Mehrdad Mostofizadeh: „Dieser Beschluss ist Gift für die Integration in unserem Land“

Aktuelle Stunde auf Antrag von SPD und GRÜNEN zum Doppelpass

Mehrdad Mostofizadeh

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Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es, ehrlich gesagt, auch schade, dass Armin Laschet heute nicht bei der Sitzung anwesend ist und sich dieser Debatte stellt.
(Zurufe von der CDU)
Ich kann Ihnen etwas sagen: Ich habe keine Fragen an Frau Kraft, weil sie sich in dieser Frage sehr eindeutig positioniert hat und deswegen hier heute nicht Stellung beziehen muss.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
André Kuper, du weißt bzw. Sie wissen – in einer Plenardebatte siezen wir uns vielleicht –, dass ich sehr großen Respekt vor Ihnen habe und wir auch, glaube ich, freundschaftlich das eine oder andere Fußballspiel miteinander bestreiten. Trotzdem hätte ich schon erwartet, dass der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, der Vorsitzende der CDU NRW, hier heute Stellung bezogen oder – dann hätten wir die Debatte gar nicht – die Chance genutzt hätte, in den vergangenen Tagen zu dieser Frage Stellung zu beziehen und sich nicht in sein Büro einzuschließen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Michele Marsching [PIRATEN]: Dann hätten Sie die Aktuelle Stunde zurückgezogen oder wie? Was ein Blödsinn!)
Ich sage Ihnen auch ganz offen: Der Essener Parteitag der CDU hat mit großer Deutlichkeit gezeigt, wo die CDU ist. Sie sind zerstritten, innerlich nicht klar aufgestellt. Das ist nicht mehr das, was Konrad Adenauer und Helmut Kohl so stolz gemacht hat.
(Zurufe von der CDU und der FDP – Unruhe – Glocke)
Sie waren so stolz, dass Sie so stabil waren, auf klare Werte setzen konnten und diese auch immer wieder vortragen konnten. Wenn man sich Ihre Linien der jeweiligen Wahlkämpfe anguckt, stellt man fest: Es waren immer wieder vergleichbare Werte.
Sie hatte 2014 endlich zugestimmt, den Doppelpass weitgehend zu tolerieren und die Optionspflicht abzuschaffen. Es war ein gutes Zeichen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich die CDU endlich bewegt hat. Doch in Essen haben Sie das wieder infrage gestellt. Das ist ein Rückschlag für Ihre Modernisierung. Es ist ein Zickzackkurs, den wir in Ihrer Partei sehen müssen. Und das macht deutlich: Sie schwanken zwischen Modernisierern und Traditionalisten. Das ist heute bei den Zwischenrufen noch einmal sehr deutlich geworden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich stelle mir schon die Frage, wer sich jetzt durchsetzen wird. Die Traditionalisten in der Linie von Alfred Dregger und Roland Koch oder vielleicht doch die Modernisierer, zu denen ich eigentlich André Kuper und auch Armin Laschet zähle? Ich sage Ihnen: Dieser Beschluss, den Sie gefasst haben, ist Gift für die Integration in unserem Land und auch für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich finde das einigermaßen erstaunlich, denn Nordrhein-Westfalen ist doch das Bundesland, welches seit mehr als 100 Jahren unter Beweis gestellt hat, wie Integration gelebt wird, wie Melting Pot funktionieren kann. Wir sind das Bundesland, wo auch die Einstellung der Menschen gegenüber Zuwanderung und im Hinblick auf ein modernes Zusammenleben am offensten ist. Dazu kann ich ganz persönlich sagen: Ich fühle mich wohl in diesem, meinem Heimatland, in diesem Ruhrgebiet, in diesem Nordrhein-Westfalen. Das hat gute Gründe. Und das sollten wir auch weiterhin so machen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Kollege Römer hat eben darauf hingewiesen: Wenn Sie jetzt wieder zurück zur Optionspflicht wollen, dann lese ich Ihnen einmal vor, was ein junger, 1997 in Köln geborener Mensch mit türkischer, vielleicht auch deutscher Staatsbürgerschaft gesagt hat. Es handelt sich um Talha Evran. Der sagte 2014, wenige Tage, bevor die Optionspflicht abgeschafft worden ist:
