Stefan Engstfeld: „Es wäre wesentlich mehr möglich gewesen“

Abschlussbericht der Verfassungskommission

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Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Lienenkämper, Falsches wird nicht richtiger, indem man es ständig wiederholt, sondern falsch bleibt falsch. In Ihrer Rede waren ein paar Sachen ganz schön falsch.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Ich will das ein bisschen näher ausführen. Das Einzige, was richtig ist: Ja, der große politische Korb, der große Wurf, ist ausgeblieben, weil es beim Wahlalter keine Einigkeit gab. Wer ist schuld daran? – Ganz einfach: Sie, die CDU. Sie haben sich verweigert, Sie haben den politischen Korb komplett in den Orkus geschickt, weil Sie so viel Angst vor 300.000 Jugendlichen haben. Das gibt es ja gar nicht!
(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)
Wir hätten heute eine ganz andere Debatte, wenn Sie in der Lage gewesen wären, Ihre Position mal zu überdenken und zu überarbeiten. Mein Gott, bin ich froh, dass andere Bundesländer weiter sind als die Christlich Demokratische Union in Nordrhein-Westfalen.
(Armin Laschet [CDU]: Wer denn?)
– Wir haben doch viele Bundesländer, in denen mit 16 gewählt wird. Nein, nein, nein – hier. So: Ja, ja, ja. Das ist doch schön, dass es funktioniert. Es funktioniert in Bremen; es funktioniert in Brandenburg. Aber Sie haben so viel Angst, dass daran der gesamte politische Korb gescheitert ist.
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Viele Länder? Bremen und Brandenburg!)
Das müssen Sie sich zurechnen lassen. Es ist Ihr Verdienst, dass wir heute nur die kleine politische Lösung haben und nicht den großen Korb. Vielen Dank, CDU.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Außerdem habe ich auch viel gelernt; das muss ich ehrlich zugeben. Ich habe in dieser Verfassungskommission viel über politisches Taktieren gelernt.
Aber was in Ihrer Rede, Herr Lienenkämper, auch falsch war, war der Satz: Wir haben Ihnen ja angeboten, dass wir da eine elegante Lösung haben.
(Lutz Lienenkämper [CDU]: Ja!)
Das habe ich gelernt: Man macht CDU und FDP einen Vorschlag, dann sagen die: „Wir denken darüber nach“, drehen sich um und gehen vor die Landespressekonferenz und sagen: Das ist unser Angebot.
(Lachen von den PIRATEN)
Das habe ich gelernt, dass das bei Ihnen anscheinend so funktioniert. – Nein, das ist natürlich falsch, es wäre ein guter Kompromiss gewesen, wenn Sie halt eine Stelle anders betont hätten.
Ich bedauere sehr, dass dieser politische Korb – er wurde jetzt mehrfach von meinen Vorrednern ausformuliert – so nicht zustande gekommen ist. So haben wir jetzt nur den Spatz in der Hand und nicht die Taube auf dem Dach. Es wäre wesentlich mehr möglich gewesen.
Falsch war auch Ihre Aussage zur Schuldenbremse: Das ist das wahre Motiv der regierungstragenden Fraktionen! Das Wahlalter! – Das ist doch alles Blödsinn. Wir hatten bei der Schuldenbremse doch eigentlich einen Konsens. Das haben wir doch untereinander konsentiert, und wir waren bei der Schuldenbremse doch „klar“!
(Unruhe)
Insofern ist das alles, was Sie hier gesagt haben, so nicht richtig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir waren wesentlich weiter: Wir waren uns fast einig bei der individuellen Verfassungsbeschwerde, und wir waren uns einig in der Neutarierung im Verhältnis repräsentativer und direkter Demokratie. Wir waren so nah dran, und dann ist es leider gescheitert.
Von dem, was in der kleinen Lösung übrig geblieben ist: Ja, natürlich ist es gut für uns. Wir haben die Parlamentsrechte gestärkt, und ich begrüße das auch für meine Fraktion außerordentlich. Ja, es ist richtig, wir haben diverse Verbesserungen eingeführt, und auch die parlamentslose Zeit wird es jetzt hoffentlich nie wieder geben.
Ein Punkt, der gerade aber doch noch einmal große Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist die Änderung der Eidesformel. Warum gibt es jetzt diese Änderung der Eidesformel? Wir haben das immer wieder moniert bei der Vereidigung. Wir haben es auch immer wieder thematisiert in diesem Parlament, denn wir sind neben Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, das noch auf das deutsche Volk schwört.
Wir hatten immer zwei Punkte. Der eine ist: Auf das ganze deutsche Volk zu schwören ist, ich will nicht sagen anmaßend, aber irgendwie schräg. Wenn – und so geben das die anderen Landesverfassungen auch her – man schon auf das Volk schwören will, dann aber das Volk in den Landesgrenzen. So ist das auch überall in den Eidesformeln enthalten.
Der zweite Punkt ist, dass wir gesagt haben: Nein, wir machen hier Politik für alle Menschen in Nordrhein-Westfalen und nicht nur für diejenigen mit dem deutschen Pass, und das muss sich abbilden.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)
Alle Menschen, die hier leben, müssen sich an die Gesetze halten. Alle sind von unseren Entscheidungen der Legislative betroffen, und wir haben alle Menschen im Blick. Sie waren aber nicht alle in der Eidesformel enthalten, und das war diskriminierend.
Diese gesellschaftspolitische Notwendigkeit und Realität haben wir jetzt endlich angepasst, und ich bin sehr froh und sehr dankbar, dass die CDU, die SPD und die FDP mit uns zusammen diesen Weg gehen. Vielen Dank dafür, dann wird die Eidesformel jetzt geändert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Abschließend von meiner Seite – meine Kollegin Dagmar Hanses wird auch noch dazu sprechen –: Herzlichen Dank – ich werde Sie nicht alle aufzählen – an den Vorsitzenden, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, an die Sachverständigen, an die Referenten, an die vielen Bürgerinnen und Bürger, die uns mit Zuschriften gute Impulse gegeben haben.
Es war bis zum Schluss ein vernünftiges Arbeiten. Schade für uns: Es ist ein ernüchterndes Ergebnis. Strich drunter, denn wir werden uns im Gesetzgebungsprozess noch öfters sprechen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und den PIRATEN)

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