Josefine Paul: „In NRW ist es nach wie vor sicher, ins Stadion zu gehen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zu Fangewalt bei Fußballspielen

Portrait Josefine Paul

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Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an, die uns alle hier verbinden: Gewalt im Kontext von Fußballspielen ist absolut inakzeptabel, und die Täter müssen strafrechtliche Konsequenzen ihres Handels auch zu spüren bekommen. Das steht vollkommen außer Frage. Da sind wir uns alle hier im Hause einig.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und von der FDP)
Damit sind wir uns auch beim allerwichtigsten Punkt, nämlich der Ablehnung von Gewalt im Kontext von Fußballspielen, einig. Aber dabei bleibt es dann leider auch. Denn unbestreitbar schaden – das haben ja auch alle Vorredner gesagt – Szenen wie die vor dem Spiel des BVB gegen RB Leipzig unserer Fan- und Fußballkultur. Trotzdem gilt es, noch einmal deutlich herauszustellen, dass es eine sehr kleine Minderheit von Fans ist, welche die Bühne des Fußballs für gewalttätige Ausschreitungen nutzt.
Auch die Fans haben ja ein deutliches Zeichen ihrer Ablehnung solcher gewalttätigen Handlungen gesetzt. Die Faninitiative von Borussia Dortmund hat noch einmal klargemacht: Ja, man kann gegen das Konstrukt RB Leipzig sein. Das rechtfertigt aber in keiner Weise gewalttätige Ausschreitungen. – Und es war richtig, dass die Fans dieses Zeichen gesetzt haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Allein der Titel dieser Aktuellen Stunde, „Eskalierende Fan-Gewalt“, sagt doch einiges aus; das hat sich hier noch einmal gezeigt. Sie führen eine völlig überdrehte Debatte, die Sie zu Ihren Gunsten zu nutzen versuchen. Das hat nichts mit der Sachkenntnis bzw. der tatsächlichen Situation in den Stadien von Nordrhein-Westfalen zu tun.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ein Blick in die Statistik hilft jedoch. Ausweislich des Berichts der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze, kurz: ZIS, fanden in der Saison 2015/16 in Nordrhein-Westfalen 605 Spiele statt. 6,3 Millionen Menschen haben diese Spiele besucht und verfolgt. 277 Personen wurden dabei verletzt. Zum Vergleich: Im Vorjahr bzw. in der Vorsaison sind 305 Personen verletzt worden.
2.317 Strafverfahren sind eingeleitet worden, im Vorjahr waren es 2.721. Auch die Arbeitsbelastung der Polizistinnen und Polizisten hat sich von 555.000 auf 503.000 Stunden reduziert. Das macht doch sehr deutlich, liebe Kolleginnen und Kollegen von FDP und CDU: Ihre skandalisierenden Beiträge, die Sie hier auch noch einmal vorgetragen haben, halten einer statistischen Überprüfung nicht stand.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es steht doch außer Frage, dass Gewalttäter, die die Bühne des Fußballs missbrauchen, um hier gegenüber Fans, Funktionären und Polizei gewalttätig zu werden, eine Herausforderung sind, der wir nach wie vor begegnen müssen. Das steht doch vollkommen außer Frage. Natürlich sind auch 277 Verletzte immer noch 277 zu viel. Aber bei über 600 Spielen mit über 6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern wollen wir doch einmal ganz klar festhalten: In NRW ist es nach wie vor sicher, ins Stadion zu gehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie kritisieren hier einmal mehr die Einsatzkonzeption „Lageangepasste Reduzierung der polizeilichen Präsenz bei Fußballspielen“. Dabei verweisen Sie auf die Kritik der Gewerkschaft der Polizei. Allerdings äußerte sich Erich Rettinghaus, NRW-Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Beginn der Pilotphase wie folgt:
„Das ist mutig und zukunftsweisend. Wir lassen keinen Zweifel daran, dass die Polizei einschreitet, wenn Straftaten passieren, aber die kräftezehrende Rundum-Betreuung wird es nicht mehr geben.“