Den Entscheidungszwang für eine neue Staatsbürgerschaft verstehe ich allerdings nicht. Wo ist das Problem? Und vor allem: Warum bekommen andere, zum Beispiel EU-Bürger, die doppelte Staatsbürgerschaft und uns Türkischstämmigen wird sie verweigert? Was habe ich, was die nicht haben? Das ist doch unfair und entspricht definitiv nicht dem Prinzip der Gleichberechtigung. Ich hoffe, dass diese Politik diese Widersprüche wahrnimmt und die doppelte Staatsbürgerschaft bald auch für mich möglich ist.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ja, da hat Talha etwas getroffen, was ich wirklich ungerecht finde. Sie haben 2014 mit David McAllister den Wahlkampf für die Europawahl bestritten und in Deutschland Werbung dafür gemacht, dass ein Doppelstaatler die CDU nach Brüssel führen soll. Erkennen Sie wenigstens den Widerspruch?
Ich will Ihnen einmal beschreiben, wie das bei mir aussieht: Ich wurde 1969 in einem kleinen Dorf bei Bad Gandersheim in Niedersachsen geboren. Damals hatte ich die iranische Staatsbürgerschaft, wofür ich überhaupt nichts konnte, da mein Vater sie beantragt hatte. Fünf Jahre später haben meine Eltern dann, da meine Mutter Bio-Deutsche aus Niedersachsen ist, dann auch die deutsche Staatsbürgerschaft für mich beantragt. Ich bin also qua Erklärung Doppelstaatler geworden.
Einige Jahre später hat mein Vater die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. Daraufhin haben wir die iranische Staatsbürgerschaft verloren, und ich bin mit ausgebürgert worden. Zu dieser Frage habe ich noch immer nichts beitragen können. Wie Sie wissen, bin ich natürlich deutscher Staatsbürger, sonst könnte ich diesem Parlament nicht angehören.
Was hat all das mit einer Entscheidung zu tun, in deren Zusammenhang Jens Spahn sagt: „Es ist integrationsfeindlich, wenn man sich nicht für eine Staatsbürgerschaft entscheidet“? – Das ist doch Irrsinn, liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Lassen Sie doch die Menschen entscheiden, ob und wann sie eine Wahl treffen wollen! Sie sollten sich nicht in Gegenwelten verlieren müssen. Die Menschen sollten nicht gezwungen werden, eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Ich bitte Sie daher: Bekennen Sie hier klar Farbe!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich will Ihnen noch eines deutlich sagen. Wir kennen Armin Laschet auch ganz anders. Zu Beginn dieses Jahres war es so, dass Herr Kruse mit einigen – wie ich finde – verfassungsfeindlichen Äußerungen auffällig geworden ist.
(Zuruf von der CDU: Unglaublich! – Weitere Zurufe von der CDU – Beifall von Norwich Rüße [GRÜNE], Martin-Sebastian Abel [GRÜNE] und Ali Bas [GRÜNE])
– Lassen Sie mich erst zu Ende reden, Herr Kollege. Armin Laschet hatte da nicht gezögert, auf den Kollegen Kruse zuzugehen. Herr Kruse hat das Ganze richtiggestellt und sich dafür entschuldigt. Sie haben sehr klar Profil gezeigt und klargestellt, dass so etwas nicht zur CDU-NRW passt.
Das war ein bemerkenswerter Vorgang. Ich würde mich freuen, wenn Sie heute in der Lage wären, sehr klar zum Thema „Optionspflicht“ Stellung zu beziehen und zu klären, wo die NRW-CDU steht. Uns hätten Sie dabei an Ihrer Seite; denn wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass Nordrhein-Westfalen ein integrationsfreundliches und friedliches Bundesland bleibt. Dafür brauchen wir alle Demokratinnen und Demokraten in diesem Haus. Dem sollten Sie sich anschließen! – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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