Stefan Engstfeld: „Ich glaube, dass dieser Ausschuss unserer politischen Hygiene, unserer Demokratie gut getan hat“

Abschlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss I zum BLB

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über vier Jahre Arbeit, 2.300 Akten gesichtet, 62.000 Seiten staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsakten durchgesehen – wir haben es gehört –, über 130 Zeugenvernehmungen, ein über 800 Seiten starker Abschlussbericht als Ergebnis – wenn man die Druckversion in der Hand hält, wird klar, wie umfangreich unsere Ermittlungsarbeit in den letzten Jahren war.
Umso zufriedener können wir sein, dass wir den äußerst komplexen Untersuchungsgegenstand und Untersuchungsauftrag vollständig abgearbeitet haben. Das ist sehr gut und ein Erfolg. Denn dieses gemeinsame Ergebnis ist nur durch eine gute und seriöse Zusammenarbeit über die Fraktionsgrenzen hinweg gelungen.
Daher gilt an dieser Stelle natürlich von mir persönlich wie auch von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in diesem Hohen Haus der Dank der Vorsitzenden, Nadja Lüders, und ihrem Stellvertreter, Christian Haardt. Auch dem Vorgänger, Sven Wolf, danke ich herzlich. Er hatte bis April 2015 den Ausschussvorsitz inne.
(Allgemeiner Beifall)
Ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen für die bei aller politischen Härte faire und professionelle Zusammenarbeit. Damit fühlen sich bitte nicht nur die Abgeordnetenkollegen, sondern auch die Referentinnen und Referenten angesprochen. – Herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)
Natürlich spreche ich auch dem Ausschussreferenten, Herrn Haberland, und der Ausschussassistenz, Frau Kowol, die beide sehr gute Arbeit geleistet haben, von unserer Fraktion und mir persönlich ganz herzlichen Dank aus. Das sage ich auch in Richtung des Sitzungsdokumentarischen Dienstes und allen, die an diesem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss mitgewirkt haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach der Auflösung des Landtags im Jahr 2012 war zunächst unklar, ob es eine Fortsetzung dieses Untersuchungsausschusses zu den Bauvorhaben unter der Leitung des Bau- und Liegenschaftsbetriebes des Landes Nordrhein-Westfalen geben würde. Es gab Stimmen, die dies forderten, und solche, die keine Fortsetzung der Untersuchungsarbeit wollten.
Nicht zuletzt durch die Initiative der Piraten – das muss man der Fairness halber eindeutig sehen und erwähnen – wurde erneut ein Untersuchungsausschuss im September 2012 zu demselben Thema eingesetzt. Wir haben dies sehr begrüßt, weil meine Fraktion es immer für absolut notwendig gehalten hat, die Skandale rund um den BLB lückenlos aufzuklären. Umso zufriedener sind wir jetzt, da wir die Untersuchungen erfolgreich abgeschlossen haben.
Der Bericht, der nun vorliegt, dokumentiert in aller Ausführlichkeit, was genau beim BLB und in der Politik – vor allen Dingen unter der Regierung Rüttgers von 2005 bis 2010, die ebenfalls eine große Verantwortung hatte – schiefgelaufen ist. Denn alle Bauvorhaben, die wir untersucht haben, weil sie aus dem Ruder gelaufen sind, fanden unter schwarz-gelber Regierungsverantwortung statt. Teilweise waren sie vorher beschlossen, aber aus dem Ruder gelaufen sind alle in den Jahren 2005 bis 2010. Diese schwarz-gelbe Landesregierung war oftmals sogar Auftraggeber für einige der Bauprojekte, die aus dem Ruder gelaufen sind und zu exorbitanten Kosten geführt haben.
