinden. Selbst das ist uns gelungen. Tausend Dank an der Stelle für dein Wirken hier im europäischen Sinne. Viel Glück!
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema „Europa“ möchte ich gerne von einer Begebenheit berichten, die ich persönlich am Tag nach dem Referendum in Großbritannien erlebt habe. Das Referendum – das wissen wir alle – ist nicht so ausgegangen, wie ich es mir gewünscht hätte, wie wir uns das gewünscht hätten. Als mich Freunde und Bekannte im Vorfeld dieser Entscheidung in Großbritannien gefragt haben: „Wie schätzt du das ein? Wie geht das aus?“, habe ich immer allen gesagt: Ich glaube ganz ernsthaft, wenn es hart auf hart kommt, werden die Briten einfach klare Kante zeigen, und sie werden sich mehrheitlich für Europa entscheiden.
Sie haben es nicht getan. Als ich das Ergebnis morgens im Fernsehen gesehen habe, war ich echt überrascht und wirklich schockiert. Am nächsten Tag war es mir dann möglich, als ich nach einem Arbeitstag nach Hause kam, am Fernseher durch die Programme zu zappen und zu ergründen, warum das eigentlich passiert ist. Man muss fairerweise sagen: England, Wales, Schottland, Nordirland und auch London haben ja proeuropäisch gestimmt.
Als ich mich also durch die Fernsehkanäle gezappt habe, habe ich eine Sequenz gesehen, die ich bemerkenswert fand. Ich meine, es war auf BBC, ich weiß es nicht mehr genau Da ist ein Reporter durch London gelaufen und hat wahllos Menschen befragt: Die Entscheidung ist gefallen. Was sagen Sie persönlich dazu?
Es gab nun diese Situation, in der er auf eine Gruppe von Menschen zugegangen ist, die an einer Fußgängerampel stand, und von hinten jemanden angetippt hat. Das war ein Mann um die 40, der dann auf die Frage: „Was sagen Sie denn jetzt dazu?“, als er sich umdrehte, ohne nachzudenken ins Mikrofon gesagt hat: Look, you can destroy in a day, what took a whole generation to build.
Ich fand das so bemerkenswert, weil er einerseits das, was da wirklich passiert ist, gut auf den Punkt brachte, aber weil er andererseits auch Mahnung für mich ist, nämlich: Leute, guckt euch das an! Eine Wahl, eine Entscheidung – so schnell könnt ihr das kaputtmachen, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde.
Vor allen Dingen war es am Ende des Tages für mich eine unglaubliche Motivation, zu sagen: Genau das möchte ich hier nicht erleben. Ich möchte nicht den Leuten in Nordrhein-Westfalen, in Deutschland irgendwann erklären müssen, warum wir aus der Europäischen Union ausgetreten sind.
Ich bin der absolut festen Überzeugung, dass wir unsere Zukunft in Nordrhein-Westfalen nur positiv gestalten können – um den Frieden zu erhalten, um den Kontinent zu erhalten, um den Wohlstand zu erhalten und um die Freiheit hier zu sichern –, wenn wir dies gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn und nicht im Alleingang tun.
(Beifall von allen Fraktionen)
1989 sind viele Zehntausend Menschen in Deutschland auf die Straßen gegangen, haben friedlich demonstriert und haben mit ihren Demonstrationen dafür gesorgt, dass Mauern eingerissen wurden. Heute erleben wir wieder, dass Zehntausende auf die Straße gehen, wie beispielsweise – meine Vorredner haben es gesagt – bei Pulse of Europe oder beim March of Rome anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Europäischen Union.
1989 haben die Menschen in diesem Land gerufen: „Wir sind das Volk!“ Ich hoffe, viele von Ihnen werden in den nächsten Tagen auch bei Pulse of Europe auf der Straße stehen. Ich hoffe, dass auch dieses Haus gemeinsam ausrufen wird: Wir sind Europa! – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Allgemeiner Beifall) 

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