Martin-Sebastian Abel: „Es ist gut, dass mehr von dem, was in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet wird, im Lande verbleibt“

Unterrichtung zu den Ergebnissen der Verhandlungen zu den Bund-Länder-Finanzbeziehungen

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Martin-Sebastian Abel (GRÜNE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An diesem Morgen sind viele auf der Suche nach guten Nachrichten. Fangen wir mal so an: Es ist gut, dass nach so langen Verhandlungen endlich überhaupt ein Ergebnis herausgekommen ist. Es ist gut, dass der Bundesfinanzminister sich an entscheidenden Stellen nicht durchsetzen konnte und es somit möglich ist, dass mehr von dem, was in Nordrhein-Westfalen erwirtschaftet wird, im Lande verbleibt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Der uns vorliegende Kompromiss sieht vor, dass der horizontale Länderfinanzausgleich zwischen den Ländern, wie wir ihn bisher kennen, abgeschafft wird. Bislang gab es eine Umverteilung zwischen den Geberländern und den Nehmerländern. Vor Beginn dieser alten Umverteilung zwischen den Bundesländern – nach Ihrer Rede, Herr Laschet, finde ich es besonders wichtig, das zu erwähnen, aber auch nach dem, was Sie, Herr Witzel, hier präsentiert haben – lagen wir bei den Pro-Kopf-Einnahmen auf Platz fünf. Nach dem Umsatzsteuervorwegausgleich ist Nordrhein-Westfalen Letzter.
Wir haben in den Debatten immer darauf verwiesen und auch mit dem von Ihnen erwähnten Antrag von SPD, CDU und den Grünen diesbezüglich ein einvernehmliches Signal ausgesendet. Und das war ein wichtiges Signal. Wir haben gesagt: Im Grunde können wir machen, was wir wollen – solange Nordrhein-Westfalen überproportional viel in dieses System reinpumpt, werden wir es nicht schaffen, mehr von dem durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler erwirtschafteten Geld bei uns zu behalten. – Es bedeutet einen wichtigen Erfolg, dass diese Tatsache endlich geswitcht wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir Grüne haben im Zusammenhang mit den Verhandlungen immer wieder deutlich gemacht, dass wir das durch die Verfassung verbriefte Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet anerkennen und nicht infrage stellen, so wie andere es tun. Wir akzeptieren daher auch den Vorschlag, dass die Regelung zur Einwohnerveredelung in den Stadtstaaten zugunsten der Stadtstaaten beibehalten wird und ebenso, dass die stärkere Einbeziehung der Finanzkraft der Kommunen nicht nur uns, sondern auch den neuen Bundesländern zugutekommt.
Herr Witzel, ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass Sie so tun, als wäre das alles ganz einfach. Ich möchte gerne mal erleben, wie Sie Ihrer Kollegin Frau Suding in Hamburg gegenübertreten und ihr, wie Sie es hier gemacht haben, sagen: Wir wollen die Einwohnerveredelung in Hamburg zugunsten von Nordrhein-Westfalen kippen. – Das möchte ich wirklich gerne mal sehen. Sagen Sie bitte Bescheid, wenn es so weit ist. Ich bin mir sicher, dass sie Ihnen antworten wird: Wenn wir dafür Kompensation an anderer Stelle bekommen, sehr gerne, aber ansonsten nicht. – So ist es eben: Wenn man eine Einigung mit 16:0 erzielt, muss es Kompromisse geben, und insofern ist auch dieser Kompromiss richtig.
(Zuruf Ralf Witzel [FDP] – Beifall von den GRÜNEN)
Wir müssen allerdings sagen: Der Konkretisierungsgrad bei vielen Punkten der Einigung lässt Raum für Spekulationen. Es gibt viele offene Fragen, die uns als Landesparlamentarier beschäftigen müssen, allen voran die Schaffung einer Verkehrsinfrastrukturgesellschaft für die Planung und den Bau von Autobahnen, die in Bundesverantwortung übergehen soll. Fest steht, dass diese Gesellschaft privatrechtlich organisiert sein soll. Dazu wird unser Verkehrsexperte Arndt Klocke gleich noch ausführlich Stellung nehmen.
Darüber hinaus sind noch viele weitere Fragen offen, zum Beispiel in Bezug auf die Digitalisierungsoffensive und die Einrichtung eines zentralen Bürgerportals für die Onlineanwendung der öffentlichen Verwaltung. Wir können viele Beispiele aus der Vergangenheit aufrufen – aus dem Hochschulbereich, aber auch aus dem Bereich der Finanzverwaltung –, bei denen es sehr lange gedauert hat und wo Prozesse bis heute andauern. Zum Teil haben wir immer noch keine gemeinsamen Datenmasken mit dem Bund. So stockt beispielsweise bei der Kfz-Steuer die Zusammenarbeit zwischen den Länderfinanzbehörden und dem Zoll. Da kann keine Rede davon sein, dass das reibungslos funktioniert.