Man wollte beispielsweise – das ist erwähnt worden – vonseiten der Rüttgers-Regierung beim Landesarchiv Duisburg ein – so steht es im Bericht, Zitat – „herausragendes Gebäude mit architektonischer Zeichensetzung“ anstelle eines kostengünstigeren Zweckbaus. Und man bekam ein herausragendes Gebäude mit architektonischer Zeichensetzung. Auch die Baukosten waren dann natürlich herausragend. Zwischenzeitlich war sogar eine Partyetage in der Dachspitze im Gespräch, wo die Landesregierung im Rahmen der Kulturmetropole 2010 Empfänge geben wollte. So hat uns das ein Zeuge geschildert. Die Funktionalität spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Auch das steht in unserem Bericht – ein gemeinsamer Bericht, um es an dieser Stelle noch einmal zu betonen. Bezahlen mussten dies alles der Steuerzahler und die Steuerzahlerin, nicht der Auftraggeber.
Auch die Ausübung der Fachaufsicht durch das von Dr. Helmut Linssen geführte Finanzministerium spielte in unseren Untersuchungen eine Rolle. Mal war, wenn etwas schief ging, ganz allein der BLB verantwortlich und das Finanzministerium hatte nichts damit zu tun. An anderer Stelle wiederum, zum Beispiel beim Vodafone-Hochhaus, griff Finanzminister Linssen persönlich in Kaufverhandlungen ein und rühmte sich mit dem aus seiner Sicht guten Ergebnis. Verantwortung im Sinne einer effektiven Fachaufsicht sieht anders aus.
CDU und FDP vertraten im Ausschuss zunächst die Linie, dass einzig und allein die Strukturen des BLB daran schuld seien, dass unter ihrer Regierungsverantwortung so einiges beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes schief ging. So kann man natürlich auch versuchen, sich der eigenen Verantwortung zu entledigen. Das ist in etwa so, als wenn sich der Bankräuber darauf berufen würde, er sei unschuldig, weil es doch eine Lücke im Sicherheitssystem der Bank gegeben habe.
Andererseits kann man nicht alles durch strukturelle Gestaltung verhindern, vor allem nicht, wenn jemand wie der ehemalige Geschäftsführer Ferdinand Tiggemann, der ja – wie erwähnt wurde – am Montag zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt wurde, mit solch hoher krimineller Energie agiert. Das Urteil – siebeneinhalb Jahre, direkt im Gerichtssaal verhaftet – ist hart, aber, wie ich finde, angemessen und gerecht.
Ich möchte zum Schluss meiner Rede noch einen generellen Punkt ansprechen. Unser Untersuchungsausschuss – das hat unsere Vorsitzende erwähnt – lief parallel zu den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Unsere Herangehensweise war jedoch, die politischen Verantwortlichkeiten festzustellen. Diese politischen Verantwortlichkeiten festzustellen, ist letztendlich eine wichtige Funktion von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in einer parlamentarischen Demokratie. Das unterscheidet Demokratien von nichtdemokratischen Staaten.
In einer Demokratie werden Dinge wie Korruption, aber auch politische Fehlentscheidungen möglichst lückenlos – wie in diesem Fall – aufgearbeitet, auch wenn dies manchen natürlich so nicht passt. Nur so kann man Licht ins Dunkel bringen, und nur so können Verantwortungsträger, die versuchen, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, gezwungen werden, ihre Verantwortung zu übernehmen.
Untersuchungsausschüsse sind, wie auch unser Rechtsstaat im Ganzen, nicht zuletzt auch eine Drohkulisse für all diejenigen, die meinen, sich über Regeln hinwegsetzen zu können. In einem Rechtsstaat, in einer Demokratie kommt man damit nicht durch. Das hat Konsequenzen – strafrechtliche und in der Regel auch politische. Manches ist vielleicht nicht einmal strafbar, aber dennoch moralisch falsch. Auch das spielt ja in der Politik eine Rolle.
Die Menschen, die uns wählen, müssen uns vertrauen können und wissen, dass, wenn dieses Vertrauen missbraucht wird, dem nachgegangen wird, bis die Verantwortlichkeiten geklärt sind. Das parlamentarische Instrument dafür ist der Untersuchungsausschuss. Zu der Frage, ob sich der Aufwand gelohnt hat, ob der Untersuchungsausschuss etwas gebracht hat, kann ich nur sagen: Ja, der Aufwand hat sich gelohnt. Ich glaube, dass dieser Parlamentarische Untersuchungsausschuss unserer politischen Hygiene, unserer Demokratie gut getan hat. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Oliver Bayer [PIRATEN])