Damit ist doch auch der Kern Ihrer Frage: „Wie will die Landesregierung Fans, Mannschaften und Einsatzkräfte bei Fußballspielen in Zukunft besser schützen?“ beantwortet. Das Rundum-sorglos-Paket der Polizei kann es nicht geben, sondern es bedarf eines Netzwerkes, der Verantwortung aller Beteiligten, um die Sicherheit bei Fußballspielen zu gewährleisten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist Kern des Nationalen Konzepts Sport und Sicherheit. Das ist Kern der Beratungen im Nationalen Ausschuss Sport und Sicherheit. – Herr Sieveke, Sie schütteln den Kopf. Vielleicht besuchen Sie einmal diejenigen, die in den örtlichen Ausschüssen Sport und Sicherheit die wichtige Netzwerkarbeit leisten, und unterhalten sich mit ihnen.
Es geht darum, dass auch die Vereine ihre Verantwortung übernehmen. Da ist durchaus schon einiges Positive passiert. Allerdings sehe ich bei der Frage der Qualifizierung von Ordnerinnen und Ordnern durchaus Luft nach oben. Das ist ein wichtiger Teil; denn – ob Sie es hören wollen oder nicht – für die Sicherheit innerhalb der Stadien ist nun einmal der Verein zuständig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die NRW-Initiative hebt ja auf die Eigenverantwortung der Fanszene ab. Auch das ist ein wichtiger Punkt. Es geht doch um Dialog bzw. darum, miteinander ins Gespräch zu kommen und vor allem im Gespräch zu bleiben. Denn es gibt einen harten Kern – das hat Kollege Körfges auch schon gesagt –, den wir wohl nicht werden erreichen.
Aber wir müssen versuchen – und das gelingt uns in vielerlei Hinsicht –, diejenigen zu bekommen, die potenzielle Sympathisantinnen und Sympathisanten, Mitläufer oder sozusagen Gelegenheitsrandalierer sind. Dafür haben wir 15 landesweit geförderte Fanprojekte und eine LAG der Fanprojekte in NRW, die genau das tun. Sie nehmen auch die Belange von Fans ernst. Sie stärken den Dialog zwischen allen Netzwerkbeteiligten. Das ist ein ganz wichtiger Kern, wenn es darum geht, präventiv zu arbeiten und Gewalt zu verhindern.
(Beifall von den GRÜNEN)
Zu diesem Netzwerk gehört selbstverständlich die Polizei als zentraler Anker. Sie macht ihren Job.
Sie führen in Ihrem Antrag aus, dass die Polizei Dortmund-Fans auf dem Weg zum Auswärtsspiel nach Darmstadt quasi hoppgenommen hat. Sie habe dort pyrotechnische und andere waffenartige Dinge beschlagnahmt. Wollen Sie ernsthaft dem Innenminister zum Vorwurf machen, dass die Polizei im Vorfeld von Spielen Gewalttäter aus dem Verkehr zieht? Das ist doch nachgerade absurd.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Selbstverständlich hat die Landesregierung … Mehrfach ist schon angesprochen worden, was in dem Brief von RB Leipzig stand. Darin ist ausgeführt, dass der Mannschaftsbus als Symbol für dieses Vereinskonstrukt, das von vielen Fans abgelehnt wird, im Fokus stand. Uns hat der Verein bei einem Besuch des Sportausschusses auf dem Trainingsgelände ganz klar gesagt, dass es vor allem dieses Symbol des Vereins ist, das im Fokus steht.
Dieses Symbol – das geschah in Absprache mit den Verantwortlichen auch von RB Leipzig – ist in besonderer Weise geschützt worden. Das heißt im Grunde genommen nichts anderes als: Die Anforderungen von RB Leipzig an den Innenminister und an die Polizei von Nordrhein-Westfalen sind erfüllt worden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Skandalisierungspotenzial? Eher minimal. Aktuelle Stunde? An der Stelle vielleicht durchaus etwas ins Leere gelaufen.
Natürlich muss man schauen, ob es aufgrund der Ereignisse noch einmal einer Risikoanpassung bedarf. Muss man, wenn man den Bus schützt, auf der anderen Seite mit eruptiven Vorgängen rechnen, die es vorher in der Art und Weise nicht gab?
(Zuruf von Armin Laschet [CDU])
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Josefine Paul (GRÜNE): Ich habe es Ihnen vorhin schon kurz herübergerufen: Die Glaskugel gehört zum Glück nicht zur polizeilichen Einsatzplanung und auch nicht zur Lageeinschätzung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Daniel Sieveke [CDU])

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