Andrea Asch: „In diesen Zeiten können wir es uns alle nicht leisten, globale Verantwortung zu ignorieren“

Landeshaushalt 2017 - Eine Welt

Andrea Asch (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gleich an das vom Kollegen Ellerbrock von der FDP-Fraktion Gesagte anknüpfen. – Herr Ellerbrock, Ihre pauschale Ablehnung einer globalen entwicklungs- und Eine-Welt-politischen Verantwortung kennen wir bereits; Sie haben es schon zitiert. Ich möchte daran erinnern, dass Walter Scheel 1961 der erste Entwicklungsminister war.
(Bernhard von Grünberg [SPD]: Der weiß doch gar nicht, wer das ist!)
Er gehörte bekanntermaßen der FDP an. Er hat damals das BMZ aufgebaut. Er war der Gründungsvater dieses Politikzweiges. Insofern finde ich es schon ein Stück weit traurig, dass die FDP sich so ganz von dieser Tradition verabschiedet – im Übrigen auch von den Erfolgen der damaligen FDP, aber das müssen Sie verantworten.
Ich glaube, in diesen Zeiten können wir es uns alle nicht leisten, globale Verantwortung zu ignorieren. Wir als Land Nordrhein-Westfalen, wir als die die Landesregierung tragenden Fraktionen nehmen diese globale Verantwortung wahr, und wir sind stolz darauf, dass Nordrhein-Westfalen im Vergleich mit anderen Bundesländern hier in diesem Feld nach wie vor eine VorreiterInnenrolle einnimmt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir werden dieses Jahr den Eine-Welt-Etat um 1,4 Millionen € erhöhen. Damit stärken wir Auslandsprojekte. Wir stärken die PromotorInnenarbeit, die übrigens als Programm jetzt auch von der schwarz-roten Bundesregierung als Blaupause übernommen wurde. So viel zu Ihrer Kritik an diesem Programm, Herr Ellerbrock. Es ist tatsächlich Vorbild für andere Bundesländer, es ist zudem Vorbild für bundespolitisches Handeln. Wir stärken die Entwicklungszusammenarbeit der Kommunen.
Wir tun das in einem internationalen Kontext, wo 60 Millionen Menschen auf der Flucht sind – auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Umweltkatastrophen, Menschenrechtsverletzungen und auch existenzieller Not. Wir engagieren uns vor dem Hintergrund, dass wir als Industrie-länder, als Europa, als Deutschland und als Nordrhein-Westfalen eine Mitverantwortung für globale Krisen haben.
Es wird doch immer deutlicher, dass wir uns in den reichen Ländern nicht auf unsere Wohlstandsinseln zurückziehen und abschotten können, uns die Rohstoffe, die wir für unseren Wohlstand brauchen, in den Entwicklungsländern billig besorgen und gleichzeitig die Türen vor dem Elend der Welt verschließen können. Das wollen wir nicht. Wir wollen, dass wir als Nordrhein-Westfalen unsere globale Verantwortung wahrnehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir stellen uns den Problemen. Die Emissionen von Treibhausgasen steigen weltweit an, der Klimawandel entzieht Millionen von Menschen die Lebensgrundlage, und die zunehmenden sozialen Verwerfungen bedrohen viele Staaten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Da muss man sich nur Afrika anschauen. Das ist zu sehen in Zentralafrika, aber zunehmend auch in Ostafrika. Äthiopien befindet sich politisch in einer ganz schwierigen Situation. Das sind zum Teil Failed States; da wird neue Flucht erzeugt. Daher müssen wir als Nordrhein-Westfalen unseren Beitrag dazu leisten, um dort die Situation zu lindern und wirtschaftlichen Erfolg vor Ort zu ermöglichen.
(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])
Aber statt einer Kehrtwende im gesellschaftlichen Diskurs, die Nachhaltigkeit – denn das wäre die Lösung – zum Primat erhebt, sind wir – das wissen wir, und das beklagen wir, glaube ich, alle hier im Haus – mit einem neuen Nationalismus konfrontiert. Der ist gefährlich und bedroht auch uns in unserer Sicherheit, weil er die Probleme der Globalisierung nicht löst, sondern verstärkt und in einer kurzsichtigen nationalistischen Binnenperspektive populistische Schein-lösungen produziert.
Wir wissen, dass wir weltweite Krisen, die durch die globale Nachbarschaft immer näher an uns heranrücken, nur durch verstärkte globale Kooperationen, durch die Stärkung der inter-nationalen Institutionen und vor allem mit einem starken und sozialen Europa lösen können.
Deswegen ist das Prinzip „Global denken, lokal handeln“ heute relevanter denn je, und daran orientieren wir uns in Nordrhein-Westfalen, indem wir die Arbeit der zivilgesellschaftlichen Akteure, der NGOs, stärken, indem wir mehr Projekte in unseren Partnerländern durchführen, den Menschen in unserem Land durch entwicklungspolitische Bildung die globalen Zusammenhänge näherbringen und den fairen Handeln fördern.
Den fairen Handel fördern wir gerade durch das Tariftreue- und Vergabegesetz. Denn mit diesem großen Hebel, mit dem die öffentliche Hand 50 Milliarden € im Jahr öffentlich nach außen vergibt, können wir tatsächlich dafür sorgen, dass faire Handelsbeziehungen gefördert und menschenwürdige Arbeitsbedingungen in unseren Partnerländern gestärkt werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir stärken das PromotorInnenprogramm. Ja, wir wollen es interkulturell öffnen. Dadurch schaffen wir gesellschaftlichen Zusammenhalt, weil wir zukünftig verstärkt Menschen mit Fluchterfahrung in die entwicklungspolitische Bildungsarbeit einbinden wollen, damit sie aus einer authentischen Perspektive über globale Zusammenhänge informieren und Verständnis für Fluchtursachen vermitteln können. Das ist in unserer postfaktisch gefährdeten Gesellschaft besonders wichtig.
Meine Damen und Herren, NRW – darauf können wir gemeinsam stolz sein; ich habe es schon erwähnt – wird für sein internationales Engagement überall gelobt und dient als Vorbild für andere Bundesländer. Dieser Haushalt steht für den rot-grünen Weg, der die eine Welt – und es gibt nur diese eine – für alle lebensfähig und lebenswert gestaltet. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)