Reform des Landesgleichstellungsgesetzes

Kommunalinfo

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
„Was lange währt, …“ sagt nicht nur das Sprichwort. Auch der Entwurf des neuen Landesgleichstellungsgesetzes (kurz LGG, förmlicher Titel: „Gesetz zur Neuregelung des Gleichstellungsrechts“) ist dank guter Vorbereitung auch inhaltlich wirklich gut geworden. So wurde zum Beispiel per Gutachten geklärt, wie wir die Frauenförderung verfassungsfest im Gesetz verankern können. Das Gutachten des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Professor Hans-Jürgen Papier (und die daraus resultierende Gesetzesvorlage) waren und sind die Hauptstreitpunkte dieses Gesetzesvorhabens.
Aber der Reihe nach:

Was bisher geschah

Das nordrhein-westfälische LGG hat eine lange Vorgeschichte. 1983 zogen die GRÜNEN erstmals in den Deutschen Bundestag ein und sorgten gleich für Aufsehen, als sie im Entwurf für ein „Antidiskriminierungs-Gesetz“ unter anderem eine „harte Frauenquote“ forderten. Demnach sollten mindestens die Hälfte aller öffentlichen Stellen und Posten mit Frauen besetzt werden.
Ende Oktober 1989 erblickte dann in NRW das erste Frauenfördergesetz, das „Gesetz zur Förderung der beruflichen Chancen für Frauen im öffentlichen Dienst“, das Licht der Welt. Es enthielt eine „Soll-Quote“ für Frauen im öffentlichen Dienst. Allerdings sollte aufgrund eines Gutachtens des ehemaligen Bundesinnenministers und Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda (CDU) eine Quote dann zulässig sein, wenn immer auch der Einzelfall geprüft würde – die Klausel wurde als „Benda-Schwänzchen“ bekannt.
Der Aufschrei der Männer über diesen ganzen „Quatsch“ war damals riesengroß. Auch gerichtliche Auseinandersetzungen vor dem Landes- und Bundesverfassungsgericht ließen nicht lange auf sich warten. Da das „Benda-Schwänzchen“ sich aber als gerichtsfest erwies, wurde diese Regelung auch ins 1999 beschlossene Landesgleichstellungsgesetz übernommen.
Leider blieben auch die zahlreichen Angriffe diverser „Männerbünde“ nicht gänzlich erfolglos. Doch obwohl das LGG im Gesetzgebungsverfahren einige Federn lassen musste, war es wegweisend und ein Vorbild für viele andere Bundesländer.
Herzstück war und ist die „leistungsbezogene Entscheidungsquote“, die Frauen bei gleicher Qualifikation privilegiert. Außerdem verpflichtet das erste LGG alle Dienststellen mit mindestens 20 Beschäftigten, eine Gleichstellungsbeauftragte zu benennen. Kommunen mit mehr als 10.000 Einwohner*innen müssen seit Inkrafttreten des LGG hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte benennen.

Und jetzt ein LGG mit Biss

Grundsätzlich hat sich das LGG bewährt. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten ist deutlich angestiegen. Allerdings gilt nach wie vor: Je höher die Position, desto geringer der Frauenanteil. Offensichtlich werden also bis heute neun Millionen Mädchen und Frauen in NRW strukturell benachteiligt. Unsere politische Aufgabe ist es, diese strukturellen Defizite zu bekämpfen.
Für die Beamt*innen haben wir bereits mit dem Dienstrechtsmodernisierungsgesetz einen weiteren, großen Schritt Richtung Chancengleichheit gemacht. Darin haben wir die bestehende Quotenregelung weiterentwickelt: Beamt*innen sind zukünftig bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern". Jetzt wollen wir auch für tarifbeschäftigte Frauen im öffentlichen Dienst nachlegen.

