NRW geht mit dem bundesweit ersten Integrationsplan voran

Kommunalinfo

Liebe Freundinnen und Freunde,
nach umfangreichen Beratungen haben wir mit dem von uns initiierten  Antrag „Gelingende Integration von Flüchtlingen“ den bundesweit ersten Integrationsplan im Plenum abschließend beraten und beschlossen. Mit dem Antrag bringen wir ein umfassendes Maßnahmenpaket auf den Weg, mit dem wir bestehende Strukturen stärken und Angebote ausbauen. Die Reden unseres Fraktionsvorsitzenden Mehrdad Mostofizadeh, von Arif Ünal und Jutta Velte zum Thema gibt es als Videos zum Nachschauen.
Unser Engagement schlägt sich auch im zweiten Nachtragshaushalt nieder. Für die Maßnahmen zum Integrationsplan, die innerhalb kurzer Zeit umgesetzt werden können, haben wir im zweiten Nachtragshaushalt gemeinsam mit der SPD Haushaltsanträge im Umfang von knapp 20 Millionen Euro gestellt. Für 2017 wollen wir diese Mittel verstetigen. Außerdem werden dann weitere Maßnahmen wirksam. Dabei achten wir darauf, dass alle Menschen davon profitieren können. Es ist ein großer Vorteil, dass wir in NRW eine gute Infrastruktur haben, die wir so unterstützen können. Hier ist die Rede von Sigrid Beer zum zweiten Nachtragshaushalt im Video dokumentiert.

Ausführliche Beratungen: Einbeziehung von Expertinnen und Experten

Nachdem die vergangenen Monate vor allem von der Herausforderung geprägt waren, die geflüchteten Menschen mit dem Notwendigen zu versorgen, geht es jetzt und auch noch in den kommenden Jahren um ihr Fußfassen in der Gesellschaft. Deshalb haben wir mit der SPD-Fraktion einen Antrag eingebracht, der die zu treffenden Maßnahmen in allen Bereichen des Lebens aufzeigt sowie die Aufgaben und Zusammenarbeit von Kommunen, Land und Bund darstellt.
Da sich bei der Integration von Geflüchteten so viele Akteurinnen und Akteure aus Ehren- und Hauptamt, in den Verwaltungen und in der Zivilgesellschaft einbringen, waren uns deren Kenntnisse und Erfahrungen besonders wichtig. Deshalb gab es zu dem Antrag in fast allen Ausschüssen Anhörungen von Sachverständigen – neben dem Integrationsausschuss haben sich zum Beispiel der Schulausschuss, der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, der Kulturausschuss sowie der Kommunalausschuss mit dem Integrationsplan befasst. Die Ergebnisse dieser bisher beispiellosen parlamentarischen Arbeit flossen in die weitere Bearbeitung ein.

CDU zögerlich, FDP nicht bereit für einen gemeinsamen Integrationsplan

Integration ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Parteien etwas angeht. Deshalb haben wir den anderen Fraktionen (CDU, FDP und Piraten) frühzeitig angeboten, sich am Integrationsplan zu beteiligen und ihre Vorstellungen einzubringen. Themenfelder wurden identifiziert und Gespräche terminiert, die im Übrigen anfangs sehr gut verliefen. Die FDP wollte allerdings nur Forderungen diktieren und politisch taktieren statt sachlich interfraktionell an dieser großen Aufgabe zu arbeiten, wie es in NRW Tradition hat. Nachdem die FDP mit einer großen Inszenierung aus den Verhandlungen ausgestiegen ist, zögerte auch die CDU. Daher ist der Integrationsplan nun ein rot-grüner Meilenstein.
Es ist aber erfreulich, dass die CDU-Fraktion sich an diesem Mittwoch unserer rot-grünen Resolution für die Fortsetzung der in NRW auf Verständigung und Konsens angelegten Integrationspolitik angeschlossen hat. Wir wollen nach der fraktionsübergreifenden Integrationsoffensive aus dem Jahr 2001 auch die Belange der Geflüchteten bei unserer umfassenden Integrationspolitik einbeziehen. Unser Dank gilt den vielen Engagierten. Auch mit ihrer Hilfe wollen wir Integration in NRW zu einer Erfolgsgeschichte machen. Dass es dafür gegenseitige Akzeptanz und Anstrengungen aller Ebenen und Menschen in NRW braucht, haben wir mit der Resolution gemeinsam bekräftigt.

