Arndt Klocke: „Wenn es eine Landesregierung gibt, die sich intensiv um Alternativen zum Stau bemüht, dann diese“

Aktuelle Stunde auf Antrag der CDU zur Leverkusener Brücke

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Arndt Klocke (GRÜNE): Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der CDU, eine solche Aktuelle Stunde kann man grundsätzlich beantragen, weil es wirklich ein aktuelles, drängendes Thema ist, das einen tagtäglich in den Medien begleitet, insbesondere in Köln, mit Blick auf Familie, Freunde etc., die dort wohnen. Jochen Ott hat eben erzählt, dass er heute auch so eine Rheinquerung vorzunehmen hatte. Aber man muss, wenn man einen solchen Antrag stellt, schon ein bisschen mehr Tiefenbohrung machen, als Sie das eben getan haben, Herr Voussem.
Man kann natürlich sagen – das ist entsprechend populistisch und wird vielleicht von dem einen oder anderen aufgegriffen –, das sei ein rot-grünes Versagen gewesen.
(Zuruf von Christian Möbius [CDU])
Ich erinnere mich zumindest an zwei Besuche in diesem Brückenkörper mit den Statikern, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Straßen.NRW. Bei den Gesprächen wurde auch mir – ich bin kein ausgebildeter Architekt oder Straßenplaner – klar, dass es, wenn eine solche Brücke abgängig wird, einen Vorlauf von mindestens zehn bis 15 Jahren hat.
(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])
Dass diese Brücke zur Sanierung ansteht, hätte man auch Ende der 1990er-/Mitte der 2000er-Jahre wissen können. Jetzt müsste man einmal fragen: Warum ist das denn nicht eher erkannt worden? Bei unseren Besuchen dort wurde das mit einem Zahnarztbesuch verglichen. Bis ein Zahn entfernt werden muss, ist die Vorgeschichte relativ lang. Man geht vielleicht nicht zur Kontrolle zum Zahnarzt; man nimmt sozusagen die Signale nicht wahr.
Insofern müsste man parteiübergreifend so zurückhaltend sein, zu sagen: Es trifft Landesregierungen jeglicher Couleur, auch aus den 2000er-Jahren, dass man nicht schneller an diese Brücke herangegangen ist, dass man das nicht auf dem Schirm hatte.
(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])
Zweitens hat mir in Ihrer Rede völlig gefehlt, Herr Voussem, dass es schon eine Kritik an den Lkw-Fahrern und den Spediteuren gegeben hat, die in der Zeit zwischen der ersten Sperrung und heute diese Brücke weiterhin schamlos befahren haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Wir als Grüne wissen das aus erster Hand, weil unsere grüne Kollegin, Irene Mihalic, bevor sie im Herbst 2013 in den Deutschen Bundestag einzog, anderthalb Jahre auf dieser Brücke tagtäglich als Kontrolleurin eingesetzt war. Sie hat mir im Gespräch berichtet, was dort vor sich gegangen ist, wie schamlos jeden Tag Hunderte von Lkw trotz klarer Beschilderung, trotz klarer Hinweise, trotz Aufnahme in die Navigationssysteme dort herübergebrettert sind.
Zwischen dem dort ursprünglich vorhandenen Brückenschaden und dem, was sich danach ereignet hat, ist noch viel passiert. Wenn man hier eine Aktuelle Stunde zur aktuellen Situation auf dieser Brücke beantragt, muss man als einen Teil der Wahrheit auch berücksichtigen, was in den zwei oder drei Jahren zwischen 2012 und 2015 von Spediteuren sowie Lkw-Fahrerinnen und -Fahrern tagtäglich angerichtet worden ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber man kann das natürlich nicht parteipolitisch zuordnen und sagen, das sei Rot-Grün oder der Minister gewesen.
Folgendes finde ich an diesem Antrag wirklich unverantwortlich – liebe Kolleginnen und Kollegen, das kann ich, ehrlich gesagt, auch nicht nachvollziehen –: Wir hatten in der letzten Woche im Verkehrsausschuss eine sehr umfangreiche Präsentation. Über die Maßnahmen bei der A1-Brücke haben wir von Straßen.NRW und vom Ministerium schon zahlreiche Information im Ausschuss bekommen. Aber zur Dhünnaue-Sanierung hatten wir in der letzten Woche eine so gute und informative Präsentation von Straßen.NRW und den dort betrauten Technikern, dass ich es wirklich unverantwortlich finde, heute noch diesen Antrag zu dieser Aktuellen Stunde zu stellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich frage mich wirklich, wie man heute noch den Eindruck erwecken kann, dass hier nicht nachsichtig und mit ganz viel Sorgfalt geplant wird.
Es ist wahrscheinlich die belastetste und gefährlichste Sondermülldeponie Deutschlands. Aus grüner Perspektive war das für uns ein Gründungsthema. In Leverkusen haben die dortigen Grünen als Erste in Deutschland mit Klaus Wolf auch einen Bürgermeister gestellt, der dort diese Bürgerinitiative vorangetrieben hat. Wir wissen ganz genau, was in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren hier an Schindluder getrieben worden ist.
