Norwich Rüße: „Wir haben hier ein gutes Gesetz vorgelegt – für den Naturschutz, für mehr Artenvielfalt, mehr Artenschutz“

Gesetzentwurf zum Landesnaturschutzgesetz

Portrait Norwich Rüße

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Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das passt ganz schön: Heute Abend wird hier im Landtag eine Fotoausstellung eröffnet. Vielleicht haben einige von Ihnen auch schon die Bilder gesehen, die im Foyer zwischen den Fraktionssälen von Grünen und FDP hängen. Sie sind von Dr. Niepagenkemper; einige kennen ihn sicherlich vom Landesfischereiverband.
Wenn man sich diese Fotos anschaut, dann erkennt man, welche Schönheit und welche Vielfalt die Natur zu bieten hat. Allein die Schönheit, die wir auf diesen Bildern präsentiert bekommen, könnte schon ein Beweggrund sein, dass wir heute alle gemeinsam das neue Landesnaturschutzgesetz verabschieden.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Beim Erhalt der Natur es geht aber nicht um die Ästhetik. Es geht darum – das wissen wir eigentlich alle zusammen –, dass die Artenvielfalt, die Biodiversität unserer Natur ein Netz ist, ein Netz der Arten, das uns alle zusammen trägt und das uns eine Existenz hier auf dieser Erde ermöglicht. Jede einzelne Art ist in diesem Netz ein Knotenpunkt. Mit jeder Art, die wir auslöschen, die ausstirbt, verlieren wir einen Knotenpunkt in diesem Netz, das uns trägt.
Wenn wir dann wissen, dass in Nordrhein-Westfalen 45 % der Arten gefährdet, vom Aussterben bedroht oder längst ausgestorben sind, dann sollte uns das zu denken geben. Vielleicht sollten wir auch, was die Artenvielfalt angeht, in puncto Polemik etwas abrüsten und stattdessen zusehen, dass wir gemeinsam vorankommen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es lohnt sich, an dieser Stelle immer wieder einmal an Johan Rockström zu erinnern, der mit seinem Forscherteam einen Bericht zur Belastbarkeit unseres Planeten veröffentlicht hat. Er hat darin drei Bereiche festgestellt, in denen wir auf diesem Planeten große Probleme haben. Ein Bereich ist der Klimawandel; darüber diskutieren wir immer wieder. Das ist auch richtig so.
Die Forscher machen jedoch zwei Bereiche aus, in denen die Belastung noch höher ist. Der eine Bereich ist der Stickstoffkreislauf. Dazu haben wir in den letzten Tagen ebenfalls einiges hören dürfen. Der andere Bereich aber – das zeigt noch einmal die ganze Dramatik – ist die Artenvielfalt. Die Forscher sagen, die Artenvielfalt sei der Bereich, den wir kaum noch in den Griff kriegen können. Beim Klimawandel können wir es schaffen, wenn wir uns wirklich bemühen. Bei der Artenvielfalt wird es jedoch extrem schwierig, weil eben schon so viele Arten längst verschwunden sind, weil unser Netz der Artenvielfalt schon so löchrig ist. Dies alleine rechtfertigt schon unseren Versuch, mit diesem Gesetzentwurf im Naturschutz weiter voranzukommen.
Herr Deppe, da muss man von den Naturnutzern Eingeständnisse und Kompromissbereitschaft erwarten. Die ist ja auch vorhanden. Ich verstehe gar nicht, was Sie gerade gesagt haben. Sie haben so geredet, als ob Sie die ganze Debatte, die wir dazu geführt haben, gar nicht mitbekommen hätten.
(Zuruf von der SPD: Wahrscheinlich war das so!)
Sie reden von 600.000 Menschen, die in den Verbänden organisiert sind. Dazu sage ich Ihnen: Im ländlichen Raum leben noch ein paar mehr Menschen; dort lebt ein Drittel unserer Bevölkerung. Und von den 600.000, die Sie erwähnen, waren anlässlich einer Demonstration gegen das Landesnaturschutzgesetz gerade mal 60 hier vor Ort. 60 von 600.000!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das zeigt doch, dass die überwiegende Mehrheit das, was Sie meinen, da an Problemen festzustellen, gar nicht teilt.
(Zurufe von der CDU)
Meine Damen und Herren! Wir machen mit diesem Gesetz eine Menge guter …
(Zurufe)
– Ihr Protest zeigt, dass wir ins Schwarze getroffen haben.
Wir liefern mit diesem Gesetz viele gute neue Regelungen. Wir schaffen die Voraussetzungen für einen wirksamen Biotopverbund, um so wieder ein Rückgrat für eine intakte Natur zu bilden. Wir sichern die wertvollen letzten Grünlandflächen, die wir überhaupt noch haben.