Der Integrationsplan für NRW

Der Integrationsplan ist in fünf Handlungsfelder mit mehreren Unterkapiteln und ein Kapitel zu den Rahmenbedingungen von Bund, Land und Kommunen gegliedert. Mit dem Plan werden bestehende Strukturen in verschiedenen Bereichen konzeptionell erweitert und teilweise finanziell und mit mehr Personal ausgebaut. In anderen Bereichen gibt es Projektförderungen.
Uns GRÜNEN ist besonders wichtig, dass alle Angebote des Landes den Geflüchteten unabhängig von der sogenannten „Bleibeperspektive“ offen stehen.
1.     Ankommen in NRW. Mehr als Sprache
Unser Ziel ist die umfassende gesellschaftliche Teilhabe aller zu uns kommenden Menschen. Deshalb stehen von Beginn an Angebote zum Erwerb von Sprache und Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags zur Verfügung. Für das Erstellen von entsprechenden Informations-Apps und ihrer Bündelung auf einem mehrsprachigen Internetportal sowie zur Einrichtung einer zentralen Servicestelle, an die sich ehrenamtliche Helfer*innen bei dringenden Fragen wenden können, stellen wir 375.000 Euro zur Verfügung.
Viele Menschen, die zu uns kommen, haben oft lange Wege hinter sich, ohne auf medizinische Versorgung zurückgreifen zu können. Deshalb setzen wir auf eine guten Zugang zum Gesundheitssystem. Hier werden wir verstärkt interkulturelle Sprach- und Kulturmittler*innen einsetzen. Die therapeutische Versorgung von traumatisierten Geflüchteten werden wir verbessern.
Wir wollen sicherstellen, dass Frauen, Mädchen und Geflüchteten mit LSBTTI*-Hintergrund keine weitere Gewalt und Diskriminierung erleben müssen. Deshalb bringen wir Frauen und Mädchen in den Landeseinrichtungen geschlechtergerecht unter und fördern die Begleitung und Beratung von Geflüchteten mit LSBTTI*-Hintergrund.
2.     Integration von Anfang an
Fast ein Drittel der Geflüchteten ist unter 18 Jahre alt. Deshalb legen wir großen Wert auf frühkindliche Bildung, Eltern-Kind-Angebote, Jugendarbeit und natürlich einen weiteren Ausbau der schulischen Bildung. Für den Ausbau der Brückenprojekte, also niedrigschwelliger Betreuungsangebote zur Heranführung an institutionalisierte Formen der Kindertagesbetreuung, erhöhen wir die Mittel um fünf auf insgesamt 30 Millionen Euro.
Die Integration durch Bildung ist ein zentraler Baustein für die gesellschaftliche Integration. Der gemeinsame Unterricht von Schüler*innen mit und ohne Migrationshintergrund leistet hierzu einen wichtigen Beitrag. Für alle Kinder und Jugendlichen muss deshalb rechtzeitig eine adäquate schulische Förderung sichergestellt sein. Wir fangen dabei in NRW nicht bei Null an. Die allgemeine Schulpflicht gilt schon lange in NRW für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Lehrer*innen stehen seit über 40 Jahren umfängliche Erfahrung und Materialien für die Förderung von jungen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zur Verfügung. Außerdem profitieren wir heute von der bewussten Entscheidung, weiterhin eine hohe Zahl von Lehrkräften ausgebildet und nicht – wie in vielen anderen Bundesländern geschehen – die Studienplätze für das Lehramt und die Stellen für das Referendariat reduziert zu haben, weil als Folge des demografischen Wandels von sinkenden Schülerzahlen  ausgegangen wurde.
Die Kommunalen Integrationszentren (KI) sind eine wichtige Schnittstelle, wenn es darum geht, für jedes Kind und jede*n Jugendliche*n das richtige Angebot zu finden. Hier finanzieren wir in jedem „KI“ eine weitere Stelle für den schulischen Bereich.