Natürlich ist die Öffnung dieser Sondermülldeponie eine „Operation am offenen Herzen“ im Straßenbau. Das ist überhaupt keine Frage.
In der letzten Woche im Ausschuss hatten wir doch alle miteinander den Eindruck – wir sind alle keine Umwelttoxikologen, die jegliche Schichten dort bewerten können –, dass dort von Straßen.NRW und den betrauten Firmen äußerst sorgfältig und höchst gewissenhaft gearbeitet wird. Ich finde, das hätte auch in Ihrer Rede erwähnt werden können, lieber Herr Voussem.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eine solche Frage eignet sich wirklich nicht zum Wahlkampf. Es hätte Ihnen gut angestanden, das hier einmal entsprechend zu erwähnen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn man in die Geschichte hineingeht, hätte auch dazugehört, zu sagen, dass diese Landesregierung und die Vorgängerlandesregierung, übrigens mit grünem Staatssekretär, immerhin als Erste eine Bestandsaufnahme zur Brückensituation gemacht haben.
(Zuruf von Christian Möbius [CDU])
Ich erinnere mich ganz genau daran, dass wir im Ausschuss 2011 eine sehr umfangreiche Präsentation seitens des Ministeriums bekommen haben, welche Straßenbrücken – dort waren über 300 aufgeführt – in den nächsten Jahren zu sanieren sind.
Dann steht schon die Frage an: Was ist denn zwischen 2005 und 2010 gewesen? Warum hat die Vorgängerlandesregierung, warum haben Herr Wittke oder Herr Lienenkämper das nicht entsprechend vorangetrieben?
(Zuruf Christian Möbius [CDU])
– Lieber Herr Möbius, Sie schüren jetzt Unruhe im Kölner Norden, weil Sie dort Ihren Wahlkreis verteidigen wollen, und haben in diesem Bereich selber überhaupt nichts vorangebracht. Das ist wirklich schäbig, Herr Möbius.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Statt dort Flugblätter zu verteilen, hätten Sie letzte Woche lieber einmal im Ausschuss sein können und sich anhören können, was dort von Straßen.NRW zur Sondermülldeponie vorgestellt worden ist.
(Zuruf von Jochen Ott [SPD])
Das war nämlich sehr vernünftig und sehr klug. Und Sie schüren im Kölner Norden Unruhe, damit Sie da wiedergewählt werden.
(Zuruf von Christian Möbius [CDU])
Das gehört sich nicht.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Völlig klar ist, dass in den nächsten Jahren zahlreiche Brücken zu sanieren sind und dass wir schwierige Situationen haben. Ich glaube, jeder und jede, die dort tagtäglich im Stau stehen – es sind ja Stauphänomene von 20 oder 25 km –, sind zu Recht wütend und unzufrieden. Das ist ganz klar.
Unsere Aufgabe als Parlamentarier ist es, im Diskurs mit Straßen.NRW und im Dialog mit dem Ministerium darauf hinzuwirken, dass wirklich sorgfältig Umgehungsmöglichkeiten und Alternativen geprüft werden, …
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Arndt Klocke (GRÜNE): … damit Leute auch die Möglichkeit haben, eine vernünftige tagtägliche Verkehrsplanung für sich vorzunehmen.
Dass dort viel Wut vorhanden ist, kann ich persönlich gut nachvollziehen, auch wenn ich da nicht fahren muss.
Deswegen müssen wir uns der Sache annehmen – aber bitte nicht mit falschen Schuldzuweisungen
(Dr. Wilhelm Droste [CDU]: Mit den richtigen Schuldzuweisungen!)
und bitte auch nicht, ohne den Blick in die Vergangenheit zu werfen, um es in Zukunft besser zu machen. – Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)


2. Runde:

Arndt Klocke (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fünf Punkte in fünf Minuten, vielleicht geht es auch schneller:
Erster Punkt. Von dem Kollegen wurde vorhin die Arbeitsgruppe angesprochen, die es bei Minister Lienenkämper schon gegeben haben soll. Wenn es sie schon gegeben hat, ist das gut so. Das war aber vor meiner parlamentarischen Zeit. Ich habe mich eben noch einmal mit dem damaligen Staatssekretär des Verkehrsministeriums Becker in Verbindung gesetzt.
(Christian Möbius [CDU]: Das war ja ganz hilfreich!)
Lieber Kollege Rasche, die Arbeitsgruppe ist keineswegs eingestellt worden, sondern in der Regierungszeit unter Fuchsberger weitergeführt worden. Deren Ergebnisse waren Grundlage für den Bericht, der uns vom Ministerium 2011 im Ausschuss vorgelegt worden ist. Wenn Herr Lienenkämper das in seiner Zeit als Minister eingerichtet hat, ist das gut so, und dann nehme ich auch meine Behauptung zurück, er hätte sich darum nicht gekümmert.
