Stefan Engstfeld: „Verbraucher müssen Ziel guter Handelspolitik sein und nicht ihre Zielscheibe“

Antrag der CDU auf Ratifizierung des CETA-Abkommens

###NEWS_VIDEO_1###
Stefan Engstfeld (GRÜNE): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Position von Bündnis 90/Die Grünen haben wir gestern noch mal öffentlich dargelegt. Es gibt einen aktuellen Beschluss des Landesvorstandes und auch einen Beschluss unserer Landtagsfraktion mit dem Titel: Wer TTIP ablehnt, muss erst CETA stoppen. – Die drei wichtigen politischen Punkte, die wir beschlossen haben und die unserer Linie entsprechen, mit der wir dem Freihandelsabkommen begegnen, will ich Ihnen gerne nennen.
Erstens: Wir sprechen uns dafür aus, CETA zu stoppen und auf transparenter Grundlage neu zu verhandeln. Zweitens: CETA muss dem Bundestag und auch dem Bundesrat zur Abstimmung vorgelegt werden und darf vor allem nicht, wie es derzeit von der EU-Kommission geplant und beantragt ist, zur vorläufigen Anwendung gebracht werden. Drittens: Sollte CETA so unverändert im Bundesrat zur Abstimmung gestellt werden, wollen wir, dass Nordrhein-Westfalen diesem Abkommen nicht zustimmt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben einige Punkte in unserem Beschluss genannt. Ich möchte Ihnen einen explizit noch einmal vortragen: Wir sind der Auffassung, dass die öffentliche Daseinsvorsorge durch dieses geplante Freihandelsabkommen sehr wohl unter Druck gerät. Herr Kollege Töns, Sie haben es angesprochen: Es handelt sich um den Bereich des Negativlistenansatzes. Dieser bedeutet nämlich, dass alle Dienstleistungen, die nicht privatisiert werden sollen, ausdrücklich gelistet werden müssen. Zwar erlaubt das CETA-Abkommen Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen der kommunalen Daseinsvorsorge, allerdings fallen nicht explizit genannte Dienstleistungen – das ist jetzt neu – automatisch in den Bereich der Liberalisierung. Das betrifft auch solche Dienstleistungen, die zum Zeitpunkt des Abschlusses von CETA nicht existieren, denn die Ausnahme für neue Dienstleistungen ist unbestimmt und erzeugt große Rechtsunsicherheit. Das hat zur Folge, dass im besten Fall selbst bei einer umfassenden Negativliste nur der Status quo der Daseinsvorsorge fixiert wird.
Der in CETA verwendete Negativlistenansatz ist auch grundsätzlich problematisch. Er entfaltet eine Dynamik zugunsten weitreichender Liberalisierungsverpflichtungen, weil Regulierungen in erster Linie als Handelshemmnisse betrachtet werden, sodass deren Beibehaltung stets besonders gerechtfertigt werden muss.
Das gab es noch nie. Bisher gab es immer den Positivlistenansatz. Das heißt, dass explizit ein Bereich, der liberalisiert bzw. privatisiert werden sollte, genannt werden musste. Das wird jetzt umgedreht. Herr Kerkhoff, das ist das Neue an diesem Freihandelsabkommen – das gilt für TTIP und für CETA. Wir haben schon viele Freihandelsabkommen, aber TTIP und CETA sind eine neue Generation von Handelsabkommen, mit denen grundlegende Mechanismen umgedreht werden. Sie können das sehr gut an dem Beispiel Positiv- und Negativlisten sehen. Das gilt auch beim Vorsorgeprinzip, das geschwächt wird und wo teilweise eine Umkehrung des Ansatzes geschieht.
Wir als Grüne haben kein Problem damit, wenn es um technische Anpassungen geht. Natürlich wollen auch wir vernünftigen Handel – unserer Meinung nach braucht er soziale und ökologische Leitplanken. Natürlich sind wir ein exportorientiertes Land und natürlich soll der Mittelständler auch fleißig weiter zu guten Bedingungen exportieren können. Das ist überhaupt nicht unser Punkt. Die Frage ist nur: Braucht man dafür ein Freihandelsabkommen, das in viele Bereiche rein reguliert, die sehr sensibel sind, z. B. in den Datenschutzbereich und den Lebensmittelbereich.
Sprich: Wir haben nicht nur eine Verantwortung der Wirtschaft gegenüber, sondern wir haben vor allen Dingen eine besondere Verantwortung den Verbraucherinnen und Verbrauchern in Nordrhein-Westfalen gegenüber – den Menschen, unserer Bevölkerung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich bin Verbraucher, Sie sind Verbraucher. Es gibt einen Schutzgedanken, den wir auch abwägen müssen. Der Schutz der Menschen, der Verbraucherinnen und Verbraucher liegt uns sehr am Herzen. Wir werden dabei eine Stimme sein. Wir sagen, dass ein hoher Schutz von Umwelt und Verbrauchern kein Handelshemmnis für uns ist. Verbraucher müssen Ziel guter Handelspolitik sein und nicht ihre Zielscheibe. Das passiert aber leider gerade bei diesen beiden Abkommen.
Im Abstimmungsverhalten und inhaltlich können wir der CDU-Fraktion nicht folgen. In der Abwägung kommen wir zu einem anderen Ergebnis, nämlich, dass die Risiken gerade erheblich höher als die Chancen sind.
Dem Antrag der PIRATEN und des Abgeordneten Schwerd sind wir inhaltlich sehr nah. Wir werden Ihn trotzdem ablehnen. Warum? Wie Sie wissen, sind wir in einer Koalition. Es gibt am Montag einen Konvent der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Dort sind sie in der Debatte und es gibt somit noch kein abschließendes Verhalten des Koalitionspartners. Das ist der einzige Grund, weshalb wir den Antrag ablehnen. Wir werden aber zusammen am Samstag – auch ich persönlich – wieder in Köln stehen, uns artikulieren, gegen diese Abkommen demonstrieren und damit deutlich machen, wie aus unserer Sicht die Sozialdemokratische Partei Deutschlands bei ihrem Konvent abstimmen sollte. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN)

Mehr zum Thema

Europa, Wirtschaft