Auch die Aus- und Weiterbildung der jungen Erwachsenen über 18 Jahre liegt uns am Herzen. Schätzungen zufolge sind davon 81 Prozent wiederum unter 35 Jahre alt. Manche bringen bereits eine gute Schulbildung mit, andere wiesen große Lücken in ihren Bildungsbiographien auf. Alle haben aber ein Recht auf Bildung. Es gilt, den Menschen entsprechend ihrer Voraussetzungen den für sie geeigneten Zugang zu Bildung zu eröffnen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen unterschiedliche Bildungsangebote von unterschiedlichen Institutionen: Internationale Förderklassen (IFK) an den Berufskollegs, die Aufnahme in Weiterbildungskollegs. Auch die gemeinwohlorientierte Weiterbildung vor allem an Volkshochschulen bietet neben Sprachkursen und Qualifizierungsangeboten die Möglichkeit, ungeachtet des Alters und der daran gebundenen formalen Schulpflicht, bis zum 18. Lebensjahr Schulabschlüsse zu erwerben. Viele Zugewanderte brauchen aber vorab Einstiegshilfen, damit sie schulische Angebote erfolgreich absolvieren können.
Alle Geflüchteten sollen nach der Zuweisung in die Kommune ein individuelles Bildungsangebot erhalten, das in eine individuelle Bildungsvereinbarung mündet. Damit die Weiterbildungskollegs (früher: Abendrealschulen) mehr Vorkurse anbieten können, schaffen wir 100 weitere Stellen. An den Berufskollegs erhöhen wir das multiprofessionelle Personal um 300 Stellen und ermöglichen ein zweites Jahr in den Internationalen Förderklassen. Zusätzlich zur bereits mit dem Haushalt beschlossenen verbesserten Finanzierung der gemeinwohlorientierten Weiterbildung investieren wir 700.000 Euro in Projektförderung für zusätzliche Angebote.
An den Hochschulen sollen die Studieneingangsphasen professionalisiert und Ansprechpartner*innen für Geflüchtete an allen Hochschulen benannt werden.
3.     Passgenaue Qualifizierung und Teilhabechancen auf dem Arbeitsmarkt.
Für die langfristige Integration von Geflüchteten ist der Zugang zum Arbeitsmarkt ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Da viele Geflüchtete ihre beruflichen Qualifikationen nicht durch Zeugnisse und ähnliches nachweisen können, ist die Etablierung von Kompetenzfeststellungsverfahren und Qualifikationsanalysen zum Beispiel durch Arbeitsproben für uns ein wichtiger Baustein.
Mit dem Nachtragshaushalt investieren wir beispielsweise 200.000 Euro in die Entwicklung eines Konzeptes, wie wir den Sozialen Arbeitsmarkt ausweiten und verstetigen können.
4.     Zusammenleben im Quartier und in der Gesellschaft.
Zum Zusammenleben gehören nicht nur ausreichend Wohnraum für alle, sondern auch Begegnungsmöglichkeiten im Quartier, Sport- und kulturelle Angebote sowie der Zugang zu Medien. So fördern wir weitere hauptberufliche Integrationslotsinnen und -lotsen in den Stadt- und Kreissportbünden, das sind 40 halbe Stellen. Wir finanzieren die Förderung von Medienkompetenz geflüchteter Menschen, Freifunk-Projekte, einen Filmpreis zum Thema Flucht und Integration sowie einen Medienpreis mit insgesamt 370.000 Euro. Der Kulturetat wird um 1,25 Millionen Euro für die Förderung von Projekten zur kulturellen Teilhabe (Breitenkultur), zum Erwerb von Sprache und Kulturverständnis z.B. über Schrift, Musik oder Gesang, für Projekte im Bereich Interkultur und freie Künste, für die Förderung der soziokulturellen Zentren und für die Qualifizierung von Kulturschaffenden aufgestockt.
5.     Starke Zivilgesellschaft – konsequent gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Die Solidarität mit Geflüchteten ist weiterhin ungebrochen und die Hilfsbereitschaft groß. Deshalb unterstützen wir Ehrenamtler*innen in ihrem Engagement. Dennoch müssen wir leider feststellen, dass rassistische und rechte Hetze und Gewalttaten zunehmen. Deshalb werden wir weitere Antidiskriminierungsstellen einrichten. Für 2016 stellen wir dafür 100.000 Euro zur Verfügung. Für Prävention im Bereich Rechtsextremismus und Salafismus werden ebenso Stellen eingerichtet wie für die allgemeine Aufklärung und Sensibilisierung zum Thema Islamismus. Für Kampagnen und Projekte zur Senkung der Schwelle der Kontaktaufnahme zu den Aussteigerprogrammen im Bereich Rechtsextremismus und Islamismus und Kampagnen und Projekte gegen salafistische Propaganda im Internet und den sozialen Netzwerken stellen wir zusätzlich 450.000 Euro und damit insgesamt etwas mehr als 5 Millionen Euro zur Verfügung.

