Monika Düker: „Wie verhindern wir, dass salafistische Menschenfänger Jugendliche radikalisieren?“

Antrag der FDP zu den Aktivitäten der "Lies!"-GmbH

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Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Sieveke hat es ausgeführt: Hinter der Koranverteilungskampagne „LIES!“ steckt ein bundesweites Sammelbecken für Islamisten, ein Netzwerk, das nach Angaben des Verfassungsschutzes hier zu den mitgliederstärksten Netzwerken des Salafismus mit über 400 Personen gehört, die ihm zugerechnet werden. Bundesweit, sagt das Bundesinnenministerium im Verfassungsschutzbericht, sind im letzten Jahr drei Millionen Koranexemplare deutschlandweit verteilt worden.
Über diese Koranverteilung erfolgen nicht nur eine Radikalisierung und ein Heranführen an die salafistische Szene. Nach Auskunft der Sicherheitsbehörden hatte jeder Fünfte der von Nordrhein-Westfalen in die Kriegsregionen Syrien oder Irak ausgereiste Salafist – jeder Fünfte von denen! – Kontakt mit „LIES!“. Das heißt, wir haben es mit einem sehr gefährlichen Netzwerk, einem sehr gefährlichen Sammelbecken zu tun, das wir hier in den Fokus nehmen müssen.
Hier muss der Rechtsstaat Flagge zeigen. Ja, Herr Sieveke, ich finde es auch gut – Herr Körfges hat es auch gesagt –, dass wir das heute zusammen tun. Herzlichen Dank auch von meiner Seite für die gute und konstruktive Zusammenarbeit! Denn der Staat muss alle Register ziehen – angesprochen wurden Vereinsrecht, Gewerberecht, Steuerrecht –, um hier Flagge zu zeigen mit dem Ziel, diese Aktionen zu verhindern und dieses Netzwerk zu zerschlagen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir müssen uns aber auch die Frage stellen, wie wir verhindern, dass diese salafistischen Menschenfänger es überhaupt schaffen, Jugendliche – und nicht nur muslimische Jugendliche, um es ganz klar zu sagen – über das Thema Islam zu radikalisieren. Wie machen wir junge Menschen stark? Wie machen wir sie immun gegen Extremismus?
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht eben nicht über Vereinsrecht, Gewerberecht, Steuerrecht und Straßensatzungen. Hier müssen wir schauen: Was sind die Ursachen? Für Ansatzpunkte von Prävention braucht man erst einmal eine Ursachenanalyse, um Prozesse der Ideologisierung und der Radikalisierung zu verstehen.
Lamya Kaddor hat in ihrem Buch „Zum Töten bereit“ hierzu einiges gesagt. Aber auch andere Islamwissenschaftler sind dabei, das zu erforschen. Was sagt Lamya Kaddor? Was passiert da mit den jungen Menschen, die sie auch in ihrer Schulklasse hatte?
Es ist die Orientierungslosigkeit. Es sind Ausgrenzungserfahrungen. Es sind Identitätsprobleme auch mit der eigenen Identität als Muslim hier in unserer Gesellschaft. Es ist Frust. Es ist Wut über die subjektiv empfundene Ungerechtigkeit. Es ist Haltlosigkeit. Daraus entsteht Protest. Daraus entstehen Gewaltbereitschaft, Gewaltphantasien, Allmachtsphantasien. Und dann kommen diese Menschenfänger und sagen: So, hier bei uns kann aus einem Looser ein Held werden. – Und hier sind die Ansatzpunkte, wo wir ansetzen müssen.
Hier muss Prävention ansetzen. Das heißt erstens: Religiöse Aufklärung unter muslimischen Jugendlichen ist ein ganz wichtiger Punkt. Dazu gehört nicht nur, aber auch ein guter islamischer Religionsunterricht. Die Schulministerin sitzt hier. Sie hat diesen Religionsunterricht ausgebaut. Nordrhein-Westfalen ist hier führend. Wir brauchen, genauso wie den katholischen und den evangelischen, einen regulären, gleichberechtigten islamischen Religionsunterricht. Das sind ein wichtiger Baustein und ein Schutz dieser jungen Menschen vor politischem Islamismus.
Zweitens. Wir brauchen ein Frühwarnsystem. Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter müssen für Fehlentwicklungen sensibilisiert werden. Was sind denn die ersten Anzeichen? – Es ist die Isolation dieser Menschen. Es sind Thesen, die auf einmal geäußert werden. Hierfür müssen wir die Mitarbeiter all unserer Institutionen sensibilisieren.
Dann brauchen die Mitarbeiter dieser Institutionen auch Anlaufstellen, wo sie sich beraten lassen können. Mit dem Projekt „Wegweiser“ haben wir genau solche Anlaufstellen geschaffen – die wir flächendeckend ausbauen wollen –, wo diese Menschen Hilfe und Unterstützung bekommen, im Übrigen auch die Eltern, die merken: Da passiert etwas mit meinem Sohn, mit meiner Tochter. Was kann ich tun?
Drittens. Wir brauchen letztendlich das, was wir für alle abgehängten Jugendlichen in unserem Land brauchen: Chancengerechtigkeit, Chancengleichheit, gleiche Bildungschancen für alle und ein Bildungssystem, das alle mitnimmt und allen in unserer Gesellschaft gleiche Chancen bietet. Letztendlich ist auch das eine Präventionsmaßnahme, die Jugendliche davor schützen soll, sich zu radikalisieren.
Alle, die sich in der Prävention genau diese Arbeit machen – an sie am Schluss meiner Rede mein ganz besonders herzlicher Dank –, verdienen unsere Unterstützung und unseren Schutz.
(Beifall von den GRÜNEN)
Gerade in einer Zeit, in der sich eine Lamya Kaddor offenbar, um sich vor ihren Schutzbefohlenen zu schützen, eine Auszeit nimmt und sagt: „Diese Bedrohungen haben einen Grad erreicht, bei dem ich nicht mehr weiß, ob ich meine Schüler schützen kann“, müssen wir signalisieren: Alle, die diese Präventionsarbeit machen – nicht umsonst wird sie von Islamisten bedroht –, brauchen den Schutz der Gesellschaft, den Schutz des Staates und unsere politische Rückendeckung. Danke an alle, die das tun!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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