Arif Ünal: „Es ist dringend notwendig, auf der Bundesebene einen klaren rechtlichen Rahmen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis zu schaffen.“

Antrag der Piraten zur Freigabe von Cannabis

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Arif Ünal (GRÜNE): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Über den Umgang mit Drogenhandel und Drogenkonsum wird seit Jahrzehnten sehr emotional diskutiert. Inzwischen sind diese Debatten schon an vielen Punkten von der gesellschaftlichen Realität überholt worden, insbesondere was den Cannabiskonsum angeht. Erlauben Sie mir, einige Eckpunkte über den Cannabiskonsum und unsere Haltung darzulegen.
Bisher haben es die Mittel des Strafrechts und andere rechtliche Sanktionen nicht vermocht, den Konsum einzudämmen und den Handel in den Griff zu bekommen. Das ist eine Realität. Es scheint uns daher sehr überfällig, die geltenden rechtlichen Normen an die gesellschaftliche Realität anzupassen, auch im Hinblick auf eine nachhaltige Verbesserung der Voraussetzungen für eine wirksame Präventionspolitik.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Mit dem Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz haben die Grünen im Bundestag 2015 die gesellschaftliche und politische Debatte um eine Neubewertung der Sucht- und Drogenpolitik neu belebt. Ziele sind eine kontrollierte Abgabe, ein kontrollierter Markt und ein wirksamer Jugendschutz.
Meine Damen und Herren, seit Mai 2011 ist es grundsätzlich möglich, Cannabis zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken zu verwenden und cannabishaltige Zubereitungen als Fertigarzneimittel zu verschreiben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte kann in Ausnahmefällen eine Erlaubnis zu wissenschaftlichen oder anderen, im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Mit der vor wenigen Tagen beschlossenen Gesetzesnovelle zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes ist nun auch die Vergabe von Cannabis aus medizinischen Gründen mit Verschreibung möglich.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Forderung der Grünen und vieler gesellschaftlicher Gruppen geht aber wesentlich weiter, nämlich mittels Modellversuchen die Möglichkeit zu überprüfen, ob die kontrollierte Abgabe von Cannabis unter Einhaltung des Jugend- und Verbraucherschutzes einen risikoärmeren Konsum fördert und negative Effekte des Verbotes verringern oder sogar beseitigen kann. Ziel ist nicht, den Drogenkonsum zu befördern, sondern, einem gesellschaftlichen Problem mit einem anderen Lösungsansatz zu begegnen und sich dabei stärker als bisher an der Lebensrealität zu orientieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bundesweit wird in 25 Kommunen über Modellprojekte für eine kontrollierte Abgabe politisch diskutiert. In NRW haben bisher die Räte in Düsseldorf und Münster Ratsbeschlüsse zur Beantragung entsprechender Modellprojekte gefasst. Die Beschlüsse in beiden Städten gehen jeweils auf eine Initiative der dortigen grünen Ratsfraktion zurück. In beiden Städten finden in den Kommunen in den kommenden Wochen und Monaten intensive Beratungen über die Konzepte und die Ausgestaltung der Forschungsprojekte, die zur kontrollierten Abgabe beantragt werden sollen, statt.
Die Piraten versuchen nun, mit ihrem Antrag im Landtag auf den Zug aufzuspringen, und vermitteln den Eindruck, als würden wir im Landtag über die Modellprojekte entscheiden können. Das ist natürlich nicht so. So sinnvoll und wichtig wir Grünen die kontrollierte Abgabe finden, der Landtag hat diesbezüglich keine Kompetenzen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Grünen unterstützen die Kommunen, die sich mit entsprechenden Initiativen auf den Weg machen und einen Antrag auf einen Modellversuch an das Bundesinstitut richten wollen. Zunächst müssen diese Anträge gut vorbereitet werden, was beide genannten Kommunen in NRW unter starker Beteiligung der Grünen im Moment auch tun. Erst nach einem positiven Bescheid – die Zuständigkeit liegt beim Bundesinstitut – gilt es, die Finanzierung für die entsprechenden Modellprojekte auf den Weg zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen, es ist dringend notwendig, auf der Bundesebene einen klaren rechtlichen Rahmen für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis zu schaffen. Die Grünen haben mit dem Entwurf für ein Cannabiskontrollgesetz die parlamentarische Initiative übernommen. Der Gesetzentwurf ist im Bundestag weiterhin in Beratung.