Weitere Unterstützung für die Kommunen

Das Land wird auch die Kommunen weiter unterstützen. Ab 2017 werden wir die die Summe, die die Kommunen für Unterbringung und Integration von Geflüchteten erhalten, vereinbarungsgemäß erhöhen.
Mit der Aufstockung der Stellen in den Kommunalen Integrationszentren kommen wir vor allem dem Wunsch der Ehrenamtlichen vor Ort und der Kommunen nach Koordination, Austausch, Vernetzung und Wissenstransfer nach. Wir finanzieren in den „KI“ neben den oben genannten Stellen für den schulischen Bereich pro „KI“ zwei weitere Vollzeitstellen. Für die 29 „KI“ in den Kreisen fördern wir je eine weitere Stelle, da dort der Koordinierungsaufwand aufgrund der räumlichen Distanzen besonders hoch ist. Zudem sollen in den Städten, die in den vergangenen Jahren in besonderem Umfang Zugewanderte aus Südosteuropa aufgenommen haben, sozialpädagogische Fachkräfte, Sprach- und Kulturmittler*innen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen als Integrationslots*innen dienen. Hierfür ist für jedes Kommunale Integrationszentrum in diesen Städten eine Stelle vorgesehen, welche ebenfalls dauerhaft zu finanzieren ist.
Von der Großen Koalition in Berlin erwarten wir, dass sie ebenfalls Verantwortung übernimmt und der Bund sich endlich dauerhaft und konsequent an weiteren finanziellen Anstrengungen in den Bereichen Kinderbetreuung und schulische Bildung, sozialem Wohnungsbau und Arbeitsmarktintegration beteiligt
Wie geht es weiter? Mit dem Integrationsplan unterstützen wir die Kommunen bei der Bewältigung der großen Herausforderung der Integration der Neuzuwanderer*innen. Denn Integration findet in den Kommunen statt. Ob sie gelingt, entscheidet sich vor Ort. Auch im kommenden Jahr werden wir den Integrationsplan fortschreiben und noch erweitern.
Unter anderem bei unseren Vorort-Terminen sehen wir immer wieder, mit wie viel Engagement ehren- und hauptamtliche Helfer*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Flüchtlingsinitiativen, Moscheevereine, Migrantenselbstorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Kirchen sich dieser Aufgabe stellen. Und an vielen Orten sind GRÜNE voll und ganz dabei. Mit dem Integrationsplan wollen wir diesen Einsatz auch würdigen.
Falls Ihr Rückfragen zum Integrationsplan habt könnt Ihr Euch sehr gerne an uns und unsere wissenschaftliche Mitarbeiterin für Integrationspolitik, Cornelia Schröder (0211 884 2276 sowie cornelia.schroeder@landtag.nrw.de), wenden.
Mit Grünen Grüßen
Sigrid Beer                                Jutta Velte

Mehr zum Thema

Integration