Rolf Beu: „Wir Grüne wollen, dass mehr Menschen Bus und Bahn nutzen“

Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Finanzierung des ÖPNV"

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Rolf Beu (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Enquetekommission IV des Landtags NRW legt heute ihren Abschlussbericht vor. Wir haben uns zwei Jahre lang mit den Finanzierungsoptionen des öffentlichen Personenverkehrs in Nordrhein-Westfalen im Kontext des gesellschaftlichen und technischen Wandels befasst. So lautet auch der offizielle Titel der Kommission, und das war auch deren Arbeitsfeld.
Wir Grüne sehen am Ende dieses Prozesses viel Einigkeit. Alle Fraktionen bestätigen die hohe Bedeutung des öffentlichen Personenverkehrs für die Gesellschaft. Sie alle möchten ein besseres Angebot und mehr Service. Die Kommission hat viele sinnvolle Vorschläge für den Weg dorthin diskutiert.
Unter anderem wurde Folgendes – ich führe jetzt beispielhaft nur einige praktische Möglichkeiten auf – diskutiert und angeregt: erstens die überjährigen Fonds zur Finanzierung der Infrastruktur, zweitens ein Lebenszyklusmodell der Infrastrukturfinanzierung, drittens die Entwicklung eines qualifizierten Regionalnetzes und viertens das Schaffen von leicht verständlichen und wiedererkennbaren Standards für Mobilstationen.
Alle Handlungsempfehlungen müssen jetzt weiter konkretisiert werden und in die Umsetzung gehen. Mit dem ÖPNV-Gesetz haben SPD und Grüne bereits vorab erste Sonderförderungen zur Verfügung gestellt, zum Beispiel für die Reaktivierung von stillgelegten Schienenstrecken oder auch – vielleicht hat Herr Rehbaum das übersehen – für die nachholende Sanierung von Stadtbahnstrecken. Diese ist im ÖPNV-Gesetz, das wir im Dezember vorigen Jahres beschlossen haben, bereits Teil der Sonderförderung. In diesem Zusammenhang erwähne ich aber auch die Elektrifizierung bisheriger Dieselstrecken, damit die bereits grundsätzlich umweltfreundliche Bahn einen noch höheren Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten kann.
Unser aller Aufgabe ist und bleibt die Herstellung der Barrierefreiheit für mobilitätseingeschränkte Mitbürgerinnen und Mitbürger. Der Bundesgesetzgeber hat dies im Personenbeförderungsgesetz bereits für das Jahr 2022 vorgeschlagen. Bis dahin sollen die Maßnahmen realisiert werden. Viele unserer Kommunen im Lande sind da im zeitlichen Verzug. Wir als Land NRW leisten dort Hilfe.
Wir Grüne wollen, dass mehr Menschen Bus und Bahn nutzen. Dazu ist ein Ausbau der Infrastruktur unverzichtbar. Hierzu benötigt der ÖPNV jedoch weitaus mehr Finanzmittel, als bisher zur Verfügung standen. Neben den Fahrgästen und dem Land müssen sich auch der Bund sowie die Kommunen verstärkt um ihre Aufgaben kümmern und ihrer Verantwortung nachkommen.
Dies gilt auch für diejenigen die einen sogenannten Drittnutzen haben: Handel und Gewerbe, Arbeitgeber und Immobilienbesitzer profitieren von guten ÖPNV-Anbindungen. Dass eine finanzielle Beteiligung dieser Gruppen möglich ist, ohne dass Arbeitsplätze gefährdet werden und ohne dass die Mieten explodieren, beweist Frankreich mit der Abgabe „Versement Transport“. Auch in Deutschland ist so etwas möglich. Schon heute gibt es einzelne Fälle, wo sich Privatunternehmen auf freiwilliger Basis an der Finanzierung des ÖPNV beteiligen.
Wichtig ist uns Grünen aber vor allem, dass die Benutzung des ÖPNV einfacher gestaltet wird. Dazu gehören eine transparente Tarifgestaltung, die landesweite Angleichung von Apps und Infrastrukturvorgaben sowie die Ausrichtung des Angebots der Verkehrsunternehmen an den Bedürfnissen der Fahrgäste.
Um dieses Fahrziel „Zukunft“ zu erreichen, haben wir Grüne den Mut, die Frage zu stellen: Ist die jetzige Zersplitterung des ÖPNV in NRW – mit diversen kleinsten, kleinen und großen kommunalen Verkehrsunternehmen, mit Städten und Kreisen als gesetzlichen Aufgabenträgern, mit neun und nicht, wie Herr Rehbaum sagte, drei Tarifverkehrsverbünden sowie mit drei Aufgabenträgerverbünden für den SPNV – der bestmögliche Weg? Oder führt er in eine Sackgasse?
Bedarf es nicht einer intelligenten, übergeordneten Steuerung der Arbeit der Zweckverbände – sei es in der Form einer Landesverkehrsgesellschaft oder etwas Ähnlichem? Weil das so ist, findet sich im Wahlprogramm meiner Partei die Forderung wieder, dass die Interessen der Fahrgäste im Mittelpunkt stehen müssen und dass sich die Strukturen an diesen auszurichten haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Andere zucken vor dieser Systemfrage zurück. Allen Defiziten zum Trotz möchten sie unverrückbar am alten System unreformiert festhalten. An diesem Punkt waren wir uns in der Kommission uneinig. Ich will hier auch feststellen, dass nach zwei Jahren Diskussionen nicht nur hier Differenzen zwischen den Fraktionen verblieben.
Diesen punktuellen Differenzen zum Trotz beurteilen wir Grüne die Ergebnisse der Enquetekommission als Erfolg für den ÖPNV und als Erfolg für Nordrhein-Westfalen. Deshalb haben die Fraktionen von SPD und Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht. Alle zwei Jahre soll die Landesregierung dem Parlament über die Umsetzung der formulierten Ziele der Enquetekommission berichten. So bewahren wir den Erfolg der gemeinsamen Diskussionen und schaffen den nötigen politischen Druck sowie die nötige Dynamik, um beim ÖPNV am Ball zu bleiben.
Die vorzeigbaren Ergebnisse sind das Resultat der ausführlichen fachlichen Diskussion in der Enquetekommission. Für die offene, stets zielführende Diskussion bedanke ich mich ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen.
Last but not least haben neben den Sachverständigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landtagsverwaltung und der Fraktionen ein großes Stück zum Erfolg beigetragen. Ohne ihr Wirken im Hintergrund wäre die Arbeit der Kommission nicht so gelungen. Darum geht an sie mein ganz herzlicher Dank für ihre wertvolle Unterstützung.
Und ich sage nochmals: Viel Erfolg in der Zukunft für den ÖPNV in diesem unserem Land.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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