Frauenförderung im neuen Gleichstellungs- und Dienstrechtsmodernisierungsgesetz

Kommunalinfo

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
mit unserem Kommunalinfo vom 21. Juli 2016 haben wir ja schon einige Informationen zum Landesgleichstellungsgesetz (LGG) zusammengestellt. Analog wird im Dienstrechtsmodernisierungsgesetz die Quotenregelung für die Beamt*innen neugefasst.
Am 5. September hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf die Gesetzgebungskompetenz des Landes für das Dienstrechtsmodernisierungsgesetz in Zweifel gezogen und auch inhaltliche Kritik an der Frauenquote geübt.
Mit diesem Kommunalinfo möchten wir weitere Hintergründe liefern, da uns bereits einige Nachfrage zu fadenscheinigen Anträgen von FDP und CDU aus unterschiedlichen Kommunen erreicht haben. Klar ist für uns: Wir nehmen Frauenförderung ernst und auch wenn die Opposition nicht müde wird, die Verfassungswidrigkeit zu herbeizureden, die Fakten sprechen eine andere Sprache.
In beiden Gesetzen, heißt es, dass Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Was heißt das konkret?
Nach wie vor muss festgestellt werden, dass Frauen im öffentlichen Dienst benachteiligt werden. Um diese Diskriminierung zu beenden, hat Ministerin Barbara Steffens Herrn Prof. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts, mit einem entsprechenden Gutachten beauftragt.
Auch wenn sich das LGG bewährt hat und der Anteil der weiblichen Beschäftigten deutlich angestiegen ist, gilt nach wie vor: Je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. Diese strukturelle Benachteiligung wollen wir beseitigen, denn unsere politische Aufgabe ist es, diese Defizite zu bekämpfen. Daher will Rot-Grün eine Frauenquote die dann greift, wenn eine weibliche Kandidatin und ein männlicher Kandidat eine im Wesentlichen gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung aufweisen. Es darf also keine gravierenden Unterschiede in der Bewertung geben. Mit der Regelung soll vermieden werden, dass wegen einer zu feinen Binnendifferenzierung, die bislang praktiziert wurde, Männer sich gegenüber Frauen durchsetzen, obwohl die Unterschiede in der Praxis faktisch kaum messbar sind.
Laut Prof. Papier erkennt die Rechtsprechung seit Langem einen gewissen Beurteilungsspielraum der Behörden bei der Festlegung und Gewichtung der Anforderungen für den Zugang zu einem Amt an. Sie verlangt keine Ranking der Bewerber um jeden Preis und akzeptiert die Annahme eines gleichen Qualifikationsstands z.B. auch bei geringfügigen Notenabweichungen. Der Deutsche Juristinnenbund (DJB) stellt zu dieser Frage fest: „Wie schon bisher haben Frauen im Wesentlichen die gleiche Leistung zu erbringen wie ihr konkurrierender männlicher Kollege. Mehr als eine im Wesentlichen gleiche Leistung ließ sich schon bisher nie feststellen. Denn jede Beurteilung von Leistung und Eignung beruht notwendig auf Wertungen, sofern es nicht allein um die Beurteilung von quantifizierbaren Mengen, also beispielsweise die Zahl der erledigten Vorgänge geht. Um die Zahl der Erledigungen allein geht es im öffentlichen Dienst aber nie. Ihre Qualität ist stets mit zu berücksichtigen.“
Weiter heißt es:
„Es bleibt dabei, dass Frauen ebenso leistungsstark wie ihr männlicher Konkurrent sein müssen. Aber eine neue Regelung des Landesbeamtengesetzes macht Schluss mit dem Mythos, dass Notenbruchteile von 0,1 Prozent – oder wenig mehr – etwas darüber aussagten, dass der eine oder die andere leistungsbesser seien. Das neue Gesetz, seit dem 1. Juli 2016 in Kraft (Dienstrechtsmodernisierungsgesetz), drückt dies mit den Worten aus, dass eine „im Wesentlichen gleiche Eignung, Befähigung und fachliche Leistung“ vorliegen müsse und dass diese vorliege, wenn die jeweils aktuelle dienstliche Beurteilung der Bewerberin und des Mitbewerbers ein gleichwertiges Gesamturteil aufwiesen.“
In einer Stellungnahme schreibt der DJB:
„Die von der Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen verlangte Herunterbrechung der Gesamtnote durch „inhaltliche Ausschöpfung bzw. Ausschärfung“ der Beurteilung oder „Einzelexegese“ hat stets verschleiert, dass eine Art „Mathematisierung“ von Beurteilungen nicht möglich ist, und es stets und notwendig vor allem um Wertungen geht. Die Rechtsprechung hat mit ihrer rechtlichen Konstruktion aber erreicht, dass so gut wie nie in einer Konkurrenzsituation eine gleichwertige Eignung und Befähigung rechtlich bestätigt werden konnte – selbst wenn im Ergebnis nennenswerte Unterschiede nicht vorlagen.“

Hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf bereits ein Urteil gefällt?

