Josefine Paul: „Der Kampf gegen Gewalt ist eine Querschnittsaufgabe und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung“

Landeshaushalt 2017 - Gleichstellung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wenn das eigene Zuhause nicht sicher ist“ – unter diesem Titel stellten BKA-Präsident Holger Münch und Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig in der vergangenen Woche eine Studie zur Gewalt in Paarbeziehungen vor.
127.457 Personen sind nach Auswertung polizeilicher Daten in Deutschland Opfer von Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking durch Partner oder Ex-Partner, in selteneren, aber durchaus vorhandenen Fällen auch durch Partnerinnen oder Ex-Partnerinnen geworden.
Zu unterstreichen ist allerdings, dass 82 % der Opfer häuslicher und partnerschaftlicher Gewalt Frauen sind. Das Dunkelfeld in diesem Bereich ist hoch, denn oft ist es gerade die besondere soziale Nähe von Opfern und Tätern, die Opfern das Gefühl vermitteln, der Situation ausgeliefert zu sein.
Viele Frauen sehen ihre Lage gar als ausweglos an. Diesen Frauen und ihren Kindern einen Ausweg aus der Gewalt zu ermöglichen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Vorrednerinnen haben bereits deutlich gemacht, dass wir das auch als gesamtpolitische Verantwortung anerkennen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das eigene Zuhause sollte Frauen und ihren Kindern einen Schutzraum bieten. Ist dieser Schutzraum durch häusliche Gewalt zerstört, brauchen diese Frauen und ihre Kinder andere Räume, um Schutz und Unterstützung zu bekommen.
Die rot-grüne Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen wissen um die große Verantwortung, die wir alle gemeinsam für die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt haben. Nicht zuletzt deshalb haben wir die Mittel für den Bereich Emanzipation seit 2010 verdoppelt. Wir haben nicht nur die vierte Frauenhausstelle wieder eingerichtet, wir haben auch Mittel bereitgestellt, um insbesondere Kinder in den Frauenhäusern besser zu unterstützen, denn vor allem für sie ist häusliche Gewalt eine sehr belastende Situation.
Darüber hinaus haben wir Mittel bereitgestellt, um mit den Frauenhäusern gemeinsam Konzepte weiterzuentwickeln, die nicht nur auf den unmittelbaren Schutz der von Gewalt Betroffenen zielt, sondern den von Gewalt betroffenen Frauen auch Perspektiven für ein Leben ohne Gewalt aufzeigt. Diese Modelle des sogenannten Second Stage sollen Frauen und ihren Kindern dabei helfen, Wege in ein selbstständiges Leben ohne Gewalt zu gehen.
Da ich Bundesfrauenministerin Schwesig eingangs angesprochen habe, will ich aber auch noch einmal betonen: Der Bund ist nicht nur gefragt, wenn es um das Erstellen und Präsentieren von Studien geht, der Bund ist auch gefragt, wenn es um die finanzielle Absicherung von Frauenhäusern geht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gewalt ist aber leider auch ein Phänomen, mit dem Mädchen und Frauen sich potenziell überall konfrontiert sehen, ob bei der Arbeit, im öffentlichen Raum oder aber auch im Internet. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist alltäglich, und auch die Auseinandersetzung damit darf nicht auf Tage wie den 25.11., den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, beschränkt bleiben, sondern muss genauso alltäglich sein.
Mit dem Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, den Frau Schneider gerade als unambitioniertes Sammelsurium aus bereits Bestehendem bezeichnet hat, der in einem breiten Beteiligungsprozess entstanden ist – das wischen Sie mit Ihrer Kritik einfach weg; das drückt auch eindeutig Ihre fehlende Wertschätzung für diejenigen aus, die daran mitgearbeitet haben –,
(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: So ist es!)
werden die Landesregierung und die daran mitarbeitenden Organisationen dem Motto gerecht, dass der Kampf gegen Gewalt eine Querschnittsaufgabe und eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung ist. Dieser Verantwortung trägt der Plan Rechnung, und das ist auch richtig so.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein anderer Bereich, der noch als ein wenig defizitär zu bezeichnen ist, ist der der Gleichstellung im beruflichen Spektrum.
Der Gleichstellungsbericht des Weltwirtschaftsforums hat Deutschland ein – freundlich formuliert – durchwachsenes Zeugnis bei der Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern ausgestellt.
Bei der Entgeltgleichheit und der Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt bleibt nach wie vor einiges zu tun. Frau Schneider, ich habe eigentlich vermisst, dass Sie in diesem Jahr wieder die Kompetenzzentren zur Disposition stellen.
(Susanne Schneider [FDP]: Oh!)
– Ja, keine Enttäuschung. Ich mache das jetzt einfach: Selbst wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, haben wir mit den 16 landesweiten Kompetenzzentren eine wichtige Struktur wieder eingerichtet, die insbesondere im Bereich der KMU dabei unterstützen soll, eine frauenfördernde Personalpolitik umzusetzen. Gleichstellung und Chancengleichheit fallen eben nicht vom Himmel, auch wenn Sie das vielleicht nach wie vor denken. Viele Betriebe wissen aber, dass Chancengleichheit nicht vom Himmel fällt, und deshalb nehmen sie die Unterstützung durch die Kompetenzzentren auch gerne an.
(Beifall von den GRÜNEN)
Doch Chancengleichheit – das haben Sie auch zu Recht gesagt – beginnt nicht erst beim Eintritt in den Beruf, sondern schon bei der Berufswahl und bei der Berufswahlorientierung. Auch hier zeigt sich: Klassische Rollenstereotype prägen auch weiterhin das Berufswahlverhalten von Mädchen und Jungen.
Mit dem Projekt „Genderkompetent.NRW“ wird ein wichtiger Beitrag dazu geleistet, gender-sensible Berufswahlorientierung voranzutreiben. Das, Frau Schneider, kommt nicht nur Mädchen, sondern vor allem auch den Jungen zugute.
In diesem Haushalt – Frau Kopp-Herr hat das bereits angesprochen – reden wir auch über die Emanzipation und die Gleichstellung von LSBTTI. Homo- und Transphobie sind auch weiterhin aktuelle Herausforderungen, wenn es um den Kampf für die offene Gesellschaft geht. Der Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie und dessen Fortschreibung bilden auch weiterhin die Blaupause für mehr Akzeptanz bei sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in NRW.
Ich bin besonders froh, dass es in diesem Jahr endlich gelungen ist, mit dem „Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans* NRW“ auch eine Vernetzung für die Transmenschen in diesem Land auf den Weg zu bringen. Diese Vernetzung und Koordinierung der Transselbsthilfe wurde auch mit Mitteln aus diesem Haushalt unterstützt. Das ist ein ganz wichtiges Signal für eine Gruppe, die ansonsten nach wie vor sehr stark marginalisiert ist.
Rundum bleibt festzuhalten, Frau Schneider: Dieser Haushaltsplan ist kein ideologisches Unkraut, wie Sie ihn hier bezeichnet haben, sondern mit diesem Haushaltsplanentwurf übernimmt NRW auch finanziell Verantwortung für die Gleichstellung von Frauen und Mädchen, aber auch Jungen und Männern und die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)