Wir schaffen – das haben Sie besonders bekämpft – mit den Wildnisgebieten neue Schutzräume im Wald und sichern diese auch ab. Ich sage Ihnen an dieser Stelle noch einmal: Sie haben das Konzept der Wildnisgebiete überhaupt nicht verstanden; sonst würden Sie nicht darüber diskutieren, ob man das im Erbfall irgendwie wieder rückabwickeln kann. Das ist eine völlig irrige Vorstellung.
In Ihrem Antrag fand ich besonders lustig, wie Sie sich zu den Biologischen Stationen äußerten, und dass Sie diese in Ihrer Zeit doch so schön abgesichert hätten. Ich kann mich erinnern: Ich habe seinerzeit im Kreistag gesessen und gemeinsam mit der Kreistagsfraktion der CDU dafür gesorgt, dass die ausfallenden Landesmittel für die Biologischen Stationen ersetzt worden sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben die Biologischen Stationen im Land Nordrhein-Westfalen gefährdet! Wir sichern sie jetzt ab!
Wir geben auch den Naturschutzbeiräten wieder mehr Mitsprachemöglichkeit. Gleichzeitig haben wir gesagt – das zeigt, wie viel Kompromiss in diesem Gesetzentwurf steckt –: Wir bleiben bei der Parität. Das jedoch, was Sie in Ihrem Vorschlag unterbreitet haben – nämlich noch jede Menge weiterer Verbände aufzunehmen und das Gremium völlig aufzublasen, bis es überhaupt nicht mehr diskussionsfähig ist –, können Sie nicht wirklich ernst gemeint haben.
Wir haben den Prozess der Beratung über einen langen Zeitraum geführt. Dabei wurden viele Gespräche geführt, manchmal zusammen mit dem Kollegen Meesters, manchmal auch nur SPD und Grüne. Es hat eine Anhörung gegeben aus der wir viele Anregungen aufgenommen haben. Im Laufe dieses langen Beratungsprozesses haben wir sehr viel aufgenommen und im Sinne der Nutzer und der Schützer jeweils etliche Nachbesserungen im Gesetz vorgenommen.
Ich greife einmal ein Beispiel heraus: die wildschonende Mahd. Der Rheinische Bauernverband hat gefragt: Kann man das Ganze nicht noch etwas näher an der Praxis ausrichten? Dann man das für die Hanglagen, wo es gefährlich wird und man mit dem Trecker umstürzen kann, wenn man so mäht, wie ihr es vorgeschrieben habt, nicht anders regeln? – Darauf sind wir natürlich eingegangen und haben gesagt: Jawohl, wir nehmen eure Vorschläge auf. Das machen wir so. – Da haben wir der Landwirtschaft konkret ein Angebot gemacht.
Es gibt ein weiteres Beispiel. Wenn Sie die „LZ“ aufmerksam gelesen haben, Herr Deppe, dann fällt Ihre ganze Rede von heute wie ein Soufflé in sich zusammen. Wir bekommen höchstes Lob von einer Zeitung, die uns nicht so oft lobt, aber an dieser Stelle tut sie es. Die Vereinbarung zu den Streuobstwiesen ist hervorragend. Wir machen viel möglich. Wir geben viel Spielraum für die Landwirte als Flächenbesitzer und die Naturschützer, die zusammen etwas erreichen sollen. Wir kombinieren Freiwilligkeit mit einer gesetzlichen Regelung, die greift, wenn das Ganze freiwillig nicht funktionieren sollte.
Meine Damen und Herren, ich konnte hoffentlich ein wenig verdeutlichen, dass dieser Gesetzentwurf Augenmaß pur ist. Was Sie von uns immer erwarten, das haben wir umgesetzt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie wollten mit Ihrem Änderungsantrag einen ganz anderen Weg gehen. Ich kann Ihren Änderungsantrag nur so verstehen, dass Sie sich bei Ihren Nutzerverbänden einschmeicheln wollten; denn Sinn und Verstand stecken da aus meiner Sicht nicht dahinter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie das 1-Hektar-Vorkaufsrecht erwähnen, fallen Sie hinter die Regelung des Bundesgesetzes zurück, das Ihre eigene Fraktion 2010 im Bundestag novelliert hat. Da müssen Sie zwischen Ihren beiden Fraktionen erst mal Deckungsgleichheit erzielen.
Sie missachten übergeordnete Rechtsvorschriften bei Ihrer Eins-zu-Eins-Ausgleichsregelung, die Sie immer wie ein Mantra wiederholen. Die Bundeskompensationsordnung lässt das nicht zu, also hören Sie doch auf, hier solche Vorschläge zu unterbreiten!
(Beifall von den GRÜNEN)
Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Norwich Rüße (GRÜNE): Was Sie gemacht haben, ist Ihr naturschutzpolitischer Offenbarungseid. Wir haben hier ein gutes Gesetz vorgelegt. Wir werden damit etwas für den Naturschutz in diesem Bundesland erreichen – mehr Artenvielfalt, mehr Artenschutz. Das ist ein guter Tag für den Naturschutz und für die Menschen hier in Nordrhein-Westfalen, die die Natur schätzen und lieben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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