Nein, das Verwaltungsgericht hat eine einstweilige Anordnung erlassen. Die einstweilige Anordnung ermöglicht nur eine vorläufige Sicherung oder Regelung zu der eingereichten Klage. Eine endgültige Entscheidung steht also noch aus, sie wird erst im Hauptsacheverfahren getroffen. Einstweilige Entscheidungen wie die des VG Düsseldorf sind in Konkurrentenstreitigkeiten üblich. Durch sie soll verhindert werden, dass in einer Beförderungsphase unumkehrbare Fakten geschaffen werden. Parallel zu dem schnellen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verläuft das Verfahren in der Hauptsache zu demselben Gegenstand. Hier wird am Ende entschieden, wer Recht hat. Ein Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat hinsichtlich des Hauptsacheverfahren schützenden Charakter, indem es dafür sorgt, dass der Status quo gewahrt bleibt bis in dem Hauptsacheverfahren eine Entscheidung (per Urteil) ergeht.
Dass anstehende Beförderungen aufgeschoben werden, ist eine bekannte Folge.

Wie ist die Frage, ob das Land zuständig ist, bisher bewertet worden?

Professor Papier hat als Gutachter nicht nur die Frage geprüft, ob und wie mithilfe einer Zielquote für Frauen in Führungspositionen der Missstand der Benachteiligung beseitigt werden kann. Vielmehr bejaht er auch die Zuständigkeit, also die Gesetzgebungskompetenz des Landes. Da der Bundesgesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nicht abschließend Gebrauch gemacht habe, könnten die Landesgesetzgeber insofern tätig werden und eine Quotenregelung erlassen. Professor Papier kam zu dem Ergebnis, dass eine solche Quote nicht nur zulässig sei, sondern dass es sogar Aufgabe des Landes sei, einen schonenden Ausgleich zwischen den gleichrangigen Staatzielen von Art. 3 Abs.2 GG (Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau) einerseits und dem Prinzip der Bestenauslese im öffentlichen Dienst (Art.33 Abs.2 GG) herbeizuführen. Genau das tut das beklagte Gesetz. Zwischen diesen Rechtsprinzipien der Gleichberechtigungsförderung und dem Leistungsgrundsatz muss ein schonender Ausgleich gefunden werden. Dabei ist das Ziel nicht jede Führungsposition mit einer Frau zu besetzen. Die Quotenregelung greift nur in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind und ist bei 50 Prozent Frauenanteil gedeckelt.
Auch in der Sachverständigenanhörung zum LGG am 7. September 2016 hat keine*r der Sachverständigen die Gesetzgebungskompetenz des Landes angezweifelt. Vielmehr teilten der DJB ebenso wie Prof. Dr. Ulrich Battis, die Auffassung des Gutachters Prof. Papier, dass es geradezu die Verpflichtung des Landes sei, solche Missstände, wie die Benachteiligung von Frauen im öffentlichen Dienst abzustellen.
Die durch die Landesregierung vorgeschlagene Lösung, Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, wurde von ihnen als adäquates Mittel eingestuft.

Gibt es frühere Urteile zur Frage der Zuständigkeit des Landes?

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat bereits am 26. August 2010 die bisherige Quote überprüft und als zulässig eingestuft. Daher meinte auch Prof. Battis in der Anhörung im Landtag, dass das VG Düsseldorf einen „uralten Hut aufgehabt habe“, denn die Frage der Zuständigkeit sei schon vor Jahren entschieden worden. Was die Kritiker (insbesondere die der CDU) anscheinend vergessen, ist die Tatsache, dass im Fall der mangelnden Gesetzgebungskompetenz auch die Landesgleichstellungsgesetze, die von CDU- und CSU-regierten Ländern (z.B. das Saarland und Bayern) erlassen wurden, nicht verfassungsgemäß wären.

Ist nach dem Beschluss des VG Düsseldorf mit weiteren Gerichtsverfahren zu rechnen?

Alle mit dem Thema Befassten – von Kritiker*innen bis zu den Befürworter*innen – haben mit zahlreichen Klagen gerechnet. Das war nicht nur bei der Einführung des ersten LGGs für NRW im Jahr 1999 ganz genauso. Die Konkurrentenklage, wie sie jetzt beim VG Düsseldorf eingereicht wurde, gehört zudem zum Standard der Verwaltungsgerichtsverfahren. Der DJB erwartet sogar, dass die Frage der Quote letztendlich vom Bundesverfassungsgericht entschieden wird – nachdem sie europarechtlich bereits vor langer Zeit im Sinne des Gesetzentwurfs entschieden wurde. Und das würde der DJB nicht nur begrüßen, sondern sie kommen zu dem Schluss: „Die neu formulierte Frauenquote kann der Entscheidung des BVerfG deshalb mit großer Gelassenheit entgegen sehen.“

Wie geht es weiter?

Die Landesregierung hat angekündigt, gegen den Beschluss des VG Düsseldorf den Rechtsmittelweg zu beschreiten und Beschwerde gegen das Urteil einzulegen
Bei weiteren Fragen oder Bedarf nach konkreter Argumentationshilfe stehen unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Frauenpolitik, Gerta Siller (gerta.siller@landtag.nrw.de , 0211 884 2867) und wir gerne zur Verfügung.
Mit Grünen Grüßen
Josefine Paul                             Martin-Sebastian Abel

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