Mehr Frauen in Führungspositionen (§7 Abs.3)

Frauen sind in Führungspositionen des Öffentlichen Diensts unterrepräsentiert. Das wollen wir mit einer wirkungsvollen Quotenregelung analog zum Dienstrechtsmodernisierungsgesetz ändern. Die für Beamtinnen eingeführte Beförderungsklausel wollen wir mit der Novellierung des LGG auf den gesamten öffentlichen Dienst in NRW übertragen. Wir sind zuversichtlich, dass wir damit die beruflichen Aufstiegschancen aller weiblichen Beschäftigten im öffentlichen Dienst verbessern.
Bisher hieß es im Gesetz: „Bei gleicher Eignung und Befähigung werden Bewerbungen von Frauen bevorzugt berücksichtigt.“ In der Praxis wurde jedoch letztlich so weiter „ausdifferenziert“, dass Frauen nur selten eine echte Chance hatten. In der Praxis wurden Frauen beispielsweise berufliche Pausen zur Kindererziehung zum Nachteil, männliche Konkurrenten bekamen Stellen oder Beförderungen, weil sie „mehr Erfahrung“ hatten. Diese Scheinrationalität wollen wir durchbrechen. Zukünftig heißt es im Gesetz: „Frauen sind bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen“.
Schon jetzt drohen Klagen, denen wir allerdings gelassen entgegensehen. Neben dem als konservativ einzustufenden Staatsrechtler Hans-Jürgen Papier halten auch weitere Jurist*innen die Regelung für verfassungskonform. Wir sind sicher: Das zweite LGG wird sich als ebenso standhaft erweisen, wie schon das erste.

Wir stärken die Position der Gleichstellungsbeauftragten (§18)

Frauen brauchen starke Fürsprecher*innen. Für effektive Gleichstellung  brauchen wir vor allem starke und durchsetzungsfähige Gleichstellungsbeauftragte (GB). Sie müssen in Zukunft frühzeitig über alle personellen, organisatorischen und sozialen Maßnahmen wie etwa Einstellungen, Beförderungen und Personalentwicklung informiert werden. Sie erhalten das Recht, Einsicht in alle Vorgänge zu erhalten. Damit können die Gleichstellungsbeauftragten sehr viel besser das machen, was ihre Aufgabe ist: für gleiche Chancen sorgen.
Maßnahmen, an denen Gleichstellungsbeauftragte nicht ordnungsgemäß beteiligt wurden, sind zukünftig gesetzeswidrig. Zusätzlich erhalten sie ein Klagerecht. Das Gesetz stärkt ihre Position außerdem dadurch, dass sie in Zweifelsfällen externen Sachverstand einholen können und Anspruch auf mindestens eine gleichstellungsbezogene Fortbildung pro Jahr haben.

Eine geschlechtergerechte Repräsentanz in Gremien im Einflussbereich der öffentlichen Hand (§12)

Ein weiterer Meilenstein werden die Regelungen zur Gremienbesetzung sein. Zukünftig sollen in Gremien im Geltungsbereich des Gesetzes – einschließlich der Aufsichts- und Verwaltungsräte – mindestens 40 Prozent der Mitglieder Frauen sein. Ausnahmen sind nur in einigen konkreten Fällen erlaubt. Um dieser Vorgabe mehr Durchschlagskraft als in der Vergangenheit zu verleihen, sind nun auch Sanktionen vorgesehen.

Wie es weitergeht

Ich werde in den kommenden Wochen mit dazu beitragen, dass unser Gesetzentwurf den zu erwartenden Angriffen besser standhält als dies beim ersten LGG der Fall war. Der Deutsche Juristinnenbund hat dem Entwurf teils sogar Vorbildcharakter für die Novellierungen der Gleichstellungsgesetze anderer Länder bescheinigt – diesen Vorbildcharakter wollen wir nun auch durchsetzen. Nach der Einbringung in den Landtag am 8. Juli wird es nun am 7. September eine Fachanhörung mit Expert*innen im Emanzipationsausschuss geben.
Über den Fortgang des Verfahrens werde ich Sie und Euch auf dem Laufenden halten.
Mit Grünen Grüßen

Josefine Paul MdL

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