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit, Herr Ünal.
Arif Ünal (GRÜNE): Das heißt, wir setzen alles daran, dass es zu einer entsprechenden Änderung kommt. Trotzdem werden wir heute sowohl den Antrag der Piraten als auch den Entschließungsantrag der FDP ablehnen, weil wir inhaltlich dafür überhaupt keinen Grund sehen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Herr Kollege Ünal, bleiben Sie bitte am Rednerpult. Herr Kollege Düngel wollte Ihnen eigentlich eine Zwischenfrage stellen. Aber wenn ich Sie noch mal unterbrochen hätte, wäre es auch schwierig geworden. – Möchten Sie nun eine Kurzintervention halten?
(Daniel Düngel [PIRATEN]: Ja!)
– Okay.
Daniel Düngel (PIRATEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass wir das so flexibel handhaben können und ich die Möglichkeit habe, eine Kurzintervention anzubringen.
Herr Kollege Ünal, Sie haben mehrfach die Position der Grünen dargelegt. Sie werden verstehen, dass ich anderer Meinung bin, nämlich dass wir sehr wohl auch auf Landesebene in gewisser Weise in diesen Belangen eine Kompetenz haben. Ich stelle fest, dass gerade im Gesundheitsbereich und im Gesundheitsministerium bezüglich der Verantwortung und Durchsetzung immer auf die Kommunen oder auf den Bund gesetzt wird. Das Land kann, wenn ich Ihren Ausführungen und denen der Gesundheitsministerin folge, im Gesundheitsbereich im Prinzip nichts machen. Diesbezüglich wollte ich Ihnen vorhin die Zwischenfrage stellen, wann wir denn das Gesundheitsministerium auf Landesebene abschaffen. Es scheint ja nicht erforderlich zu sein.
Meine zweite Frage lautet: Wo ist Ihr Entschließungsantrag zu dieser Thematik? Wo ist der Antrag, in dem ganz klar dargestellt wird, was die Position der Grünen im Land ist, die man mit der rot-grünen Regierungskoalition auch durchsetzen kann? Wieso bekommen wir das nicht schriftlich? Wo ist der Entschließungsantrag?
(Beifall von den PIRATEN und Susanne Schneider [FDP])
Arif Ünal (GRÜNE): Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir als Grüne haben unsere Position sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene sowie auf der kommunalen Ebene klar dargestellt. Das Land hat natürlich die Möglichkeiten, ich habe in diesem Antrag aber keine Kompetenzen gesehen. Auf einmal wollen Sie eine Million € zur Verfügung stellen,
(Zuruf von den PIRATEN: Was?)
obwohl die Kommunen, die Anträge gestellt haben, überhaupt keinen Finanzbedarf angemeldet haben.
(Zuruf von den PIRATEN: Wo steht das? Können Sie das klarstellen?)
Diese Antragstellung kostet 20.000 €, die sie selber übernehmen. Nachdem das Bundesinstitut die Sondergenehmigung erteilt hat, müssen wir uns über die Finanzierung der Modellprojekte und eine wissenschaftliche Begleitung Gedanken machen. Dabei kann das Land auch eine Rolle spielen, aber momentan gibt es keine Möglichkeiten, diese Finanzierung vom Land bereitzustellen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich denke, so gesehen kann man sagen, dass dieser Antrag inhaltlich nichts bringt. Wenn Sie daran Interesse hätten – Sie sehen ja, dass im Landtag darüber immer noch Diskussionsbedarf herrscht –, dann hätten Sie den Antrag zur Überweisung gestellt, und dann könnten wir im Fachausschuss noch einmal miteinander darüber diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie sehen doch den Bedarf, weil es unterschiedliche Meinungen gibt. So gesehen sind Sie aber offenbar inhaltlich nicht daran interessiert, die Sache voranzutreiben, sondern wollen einfach nur einen Impuls geben und nach außen diese Signale senden. Dabei spielen wir nicht mit. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Wie oft denn noch?!)

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