Es wäre wünschenswert, dass das richtige Ziel, das in dem Kompromiss gefunden wurde, von Anfang an gemeinsam mit den Ländern erarbeitet wird und dass es nicht in Arbeitsgruppen ausgelagert wird, an denen die Länder nicht mehr beteiligt werden. Gerade in Bezug auf den Bereich „Digitalisierung“ haben wir in Nordrhein-Westfalen wichtige Fortschritte erzielt, wo wir anderen Bundesländern weit voraus sind. Ich nenne nur einmal die Bereiche „E-Government“ und „Open Data“. Es ist wichtig, dass hier die Länder unterstützt werden und dass nicht durch Vorgaben des Bundes alle Prozesse wieder auf null gesetzt werden.
Mehrere Punkte betreffen die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern. Der Bund soll mehr Steuerungsrechte bei Finanzhilfen bekommen und im Bildungsbereich zukünftig direkt Geld an finanzschwache Kommunen geben können. Dadurch wird ausdrücklich der Weg freigemacht, um dem Bund Investitionen in die Schulinfrastruktur zu ermöglichen. Auch das ist ein wichtiger Erfolg, eine wichtige Botschaft für unsere Kommunen.
Richtig ist aber auch, was die Ministerpräsidenten gesagt hat und was wir Grünen schon seit vielen Jahren fordern: Es muss endlich ein Ende des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildung geben. Das ist der nächste Schritt, den es zu erreichen gilt. Auch wenn das Ganze jetzt gegenüber dem Status quo ein Fortschritt ist, so bleibt unsere Forderung: Das Kooperationsverbot muss weg!
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn wir schon beim Thema „Bildung“ sind, dann gilt es auch, über nach wie vor bestehende Ungleichgewichte zu sprechen, die im Rahmen der weiteren Gespräche und der weiteren Ausgestaltung des Kompromisses eine Rolle spielen.
Im Königsteiner Schlüssel aus dem Königsteiner Staatsabkommen von 1949 ist geregelt, dass die Länder ihren Anteil gemessen nach Steuerkraft und Bevölkerungsanzahl erhalten. Da liegt Nordrhein-Westfalen mit seinen rund 18 Millionen EinwohnerInnen seit Jahrzehnten bei gut 21 %.
Abweichend von diesem Schlüssel erhalten wir jedoch in vielen Bereichen weniger, als uns zusteht. Wenn man in den Hochschulbereich schaut, dann muss man festhalten, dass Nordrhein-Westfalen hier Herausragendes leistet. Kein anderes Bundesland gibt, gemessen am Gesamthaushalt, so viel Geld in die Bereiche Wissenschaft, Forschung und Innovation wie Nordrhein-Westfalen. Nordrhein-Westfalen hat sechs Hochschulstandorte unter den Top Ten der größten Universitäten Deutschlands. Wir erhalten im Bereich des Hochschulneubaus aber nur 15 % vom Bund.
Wenn wir uns dann noch einmal vergegenwärtigen, dass wir derzeit mehr als 25 % – ich meine, es sind aktuell 27,2 % – aller AbsolventInnen in Deutschland ausbilden, zugleich für Investitionen in die Infrastruktur unserer Hochschulen aber nur 15 % vom Bund bekommen, dann liegt da ein Ungleichgewicht vor. Hier muss nach wie vor die Forderung erhoben werden, dass wir gemessen an unseren Leistungen vergütet werden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ein letzter Punkt. Es ist gut, dass es nach so langen Verhandlungen überhaupt zu einer Einigung kam. Damit haben Bund und Länder für die nächsten Jahre Planungssicherheit, und der Grundsatzstreit kann an vielen Punkten beiseitegelegt werden. Gemessen an seinen Zielen hat der Bundesfinanzminister gegenüber den Ländern nicht viel durchsetzen können. Die neue Finanzordnung ist besser, als wir es noch vor gut einem Jahr hätten erwarten können.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, diese Punkte jetzt auch umzusetzen, damit dieser Kompromiss die letzten Hindernisse nimmt. Vielleicht gelingt es trotz des Wahlkampfes, dass wir uns – ähnlich, wie wir es damals mit dem gemeinsamen Antrag gemacht haben – dann an den entscheidenden Punkten zusammen als Nordrhein-Westfalen im Interesse unseres Landes aufstellen können. – Vielen Dank, meine Damen und Herren!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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