Zweiter Punkt. Uns Grünen wird ja immer vorgeworfen, wir würden Planungen in die Länge ziehen. Wenn es nach uns gegangen wäre und wir die Zeit hätten, hätte man diese Brücke ganz anders planen müssen. Die Tatsache, dass kein Schienenstrang auf die Brücke kommt, dass es keinen Radweg bzw. Radschnellweg gibt und die Zuwegung immer noch auf einer Aufstelzung geplant ist – das ist nicht grüne Verkehrsplanung und Verkehrspolitik.
Dass wir dies mitgetragen und überhaupt zugestimmt haben, liegt einzig und allein daran, dass es hier einen so hohen zeitlichen Handlungsdruck gibt und eine Entlastung für die Brücke dringend benötigt wird. Ansonsten hätten wir planerisch ganz anders an die Sache herangehen müssen. Es ist mir noch einmal wichtig, das zu erwähnen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dritter Punkt. Fernab jeder grünen Ideologie sage ich: Wir sorgen auch dafür, dass das Projekt schnell vorangetrieben wird, um das Problem so schnell zu lösen, wie es möglich ist.
Herr Moritz, Sie haben eben behauptet, die Rednerinnen und Redner von SPD und Grünen hätten etwas zur Giftmülldeponie gesagt. Ich habe aber einfach nur Ihren Antrag gelesen. Dort finden sich auf Seite 2 drei, vier Zeilen, die sich ausführlich mit der Frage nach der Giftmülldeponie beschäftigen. Der Kollege Becker hat es auch gesagt: Wir haben das jetzt nicht aus der Luft gegriffen. Sie als CDU-Abgeordneter müssten, bevor Sie hier an das Podium gehen, vorher vielleicht mal in Ihrem eigenen Antrag nachlesen, welche Fragen Sie darin an die Landesregierung richten.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Vierter Punkt: der Blick nach vorne. Ein entscheidender Grund, weshalb diese Brücke derart kaputt ist, dass sie jetzt abgerissen und neu gebaut werden muss, ist die Überlastung und Überladung der heutigen Lkw, die ja ein Vielfaches der Lasten transportieren, die noch in den 60er-/70er-Jahren transportiert wurden.
Vonseiten der Bundesregierung und des Bundesverkehrsministers ist zugesagt worden, an verschiedenen Stellen in Nordrhein-Westfalen vor den Brücken sogenannte Gewichtswaagen in die Fahrbahn einzulassen. Das ist bis heute in Nordrhein-Westfalen noch an keiner Stelle umgesetzt worden. Wenn Sie, liebe Kollegen von der CDU, eine gute Tat tun wollen, sollten Sie das in Berlin noch einmal anmahnen; aber das kann natürlich auch vonseiten unseres Verkehrsministers in Berlin getan werden.
Wir haben nur die Chance, künftigen Verschleiß, soweit es irgend geht, im Auge zu behalten und möglichst zu verhindern. Die Einführung solcher Gewichtswaagen auf nordrhein-westfälischen Autobahnen wäre da ein wichtiger Schritt, aber das muss vonseiten des Bundes, der es zugesagt hat, auch umgesetzt werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Fünfter und letzter Punkt: Alternativen zum Stau. Das war ja auch ein Anlass für Herrn Voussems Rede. Wenn es eine Landesregierung gibt, die sich in ihrer Verkehrswegeplanung intensiv um Alternativen zum Stau bemüht, dann ist es doch wohl diese.
Welche Schlachten haben wir hier schon geführt, zum Beispiel über Sanierung, Neubau und Ausbau von Radschnellwegen oder den Ausbau des RX! Diejenigen, die immer nur auf Straßenbau, also auf eine frühere Verkehrspolitik setzen, sitzen doch hier mit im Plenum.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Immer wieder haben wir Alternativen zum Stau finanziert und vorangebracht. Wenn ich mir dann aber Ihre Änderungsanträge zum Haushalt anschaue, dann stelle ich fest, dass es darin häufig darum geht, nicht mehr Gelder für Radschnellwege oder andere Alternativen einzuplanen.
Liebe Kollege Rasche, natürlich braucht es – und dafür machen wir ja solche Aktuellen Stunden – bei diesem Thema eine sachliche Argumentation und Auseinandersetzung. Herr Moritz jedoch hat in seiner Rede an vielen Stellen erwähnt, dass der 14. Mai 2017 der Schlusspunkt für diese Regierung sei. Solche Bemerkungen fielen auch gestern in unserer verkehrspolitischen Debatte von Ihnen, Herr Rasche, als Sie am Ende gesagt haben: Es wird Zeit, dass die Grünen aus der Regierung rauskommen, damit mal vernünftig geplant wird.
Wer also selber in seinen Reden ständig Wahlkampf macht und dann einfordert, dass wir eine Sachdebatte führen sollen, der zeigt mit einem Finger auf andere, während die anderen Finger auf ihn selbst zeigen. Sie müssen an dieser Stelle mal Ihren Wahlkampf einstellen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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