Faire Arbeitsbedingungen dürfen nicht an Grenzen haltmachen

Andrea Asch zur Klage gegen Kik in Dortmund und ihre Informationsreise nach Bangladesch

Bei dem Feuer in der Fabrik "Ali Enterprises” in Pakistan starben 2012 auch deshalb so viele Menschen, weil Fenster vergittert und einige Notausgänge verschlossen waren. Der Textildiscounter „KiK“ mit Sitz in Bönen im Kreis Unna bezog 70 Prozent der Waren, die in der Unglücksfabrik hergestellt wurden. Auf Druck der Öffentlichkeit zahlte „KiK“ eine Millionen Dollar Entschädigung. Doch das ist angesichts der verheerenden Folgen völlig unzureichend. Die Kläger*innen – drei verloren Kinder bei dem Brand, einer von ihnen leidet weiter unter den gesundheitlichen Folgen – wollen Gerechtigkeit. Sie fordern, dass Unternehmen auch für die Arbeitsbedingungen in ihren Tochter- und Zulieferbetrieben im Ausland haften müssen.
Das Landgericht hat bereits Prozesskostenhilfe gewährt. Zudem hat die 7. Zivilkammer veranlasst, dass ein schriftliches Rechtsgutachten zum pakistanischen Recht eingeholt wird. Es soll klären, ob und unter welchen Anspruchsvoraussetzungen eine Haftung gegeben sein könnte und welche Partei die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen und zu beweisen hat.
Dieser Prozess ist ein Novum in der deutschen Justizgeschichte. Er hat große Bedeutung für den Umgang mit Menschenrechtsverletzungen, die durch deutsche Unternehmen verursacht werden. Und es ist gut, dass die Öffentlichkeit sich mit den Produktionsbedingungen im Ausland und der Situation der Arbeiter*innen beschäftigt. Der Fall zeigt: Unsere Konsumentscheidungen beeinflussen das Leben anderer Menschen.
Nur ein Jahr nach der Katastrophe in Karatschi brannte die Fabrik „Rana Plaza“ in Bangladesch und 1000 Menschen starben, weitere 2000 wurden schwer verletzt. „KiK“ bezog auch aus dieser Fabrik Ware. Die Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Asien sind oftmals menschenunwürdig. In diesem Industriesegment werden grundlegende Arbeitnehmerrechte verletzt. Die Beschäftigten werden oft gezwungen, bis zu 16 Stunden an sieben Tagen in der Woche zu arbeiten. Dafür bekommen sie ohne Überstunden umgerechnet etwa 30 Euro im Monat. Insbesondere Frauen, die zwischen 75 und 90 Prozent der Belegschaft ausmachen, werden ausgebeutet und dazu von ihren männlichen Vorgesetzen oft schikaniert, diskriminiert und sogar sexuell belästigt.
Um vor Ort noch mehr über die Sozial- und Arbeitsstandards zu erfahren, reise ich nach Bangladesch. Auf dem Programm unserer Delegation aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft stehen neben Besuchen in Textilfabriken auch Gespräche mit Politiker*innen und Vertreter*innen von NGOs. Organisiert wird die Dialogreise von Newtrade NRW. Wir haben das Projektbüro in NRW eingerichtet, um die Umsetzung fairer Beschaffung in öffentlichen Vergabestellen zu begleiten und zu unterstützen.
Denn in NRW haben wir mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Bedingung für die Erteilung öffentlicher Aufträge gemacht. Wir nehmen damit unsere Verantwortung wahr, Menschenrechte zu schützen und zu achten – über die europäischen Grenzen hinaus.
Die Bundesregierung hingegen hat ein Jahr nach der Katastrophe von „Rana Plaza“ im UN-Menschenrechtsrat gegen eine Resolution gestimmt, die die Erarbeitung eines verbindlichen Instruments forderte, um die Aktivitäten von transnationalen Unternehmen zu regulieren. Die Bundesregierung hat ihren Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte noch immer nicht vorgelegt. Sie drückt sich davor, verbindliche Regeln zu formulieren, die Menschenrechtsverstöße verbieten und sanktionieren. Auch aus diesem Grund ist das Gerichtverfahren in Dortmund sehr wichtig, um ein Zeichen zum Schutz von Arbeitnehmerrechten in anderen Ländern zu setzen.