Jutta Velte: „Wer Familien, denen es nicht so gut geht, nicht wertschätzt, schätzt Familie insgesamt nicht wert“

Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Zukunft der Familienpolitik"

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Jutta Velte (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Ich möchte einen Dank an alle Mitglieder der Kommission voranstellen. Wir haben gestritten. Wir haben gelernt, dass – zu meiner großen Überraschung – Familie ein extrem emotionales Thema ist. Wir haben lange gebraucht, bis wir uns so weit zusammengerauft hatten, dass wir unsere Sichtweisen ein Stück weit einander angleichen konnten.
Heldin dieses ganzen Prozesses – diese Bemerkung sei mir gestattet – ist Frau Ingrid Hack als Vorsitzende, die es immer wieder geschafft hat, auch zerstrittene Positionen zusammenzuführen. Ich finde, da hat sie eine Menge Verdienst erworben.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)
Fast 40 % der in Nordrhein-Westfalen lebenden Familien haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Die Wurzeln ihrer Großeltern liegen nicht in Deutschland. Sie machen einen wesentlichen Teil Nordrhein-Westfalens aus. Deswegen ist es mir ein großes Anliegen, darauf hinzuweisen, dass wir dieses Thema in der Kommission immer mit diskutiert haben. Wir haben im Zusammenhang mit den vielen Familien mit Migrationsgeschichte immer wieder überlegt: In welcher Situation sind sie betroffen? Wie gehen sie mit der Situation um? – Wir haben eigene Handlungsempfehlungen entworfen, die sich speziell um die Belange der Familien mit Wurzeln in anderen Ländern kümmern.
Eine ganz wichtige Fragestellung – das hat hier noch niemand erwähnt – ist die Anerkenntnis der Mehrsprachigkeit der Familien, der Kinder, und die Anerkenntnis der Diversität dieser jeweiligen Communitys. Dazu haben wir Handlungsempfehlungen verabredet.
Unser übereinstimmendes Ziel ist es, dass alle Kräfte, die sich um diese Kinder kümmern, armutssensibel und kultursensibel ausgebildet werden müssen. Das ist in einem Land wie Nordrhein-Westfalen sehr wichtig. Da schon viele Menschen in diesem Bereich tätig sind, können wir in Nordrhein-Westfalen sehr stolz auf die Erzieherinnen und auf die Lehrer und Lehrerinnen sein, die diese Kunst bereits beherrschen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Häufig war auch die Rede von Gebührenfreiheit, vom Familienfördergesetz usw. Wir haben sehr viel darum gestritten, wie es gelingen kann, dass wir zueinanderkommen und uns um diejenigen Menschen in unserem Land kümmern, die unter dem Stichwort „einkommensarm“ in unseren Städten leben. Das ist mir ein großes Anliegen.
Es hat mich sehr schockiert, dass es von Teilen der Kommission hieß – Frau Hack hat es bereits erwähnt –: Das Thema „Einkommensarmut“ interessiert uns eigentlich nicht. – Als Kommission haben wir dann gemeinsam entschieden, dass die Einkommensarmut mit Blick auf Familie ein wichtiges Thema ist. Wir haben sehr lange den von KeKiz vorgetragenen Ergebnissen gelauscht; wir haben auch den Ergebnissen von Herrn Prof. Dr. Strohmeier gelauscht, der sehr deutlich gemacht hat, welche Folgen die Einkommensarmut von Familien auf die Kinder und auf das gesellschaftliche Gedeihen hat.
Gemeinsam haben wir uns darauf verständigt, dass wir die Quartiere, die Stadtteile, die Straßenzüge, in denen diese Menschen leben, noch einmal neu in den Blick nehmen und uns überlegen: Mit welchen Instrumenten gelingt es uns, dort die höchste Qualität hineinzubringen? Wie können wir unsere Stadtteile so aufwerten, dass sich Familien dort auch wertgeschätzt fühlen? Wie viel Grün können wir in diese Stadtteile hineinbringen? Wie viel Bildung können wir in diese Stadtteile hineinbringen? Wie kann es gelingen, dass die Eltern und die Familien dort besser und stärker an Gesellschaft teilhaben können? Das war eine ganz wesentliche Frage, die wir viele Stunden diskutiert haben; denn in einer Gesellschaft wie der unseren gelten diese Eltern zum Teil als abgehängt.
Die Investitionen, die wir als Land in unseren Kommunen tätigen wollen, und für die wir entsprechende Forderungen an den Bund stellen, müssen auch gerade diese Menschen in den Blick nehmen. Das erfordert eine gewisse Wertschätzung der Familien. Wer Familien, denen es nicht so gut geht, nicht wertschätzt, schätzt Familie insgesamt nicht wert.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD und der CDU)
Ich komme zum Schluss und bleibe beim Thema. Wir alle haben betont, wie wichtig uns Familie ist. Umso dramatischer ist es, wenn die Frage des Familiennachzugs bei geflüchteten Menschen kritisch diskutiert wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und vielen Dank an die Kommission.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

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